Kommentar: Die Linkspartei verzettelt sich in der Außenpolitik in Glaubenskriegen

Gastkommentar von Paul Schäfer, veröffentlicht in der taz vom 24. Februar 2021, die dritte Meinung

Die LINKE hat ein Wahlprogramm vorgelegt, das über 1.000 gute Forderungen enthält. Das zeugt von einem respektablen Wunsch nach Veränderung. Nur korrespondiert er leider nicht mit konkreten Vorstellungen. Die Partei möchte die CDU-geführte Bundesregierung ablösen. Mit wem? Mit welchen Essentials? Das sagt sie nicht. Die LINKE gleicht eher einer Bekenntnisgemeinschaft, die von unbefleckter Empfängnis träumt.

Nirgends wird dies so deutlich wie in der Außen- und Friedenspolitik. Die Partei sorgt sich um ihre Alleinstellung. Diese Sorge ist unbegründet. Die SPD weiß nicht so recht, wo sie hinwill. Vorstöße des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, der über die nukleare Teilhabe und das 2 Prozent-Aufrüstungsziel der NATO reden will, werden sofort von konservativen Hardlinern gekontert. Die Grünen tendieren zu den Schwarzen. In dieser Situation ist schon das Plädoyer für ein grün-rot-rotes Regierungsbündnis ein Alleinstellungsmerkmal! Und was soll daran verkehrt sein, sich als vorwärtsdrängenden und  Verbindungen knüpfenden Faktor zu profilieren?

Die Alles-oder-Nichts-Debatten in der Partei wirken wie Glaubenskriege. Und wenn es um Russland, China oder andere autoritäre Regime geht, scheint bei manchen immer noch zu gelten: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Eine neue Entspannungspolitik mit Russland, eine Entdämonisierung China und die globale Kooperation für nachhaltige Entwicklung sind bitter nötig. Dies heißt aber nicht, auf harte Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Russland, Belarus, Nicaragua, Syrien usw. zu verzichten – weil die als Opfer imperialistischer Einmischungspolitik gesehen werden. Und warum keine gezielten Sanktionen gegen die Putschgeneräle in Myanmar?

Zur Glaubwürdigkeit einer linken Partei gehört, dass die universellen Menschenrechte die Basis des Handelns sein müssen. Wenn die am kommenden Wochenende neu gewählte Parteiführung hier Klartext redet, kann sie mithelfen, das Feld für eine Bundesregierung ohne CDU/CSU zu bereiten.