Ref.: Felix Klopotek (August 2013)
Jacques Rancière scheint auch hierzulande ein Superstar des philosophisch-politisch-ästhetischen Diskurses zu sein. Seit 2005 vergeht kein Jahr, in dem nicht mindestens zwei Titel von ihm übersetzt wurden und in renommierten Verlagen erschienen sind. Der Franzose wird mal als Neubegründer der politischen Philosophie, mal als Theoretiker des Post-Marxismus gefeiert. Was immer diese Schlagworte heißen mögen – die Begeisterung für Rancière steht in einem eigentümlichen Missverhältnis zu seiner tatsächlichen Rezeption: Die gibt es in Deutschland eigentlich gar nicht! Während er in deutschsprachigen Debatten der Linken bis dato keine Rolle spielt, ist er in Frankreich tatsächlich der Denker der Linken, auf den sich kurioserweise von der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal bis zu anarchistischen Gruppen alle einigen können.
Rancière macht einige hochinteressante Vorschläge, die gerade auch die hiesigen Linken quälende Dichotomie von Universalismus vs. Partikularismus; Republikanismus vs. Kulturalismus zu unterlaufen. Er weist damit einen Ausweg aus Staatsfixiertheit – und Revolutionsromantik. Seine Partei- und Organisationskritik folgt nicht abstrakt radikalen Postulaten, sondern ist aus seiner subtilen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung gewonnen: Rancière war 1968 ein Meisterschüler Louis Althussers und Sponti-Maoist, Mitte der 70er Jahre rechnete er mit dieser politischen Vergangenheit ab – und richtete seinen Blick auf die Selbstorganisierungs- und Selbstbildungsprozesse in der Arbeiterklasse. Das mündete in seine großen Studien »Die Nacht der Proletarier. Archive des Arbeitertraums«; »Der Philosoph und seine Armen« und »Der unwissende Lehrmeister« – radikale Intellektuellenkritik und eine Verteidigung der Autonomie der sozialen Bewegungen zugleich.