„… außer frau tut es!“

Frauenpolitik im Kölner Juso-Unterbezirk Mitte der 80er Jahre

Ulrike Loida

Vorbemerkung

Bereits in den 70er Jahren gab es organisierte frauenpolitische Arbeit im Juso-Unterbezirk. Diese Ansätze gingen allerdings zum Ende dieses Jahrzehnts als Folge von Brüche innerhalb der Juso-Organisation offenbar verloren. Zu Anfang der 80er Jahre ist zwar zunächst noch eine Genossin im Juso-Vorstand für Frauenarbeit verantwortlich gewesen, sie hat sich aber im Wesentlichen darauf konzentriert, Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) zu halten. Eine eigenständige Juso-Frauenpolitik fand hingegen nicht mehr statt.

Neubeginn

Die Arbeit der Kölner Jusos war in der ersten Hälfte der 80er Jahre im wesentlichen durch die großen gesellschaftlichen Themen wie Friedenssicherung oder Arbeitszeitverkürzung bestimmt. Daneben standen Arbeitsfelder, die in Köln eine gewisse Tradition entwickelt hatten, wie beispielsweise die konkrete internationale Solidaritätsarbeit zu Nicaragua und Südafrika. Nicht zu vergessen, daß der Kölner Juso-Unterbezirk als einer der ersten neue Schritte in Richtung der Jugendpolitischen Orientierung ging, und sich bemühte, Altes, wie die kommunalpolitische Kompetenz früherer Juso-Generationen, nicht in der Versenkung verschwinden zu lassen. Nebenher ging es dann auch immer wieder um Aufbauarbeit: Zwischen 1984 und 1988 wurde rund ein Drittel aller Juso-Arbeitsgemeinschaften (AGen) vor Ort wiederbelebt, so daß Ende der 80er Jahre im Stadtgebiet nur noch wenige weiße Flec ken vorhanden waren.

So verwundert es zunächst nicht, daß Frauenpolitik als eigenständiges Arbeitsfeld innerhalb der Juso-Organisation auch von den Genossinnen selbst zunächst nicht wahrgenommen wurde. Das allerdings änderte sich Mitte der 80er Jahre.

Eines der ersten frauenpolitischen Dokumente des Juso-Unterbezirks in den 80er Jahren ist der Beschluß einer Delegiertenkonferenz im März 1986, der „Sofortmaßnahmen gegen Frauendiskriminierung“ forderte. Die Vorlage für diesen Beschluß war im Zuge eines umfangreichen Antragspakets zur Fortschreibung der Jugendpolitischen Orientierung entstanden. Dieser Beschluß formulierte, wenn auch knapp, die spezifischen Momente der Frauenunterdrückung im Kapitalismus und listete zwölf Forderungspunkte zu ihrer Bekämpfung auf. Heiß umstritten war dabei eigentlich nur die Forderung, daß ein bezahlter Elternurlaub „obligatorisch zwischen Mann und Frau zu teilen“ sein solle. Nach kurzem, heftigem Schlagabtausch nahm die Konferenz diese Position dann an.

Möglicherweise ungewollt hatten die GegnerInnen damit indirekt einen Stein ins Rollen gebracht. Ihre Position besagte, daß diese Forderung aufgrund der bestehenden Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau zu Benachteiligungen hinsichtlich des Gesamteinkommens in der vom Mann zu nehmenden Zeit führen müsse.

Die Position der BefürworterInnen des Antrags war jedoch mehrheitsfähig: Ohne die obligatorische Teilung sei erstens eine Aufbrechung tradierter geschlechtsspezifischer Rollenzuordnungen nicht erreichbar; zweitens sei die angesprochene Benachteiligung zwar nicht von der Hand zu weisen, sie könne aber, da ihr auch ein großer Teil der Männer direkt unterliegen würde, dazu führen, daß besser und erfolgreicher gegen geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung zu mobilisieren sei.

Damit stand genau genommen die Frage nach Art und Charakter der spezifischen Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft und den Vorbedingungen der allgemeingesellschaftlichen Emanzipation für die Kölner Jusos auf der Tagesordnung. Zeitgleich erfuhr die Frauenpolitik auch gesellschaftlich größere Aufmerksamkeit. Dauerbrenner in den Diskussionen war die Regelung des Abtreibungsrechts. Daneben traten Debatten um stärkere und institutionalisierte Beteiligung von Frauen an der Ausübung politischer Macht: Die Quotierungsdiskussion erreichte ein breites Publikum. Gesellschaftlich wurden Frauen umworben, als auch Konservative erkannten, daß Frauen die Mehrheit der WählerInnen stellen. Sie begannen, Begriffe der Neuen Frauenbewegung ganz selbstverständlich zu benutzen, versuchten, sie zu besetzen, konservativ zu wenden und den Frauen – teils mit Erfolg – als Gleichstellungspolitik zu verkaufen.

Im Juso-Unterbezirk begann folgerichtig eine Diskussion über die Notwendigkeit eigenständiger Frauenarbeit innerhalb der Juso-Strukturen. Ende 1986 wurde sie bereits im Arbeitsprogramm mit dem Ziel verankert, Frauenpolitik zu einem der inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeit zu entwickeln.

Wesentlichste Vorbedingung war dabei, daß von Anfang an eine Vielzahl von Genossinnen zur Mitarbeit bereit waren, und nicht Vorturnerinnen im Vorstand die Arbeit allein erledigen mußten, und die Basis auf Konferenzen lediglich Beschlüsse nachvollzieht sollte.

So gab es schon vor der eigentlichen Gründung des Arbeitskreises Frauenpolitik (AK Frauen) eine Vielzahl an frauenpolitischen Diskussionen interessierter Genossinnen. Dieser Arbeitskreis entwickelte sich vom Start weg zu dem Arbeitskreis der Kölner Jusos mit der größten TeilnehmerInnenzahl. Und das sollte kein Strohfeuer sein, das blieb dauerhaft so.

Inhaltliche Einarbeitungsphase

In dem auf der Jahreshauptversammlung der Kölner Jusos im November 1986 beschlossenen „Perspektivpapier“, das von den beiden konstruktiven Strömungen innerhalb des Unterbezirks, dem Hannoveraner Kreis und den Reformsozialisten, gemeinsam getragen wurde, und die Grundlage des späteren Arbeitsprogramms bildete, heißt es dazu:

„Wegen der geringen Beteiligung an bisherigen Arbeitskreisen kann man prinzipiell der Gründung eines weiteren AKs skeptisch gegenüberstehen. Doch hier scheint eine aktive, breite Beteiligung von Frauen gesichert zu sein, da die Notwendigkeit, einen gemeinsamen Diskussionszusammenhang zu schaffen, von Genossinnen an den JUBV herangetragen worden ist.“

Auf Bundesebene war die Frauenpolitik in den 80er Jahren kontinuierlich weitergeführt worden. Diesen „Stand der Erkenntnisse“ wollten wir zunächst systematisch aufarbeiten. Dazu stellte das „Perspektivpapier“ fest, daß „folgende Schwerpunkte … zu bearbeiten (sind):

  1. Erarbeitung und Diskussion der Beschlußlage der Jusos nach dem Bundeskongreß 1986, unter Einbeziehung der Entwicklung in der SPD.
  2. Beteiligung an Aktionen und Diskussionen im Kölner Frauenbündnis und eigenes Wirken in die Öffentlichkeit.“

Theoretisch-inhaltlich markierte insbesondere der Beschluß „Feminismus und Sozialismus“ des 1986er Juso-Bundeskongresses einen Durchbruch. Neben einer Einordnung der gesellschaftlichen Bedeutung von Frauenerwerbsarbeit oder Forderungen zur Vergesellschaftung des Bereichs privater Reproduktionstätigkeit, leistete dieser Antrag auch eine kritische Aufarbeitung der klassisch-sozialistischen Emanzipationstheorie. Wurde bis dahin bei Jusos klassisch analysiert, daß die Frauenfrage sich als „Nebenwiderspruch“ des Kapitalismus mit dessen Überwindung zugleich aufheben würde, näherte sich die Diskussion nunmehr der Einsicht an, daß patriachale Unterdrückungsmechanismen quer zur kapitalistischen Klassenunterdrückung verlaufen. Streben nach tatsächlicher Emanzipation, verstanden als Befreiung aller aus jeder Unterdrückung, so die Analyse, könne also die geschlechtsspezifische Unterdrückung nicht erst im zweiten Schritt angreifen.

Dieser inhaltliche Erkenntnisstand wurde von den Genossinnen zunächst organisiert aufgearbeitet. Neben der Einführung in die Positionen der bürgerlichen, der klassisch-sozialistischen und schließlich der Neuen Frauenbewegung leistete diese Einarbeitung zugleich eine Annäherung an die moderne strategische Frauendiskussion sowie an aktuelle Forderungen und ihre inhaltliche Begründung.

Erster Konflikt: Juso-interne Routine gegen breite Bündniszusammenhänge

Neben dem intensiven Bemühen, eine eigene Position zu finden, stand von Anfang an die Mitarbeit in der außerparlamentarischen Frauenbewegung. Schon im März 1987 beteiligte sich der AK Frauen am Internationalen Frauentag in Köln – zwar bescheiden, aber keinesfalls ohne Beachtung der übrigen Frauenorganisationen.

Im Mai offenbarten sich unterschiedliche Herangehensweisen an die Bündnisarbeit innerhalb der Juso-Frauen auf Bundesebene. Ein Juso-Kongreß zum Themenkomplex „Liebe-Lust, Last und Gewalt“ sollte zeitgleich zu einem Strategietreffen der bundesweiten Frauenbewegung unter dem Stichwort „Aktion Muttertag“ stattfinden. Angesichts der erneuten Debatten um die Verschärfung des Abtreibungsrechts oder Initiativen zum Thema „Frauen in die Bundeswehr“ empörten sich die Kölner Juso-Genossinnen über derartige, schon öfter im Verhältnis zu Bündnissen vorgekommene Borniertheiten. Schließlich sollte das Strategietreffen ein Versuch zur Erneuerung und Reaktivierung der Frauenbewegung sein.

„Dazu bedarf es des kontinuierlichen Diskussions- und Arbeitszusammenhanges in bundesweiten Bündnisstrukturen der Frauenbewegung, an deren Neubelebung wir Jusos uns aktiv beteiligen werden. Dazu bietet die ‚Aktion Muttertag‘ den besten Ansatzpunkt“,

hieß es in dem Kölner Antrag an den Juso-Bundeskongreß 1987, der die Position der Bundesebene als politisch kontraproduktiv einschätzte. Dieser Antrag wurde von dem Bundeskongreß in wesentlichen Teilen beschlossen. So hatten die Kölner Juso-Frauen sich schon kurz nach der Gründung ihres Arbeitskreises auf überregionaler Ebene erfolgreich eingemischt.

Dem Juso-Bundesvorstand und der Juso-Bundesfrauenkommission gegenüber formulierten sie im Mai 1987 unmißverständlich ihre frauenpolitische Herangehensweise:

„Wir als Kölner Juso-Frauen werden jedenfalls versuchen, … das ‚Aktion Muttertag‘-Bündnis zu stärken. %u2026 Wir werden uns hierbei gegen jeden Spaltungsversuch wehren. %u2026 Wir lassen uns unser zweites Standbein, das der außerparlamentarischen Arbeit, nicht nehmen.“

Im Rahmen des Muttertagsbündnisses, das in der Tat eine spürbare Erneuerung und Verbreiterung der Frauenbewegung mit sich brachte, und im Rahmen der Folgebewegung gegen den § 218 Strafgesetzbuch (StGB), „Frauenbegehren Selbstbestimmung“, arbeiteten Kölner Genossinnen auch weiterhin mit.

Aufklärung und Weiterbildung

Neben der lokalen und überregionalen Mitarbeit in Bündnissen kam die eigene politische Profilierung nicht zu kurz. Da zunehmend der § 218 StGB ins Zentrum der frauenpolitischen Debatten rückte, nahm der AK Frauen dieses zum Anlaß, sich ausführlich mit der geplanten Einführung eines Bundesberatungsgesetzes zu befassen. Die Genossinnen erarbeiteten anschließend eine Broschüre zum Thema § 218 StGB, und formulierten einen Musterantrag, der über die örtlichen Juso-AGen in die SPD-Ortsvereine eingebracht werden sollte. Natürlich brauchte es mehrere Parteitage der Kölner SPD, um schließlich die Juso-Forderungen im SPD-Unterbezirk zu verankern. Darin spiegelte sich nicht zuletzt die Dynamik wider, die die Frauenbewegung entfaltete und der sich auf Dauer breite Teile der SPD nicht entziehen konnten.

Ein Wochenendseminar zur Geschichte der Frauenbewegung im Herbst 1987 wurde zu reger Information und Diskussion über die Themenbereiche „Frauen und SPD“ und „Frauenerwerbsarbeit“ genutzt, so daß die TeilnehmerInnen in Zukunft mit einheitlicherem Wissenstand auftreten konnten.

Quotierungsbeschluß

Das Jahr 1988 brachte den Kölner Juso-Frauen Vollbeschäftigung. Innerparteilich stand die Quotierungsdiskussion auf der Tagesordnung, bei der sich die Kölner SPD, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gerade mit Ruhm bekleckerte. Abgesehen von Jusos und ASF fand sich nämlich niemand, die/der für die Quotierung von Parteigremien in die Bresche sprang. Daß man damals in Köln weitab von jeglicher frauenpolitischer Realität lebte, belegt ein Ausspruch eines führenden Kölner Genossen, wonach die Quotierung falsch und ihre Durchsetzung auf Bundesebene absolut unmöglich sei. In der Tat war es dann dem Engagement des damaligen SPD-Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel zu danken, daß die Quotierung sich durchsetzte. (Mehrere männliche Mitglieder der Kölner Parteitagsdelegation sollen dem Vernehmen nach bei dieser Abstimmung die sanitären Einrichtungen getestet haben %u2026)

Mit Volldampf weiter!

Weitere Themen der Arbeit waren der Komplex „Frauen und Militär“ sowie ein Einstieg in die beginnende Grundsatzprogrammdiskussion der SPD anhand des ersten sogenannten „Irseer Entwurfs“. Dieser wurde zwar als gegenüber dem Godesberger Programm weitergehend bewertet, er fiel jedoch hinter die mittlerweile in der SPD erlangten Beschlußlagen zurück. Die weitere Beteiligung an dieser Diskussion erfolgte unter Einbeziehung der vorhandenen Juso-Beschlüsse. Die Arbeitsergebnisse schlugen sich diesmal über die Antragsarbeit der übergeordneten Juso-Gremien im Bezirk Mittelrhein und auf Bundesebene nieder. Hinzu kam die Beschäftigung mit der beginnenden Strategiedebatte der Jusos.

Erster Ansatz der Öffentlichkeitsarbeit der Juso-Frauen im Jahr 1988 war der Internationale Frauentag, der im Zusammenhang des Kölner Frauenforums vorbereitet wurde, und „Selbstbestimmtes Leben“ (§ 218 StGB) sowie die Abwehr der „Flexibilisierung aller Lebensbereiche“ als Hauptthemen umfaßte. Insbesondere auf Letzeres sollte seitens der Jusos 1988 nochmals gesondert eingegangen werden – doch dazu später.

„Die weibliche Wirklichkeit ist anders“

Nachdem die Genossinnen nun schon innerhalb der Jusos, der SPD und in der interessierten Öffentlichkeit von sich reden gemacht hatten, folgte ein Projekt, das ihnen eine noch breitere Öffentlichkeit bescherte. Im Nachhinein ist immer noch bewundernswert, mit welchem Elan und Engagement die beteiligten Genossinnen (und einige Genossen) die gesamte Palette ihrer vielfältigen Aktivitäten bearbeiteten.

Im April 1988 zeigte der AK Frauen zwei Wochen lang die Fotoausstellung „Frauenbilder – Die weibliche Wirklichkeit ist anders“. Die Arbeiten entstammten einem Fotowettbewerb der Berliner Jusos und verarbeiteten Themen wie Alltagsleben, Beruf, Freizeit, Geschlechterbeziehungen und Rollenverhalten. Da es gelungen war, diese Ausstellung in den Räumen und in Zusammenarbeit mit der Städtischen Zentralbibliothek am Neumarkt zu zeigen, erreichte sie tatsächlich eine große Öffentlichkeit. Die örtliche Presse berichtete positiv.

Die Ausstellung war der verbindende Rahmen für eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die teils in Juso-Eigenregie, teils in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsfrauen liefen. Eröffnet wurde die Ausstellung von Ilse Reichel-Koss, der ehemaligen Berliner Jugendsenatorin, die auch der Jury des Wettbewerbs angehört hatte und der damaligen Bürgermeisterin der Stadt Köln, Gepa Maibaum. Die Genossinnen hatten außerdem einen erfolgreichen Frauenfilmabend organisiert, der im Forum der VHS stattfand. Gezeigt wurde unter anderem der Dokumentarfilm „Aufbruch“, der die Situation türkischer Mädchen in Berlin thematisierte. Zum Abschluß der Ausstellung fand eine Veranstaltung mit den Frauen der ÖTV statt.

„Stargast“ dieses Abends war übrigens eine aufstrebende junge Entertainerin namens Hella von Sinnen, die von der Arbeit des AK Frauen völlig begeistert war. Bleibt noch zu sagen, daß der gesamte organisatorische Ablauf, die Führungen durch die Ausstellung und die inhaltliche Vorbereitung von den Genossinnen ehrenamtlich und neben ihren eigentlichen Berufen und Ausbildungspflichten erledigt wurden. Diese Power war wirklich beeindruc kend und eigentlich die beste Werbung für die Juso-Frauen in Köln.

Übrigens, wie das oft so ist: Öffentlichkeit, Presse, BesucherInnen, Gewerkschaften und BündnispartnerInnen waren beeindruckt, nur an der SPD lief das Ganze weitgehend vorbei!

Neokonservative Frauenpolitik als Einfallstor zum Abbau sozialer Rechte

Es wurde vorher schon benannt: Auch die Konservativen entdeckten die Frauenpolitik als eines der wahlentscheidenden Themen. Nicht nur in der Frauenbewegung selbst, sondern auch bei den Jusos und in der SPD gab es Debatten darüber, wie diese Frauenpolitik qualitativ einzuschätzen sei. Grund genug für den AK Frauen, sich mit dieser Problematik intensiv zu befassen und einer Delegiertenkonferenz im Juli 1988 einen Antrag „Neokonservative Frauenpolitik“ vorzulegen.

Dieser Antrag leistete eine umfassende Einordnung und Bewertung des Themas: Zunächst einmal stellten die Genossinnen fest, daß

„neokonservative ‚Frauen’politik … dem kapitalorientierten Modernisierungsziel untergeordnet (ist). Dabei spiegelt das Aufgreifen der Frauenfrage einen zweiseitigen Anpassungsdruck wieder:

  1. Anpassung an das veränderte Selbstverständnis und gewachsene Selbstvertrauen vieler Frauen und ihr ungebrochenes Drängen in die Erwerbsarbeit;
  2. Anpassung an die bis heute unveränderte %u2026 Notwendigkeit der Einbeziehung von Frauen in den kapitalistischen Produktionsprozeß und die Bürokratien.“

Als „frauenfeindlich“ daran wurden zwei Bedingungen eingeschätzt: Zum einen, daß die Einbeziehung der Frauen in den Erwerbssektor nichts bzw. nur wenig kosten dürfe; zum zweiten, daß die steigenden Belastungen der Reproduktionsarbeit von den Frauen privat erbracht werden sollen.

Der Antrag befaßte sich auch mit den Kernelementen des neokonservativen Lebensmodells und deren gesellschaftlichen Folgen:

„Mit den Schlagworten ‚Wahlfreiheit‘ und ‚Neue Partnerschaft‘ werden Männern und Frauen neue Lebensmodelle angeboten. Voraussetzung dieser Modelle ist, daß umfassender Sozialabbau, anhaltende Arbeitslosigkeit und (kapitalorientierte) ‚Flexibilisierung‘ als feststehende Komponenten anzuerkennen sind.“

Als Ziele dieses Vorgehens benannte der Antrag umfassende „Flexibilisierung“ und Verankerung eines zweistufigen Arbeitsmarktes, in dem z. T. Frauen dauerhaft in Erwerbsarbeit eingebunden werden, und nur zeitweilig, „bedarfsorientiert“ am unteren Ende der Lohn- und Beschäftigungsskala Einsatz finden. So bliebe die Herabwürdigung von Frauenerwerbstätigkeit im Grundsatz erhalten, wobei auf die spezifisch „weiblichen“ Fähigkeiten bei der gesellschaftlichen Bewältigung des krisenhaften Umbruchs in Folge der rasanten Produktivkraftentwicklung zugleich nicht verzichtet werden müsse.

Bei alldem hielten Konservative an der erstrangigen Rollenzuweisung als Mutter und Familienfrau fest. Die Genossinnen analysierten auch neue Qualitäten in dieser Konzeption: Erstmals wurde Frauen in der Krise nicht generell das Recht auf Erwerbsarbeit abgesprochen. Sie haben allerdings „flexibel“ zu bleiben und müssen während der Kindererziehungszeiten zurückstehen. Als Ursache dieser Modifikation benennt der Antrag, daß die völlige Abdrängung der Frauen in die Reproduktion den Verwertungsinteressen des Kapitals widerspreche, und zudem bei den Frauen selber nicht mehr durchsetzbar sei.

„Neu“ an dieser konservativen Politik sei außerdem, daß sie sich, wenn auch lediglich gedanklich, auch an Männer richte:

„Verwunderlich ist es nicht, denn schließlich geht es dem Kapital um die ‚Flexibilisierung‘ des gesamten Erwerbssektors. Außerdem soll die Auseinandersetzung darüber, wer wann und in welcher Form das ‚Angebot‘ nutzen darf, von der gesellschaftlichen in die Privatsphäre verlagert werden. Damit besteht zumindest die Möglichkeit, notwendige gesellschaftliche Kontroversen dauerhaft zu privatisieren und damit zunächst zu entpolitisieren. Im übrigen handelt es sich um ein rein gedankliches ‚Angebot‘. An den vorliegenden patriachalischen Grundmustern verändert sich bestenfalls in Randbereichen etwas, %u2026“

so daß die zentralen Entscheidungsstrukturen auch weiterhin fest in Männerhand bleiben würden und Frauen bestenfalls ihren zweitklassigen Status aufpolieren könnten.

Eindringlich beschreiben die Genossinnen die strategische Bedeutung der konservativen Frauenpolitik als Hebel zur stetigen Abwälzung der ökonomischen und gesellschaftlichen Krisenerscheinungen zu Lasten aller abhängig Beschäftigten. „‚Gerechte‘ Mängelverteilung ist … angesagt, keinesfalls aber die Aufhebung des mängelbehafteten und -produzierenden Systems. Emanzipation, dem Sinn nach das Streben nach der Befreiung aller aus aller Unterdrückung, wird zur freiwilligen Selbstbescheidung verkehrt.“

Nach der Delegiertenkonferenz, auf der Mechtild Jansen das Hauptreferat hielt, eine Reihe von Arbeitsgruppen durchgeführt wurden und der Antrag intensiv diskutiert wurde, waren zumindest im Juso-Unterbezirk Köln die verwirrenden Debatten um Möglichkeiten parteiübergreifender Frauenkoalitionen geklärt.

Eines allerdings blieb ein wenig ernüchternd. Schon in der Auswertung der Frauenaktionswoche mit der Fotoausstellung fiel den Genossinnen des AK Frauen eine merkwürdige Zurückhaltung der überwiegenden Mehrheit der Juso-Männer auf. Zum Verlauf der inhaltlich äußerst spannenden Delegiertenkonferenz merkten sie später im Rechenschaftsbericht des Unterbezirksvorstandes an:

„Zum ersten Mal haben wir eine UBDK zum Thema ‚Frauenpolitik‘ durchgeführt. Hier ist die Kompetenz der Genossinnen in die strategische Orientierung des Gesamtverbandes eingeflossen bzw. hat %u2026 (sie) bestimmt. %u2026 Dem unterschiedlich entwickelten Bewußtseinsstand ist zuzurechnen, daß die sonst übliche geschlechtsspezifische Verteilung der Redebeiträge sich genau ins Gegenteil verkehrte. Die deutliche Zurückhaltung der Genossen in der inhaltlichen Diskussion beweist, daß sie sich nach wie vor als weitgehend passives Element in der innerverbandlichen Debatte um Frauenpolitik verhalten.“

Einmischung und Ausblick

Neben dieser inhaltlich-theoretischen Arbeit wurde natürlich auch im Hinblick auf die Kommunalwahl des Jahres 1989 versucht, der Kölner SPD zu einem aus Juso-Sicht formulierten Frauenprofil zu verhelfen. So wurden zehn Forderungen für ein „frauenfreundliches Köln“ erarbeitet, von denen insbesondere die nach einem Frauen-Nacht-Taxi Furore machte und Diskussionen heraufbeschwor.

Der AK machte die Forderung nach der Einführung eines Frauen-Nacht-Taxis im Jahr 1989 zu seinem Arbeitsschwerpunkt. Rasch merkten die Genossinnen, daß die von ihnen vertretene Forderung auf starken Widerstand in der SPD und der Ratsfraktion stieß. Also machten sie sich daran, ein konkretes, finanzierbares, bereits mit einer Fülle konkreter Verwaltungsmaßnahmen versehenes und somit funktionierendes Modell zu entwickeln. Dies ist ihnen gelungen.

Was nicht gelang, war der frauenpolitische Schulterschluß mit der ASF. Als es um die Formulierung des Kommunalwahlprogramms ging, entschloß diese sich zur Überraschung der Jusos, auf dem Parteitag der Kölner SPD in letzter Minute ein „Kompromißmodell“ zu akzeptieren. Umgesetzt wurde davon bis heute allerdings kein Stück. Danach zu fragen scheint heute allerdings auch keineR mehr.

Dieser kurze Abriß des Wiederbeginns der Frauenarbeit im Kölner Juso-Unterbezirk zeigt, wie selbständiges und konsequentes Engagement der Basis, verbunden mit inhaltlich und strategisch klar konturierten Vorstellungen der verantwortlichen Vorstandsmitglieder innerhalb ganz kurzer Zeit zu außerordentlichen Aktivitäten und inhaltlich wertvollen Beiträgen bei der politischen Einschätzung relevanter gesellschaftlicher Prozesse führen kann. Die Aktivitäten der Juso-Genossinnen haben die Jusos innerhalb der kurzen Zeit zweier Jahre in einem für die Handelnden neuen Politikfeld positiv nach außen und der SPD gegenüber dargestellt.

Die kurze Geschichte zeigt aber auch: „Es gibt nichts Gutes, außer frau tut es!“