Bessere Ausbildungschancen für junge Frauen!

Nach 15 Jahren der Kohl-Regierung haben die ehrgeizigen Lebenspläne junger Frauen kaum noch eine Chance auf Realisierung. 1995 konzentrierten sich in Nordrhein-Westfalen 82% aller weiblichen Auszubildenden auf nur 25 Ausbildungsberufe, darunter an erster Stelle Arzthelferin, Zahnarzthelferin, Bürokauffrau, Industriekauffrau und Friseuse. Gerade diese Berufe bieten aber nur ein geringes Einkommen und eine geringe Chance, beruflich aufzusteigen oder weiterzukommen.

Das schärfere soziale Klima in Deutschland trifft als erstes junge Frauen. Sie finden nur schwerlich einen Ausbildungsplatz. Der Anteil der Frauen unter denjenigen BerwerberInnen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen, liegt bei 63%. Und wenn sie denn ihre Ausbildung abgeschlossen haben sollten, werden sie weit weniger häufig übernommen als ihre männlichen Mitbewerber. Zur Erreichung von Chancengleichheit von Frauen und Männern ist ein Vorgehen auf vielerlei Ebenen erforderlich:

1.       Gesellschaftliche Chancengleichheit erkämpfen!

  • Eine Neuregelung der Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern ist nur durch das Mittel der verbindlichen 50%igen Quotierung der Ausbildungsplätze im öffentlichen und privaten Sektor zu erreichen.
  • Um Frauen die gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsprozeß zu ermöglichen, ist es notwendig, die gesellschaftliche Arbeit umzuverteilen. Nur eine radikale Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich kann diesen Ansprüchen genügen.
  • Ein Haupthindernis, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen oder weiterzuführen, liegt in der Zwangspause durch Kindererziehung. Sowohl Männer als auch Frauen müssen daher zwingend den Erziehungsurlaub zu gleichen Teilen wahrnehmen; ansonsten entfällt die Hälfte des Anspruchs auf Erziehungsurlaub. Voraussetzung dafür ist allerdings die Schaffung eines finanziellen Ausgleichs der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau, während die Person mit höherem Einkommen den Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt. Die Situation von Alleinerziehenden muß in eigenen Regelungen berücksichtigt werden.

    2.       Kommunale Handlungsstrategien

Ein städtisches Handlungskonzept, das sich zum Ziel setzt, im Bereich der Ausbildung Frauen und Männer gleichzustellen, muß wenigstens folgende Kernpunkte beachten:

  • Leitfaden der Personalpolitik sollte weiterhin der von der Stadt beschlossene Frauenförderungsplan sein. Die tatsächliche Umsetzung dieses Plans bedarf der fortlaufenden Kontrolle, damit das Ziel einer besseren Beteiligung der Frauen in allen Funktionen erreicht werden kann. Ein integraler Bestandteil dieser Frauenförderung ist es, die Hälfte aller Ausbildungsplätze an junge Frauen zu vergeben und sicherzustellen, daß nach der Ausbildung auch 50% der Dauerarbeitsplätze mit Frauen besetzt werden.
  • Die Stadt soll im Rahmen ihrer politischen Möglichkeiten dafür eintreten, daß auch in der privaten Wirtschaft Frauenförderung angestrebt wird. Daher sollten bei der städtischen Auftragsvergabe solche Unternehmen bevorzugt werden, die in hohem Maße Mädchen ausbilden und/oder betriebliche Förderungsprogramme für Frauen anbieten. Die Auswahl der Betriebe und die spätere Erfolgskontrolle soll in Zusammenarbeit mit dem Frauenamt sowie der Gewerkschaften erfolgen.
  • Ein weiteres Kernstück, um die Chancen für junge Frauen zu verbessern, liegt in der frühen qualifizierten Vorbereitung der Mädchen auf ihre Berufswahl durch das Jugendamt und Arbeitsamt. Ebenso ist eine breit angelegte Informationskampagne über die Möglichkeiten der Berufswahl durch die Stadt Köln in Gang zu setzen. Es reicht nicht allein aus, jungen Frauen ein Angebot an Beratungsmöglichkeiten zu geben, vielmehr muß auch durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit sichergestellt werden, daß diese Informationen auch an die richtige Adressatin gelangen. Ansprechende Broschüren, die auch in Jugendzentren ausgelegt werden, sind ein Weg, das jetzt bestehende Informationsdefizit zu beseitigen.

    3.       Frauenförderung beginnt in der Schule!

  • Der Unterrichtsstoff in der heutigen Schulwelt ist kaum dazu geeignet, die Frau als wichtigen Teil der Gesellschaft in das Bewußtsein der SchülerInnen zu bringen. Einerseits muß in den bestehenden Fächern explizit auf die Rolle der Frau (z.B. in geschichtlichen Prozessen) und kritisch auf die Geschlechterproblematik eingegangen werden. Andererseits sind Kurse dem bestehendem Lehrplan hinzuzufügen, die ein egalitäres Verhältnis der SchülerInnen zum anderen Geschlecht fördern. Dies muß in den Lehrplänen – falls noch nicht geschehen – festgeschrieben und endlich umgesetzt werden. Mithilfe der hierunter subsumierten curricularen Veränderungen soll das Bild der Geschlechterverhältnisse in den Köpfen der SchülerInnen verändert werden, so daß sie sich selbst nicht mehr über die tradierte Rollen identifizieren. So tauchen z.B. im heutigen Geschichtsunterricht Frauen lediglich als Mittel zur Vereinigung von Fürstentümern auf, und das allgemeine Wahlrecht ist durch das Wahlrecht für alle Männer ausreichend eingeführt; die Geschichte der Frauenbewegung wird jedoch in keiner Unterrichtsstunde beachtet. Ebensowenig ausgeglichen ist das Verhältnis im Deutschunterricht, wo zwar Männer ihre Heldentaten besingen dürfen, aber Literatur von Frauen kaum gelesen wird. Die direkteste Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen liegt natürlich im sozialwissenschaftlichen Unterricht, wo diese Problematik in jeder Klasse behandelt werden sollte. Zusätzliche Fächer wie Haushaltskurse sollen die geschlechtliche Arbeitsteilung verwischen, indem sie erstens die jeweiligen Arbeiten als selbstverständlich für beide Geschlechter darstellen und zweitens die Barriere die normalerweise dem anderen Geschlecht zugeteilten Arbeiten im Alltag nicht durchzuführen, weil er/sie sie einfach nicht beherrscht, abzubauen. Die Forderung nach speziellen Angeboten für Mädchen ergibt sich aus der Erkenntnis, daß Mädchen heute noch besonderer Förderung bedürfen. Solche Projekte sollten aber so gut als möglich in den Unterricht integriert werden oder auf freiwilliger Basis ablaufen.
  • Durch die Einführung der koedukativen Schule wurde die formale Barriere für Mädchen im Bildungsbereich aufgehoben. Mädchen weisen heute im Mittel mindestens gleich gute schulische Leistungen auf, jedoch finden sie den Zugang zu naturwissenschaftlichen und technischen Fächern seltener. Die momentane Koedukation ist also mit Schwächen behaftet und zu modifizieren (z.B. geschlechterbezogener Rollentausch, zeitweilige Aufhebung der Koeduktion etc.). Wir fordern den Landesregierung auf, entsprechende Projekte gezielt zu fördern. Wir halten aber am Prinzip der Koedukation fest und lehnen daher eine weitere Mädchenschule in Köln ab.
  • Schule darf sich nicht von der gesellschaftlichen Situation entfernen, sondern muß besonders den Mädchen Hilfestellungen leisten. Diese müssen folgendes umfassen.

  Informationen über die regionale Arbeitsmarktsituation

  Betriebserkundungen um Betriebspraktika, um das Arbeitsleben real zu erfahren

  spezielle Berufsberatung für Mädchen

 

Begündung:

1.       Gesellschaftliche Chancengleichheit erkämpfen

zu 1.

Eine Reform des Berufsbildungssystems muß dafür sorgen, daß auch Mädchen und Frauen von der Modernisierung der Arbeitswelt profitieren. Obwohl nachweislich feststeht, daß Mädchen und Frauen häufig bessere Abschlüsse erzielen, werden Männer bei der Bewerbung oft bevorzugt. Daher sind Maßnahmen dafür zu schaffen, daß Mädchen und Frauen den gleichen Zugang zur beruflichen Ausbildungen erhalten. Es muß sichergestellt sein, daß die Hälfte der Ausbildungsplätze den zukommt.

Mit der Quote fordern Frauen ihren “Anteil” am gesellschaftlichen Leben, und dazu gehört die Erwerbsarbeit. Sie ist zum kontinuierlichen Bestanteil des Lebens für Frauen geworden. Somit ist die Erwerbsarbeit auch nicht Zusatz zum eigentlichen Familienleben, sondern zentraler Lebensinhalt.

zu 2.

Um Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsprozeß zu ermöglichen, ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eine unverzichtbare Strategie der Umverteilung. Voller Lohnausgleich ist notwendig, weil die materielle Situation der ArbeitnehmerInnen nicht abgesenkt werden darf und außerdem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auszudehnen ist. Hierbei existieren prinzipiell drei Ansatzpunkte:

a) gesetzlich

Das Arbeitszeitgesetz ist so zu ändern, daß

  • die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit auf maximal 8 Stunden und der wöchentlichen Arbeitszeit auf maximal 35 Stunden reduziert wird,
  • die Verpflichtung von zeitnahem Freizeitausgleich bei Überstunden besteht,
  • Arbeit auf Abruf (kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) verboten wird,
  • Samstags- und Nachtarbeit auf ein unbedingt nötiges Maß reduziert wird.

b) betrieblich:

Alternative Arbeitszeitmodelle müssen nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und in enger Kooperation mit den Betriebs- und Personalräten ausgehandelt werden.

Die Zeitsouveränität muß in den Händen der ArbeitnehmerInnen bleiben. Von großer Bedeutung ist an dieser Stelle, daß die einzelnen Modelle und Verteilungsmuster genauestens hinsichtlich der Lebensentwürfe von Frauen geprüft werden.

c) tariflich:

  • Die tarifliche Verkürzung der Erwerbsarbeit ist entscheidend, wobei ein voller Lohnausgleich gewährleisten werden muß. Dadurch wird möglich, daß Frauen ihre Lebensplanung besser umsetzen können.
  • Das Prinzip einer Politik der Arbeitszeitveränderung muß zukünftig dergestalt sein, daß jede Person in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und gleichzeitig  die zu ihrer Reproduktion notwendigen Arbeiten erledigen zu können.

zu 3.)

Die Erziehung muß von beiden Elternteilen wahrgenommen werden, damit die Frau nicht die gesamten drei Jahre des Erziehungsurlaubes vom Beruf ausgeschlossen bleibt. Die Finanzierung des Erziehungsurlaubs kann sowohl über eine spezielle, staatlich geregelte Versicherung als auch durch Steuerleistungen oder über Fonds analog dem Lohnfortzahlungsfonds im Krankheitsfall erfolgen, wobei neben Einkommensersatzleistungen bis zu einer dynamischen Höchstgrenze der volle Versicherungsschutz in der Arbeitslosen- und Krankenversicherungen zu gewährleisten ist. Die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht ist in die Rentengesetzgebung aufzunehmen.

Die Einkommensersatzleistungen sind so zu gestalten, daß die Differenz zwischen den höheren und den geringeren Verdienst der Eltern während des Urlaubs des höherverdienenden Elternteils angeglichen wird. Damit soll verhindert werden, daß durch einen eventuellen Ausfall des höheren Verdienstes die Familie Einkommensverluste in Kauf nehmen muß.

2.       Kommunale Handlungsstrategien

zu 1.)

a) Frauenförderungsplan

Der beschlossene Frauenförderungsplan der Stadt Köln ist ein Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau im öffentlichen Dienst. Aufgrund der kommunalen Finanzmisere ist allerdings nicht sichergestellt, daß auch eine konsequente Umsetzung dieses Plans tatsächlich durchgeführt wird. Vielmehr liegt die Gefahr auf der Hand, daß inmitten des Zwanges, Ausgaben zu reduzieren, gerade der Bereich der Frauenförderung als erster geopfert wird.

Verschiedene bundesweite Studien belegen, daß der Abbau von Arbeitsplätzen und sozialen Sicherungssystemen zunächst Frauen trifft. Begründet wird dieser Abbau häufig damit, daß die Frau nur neben dem Mann verdiene und ihr damit die Rolle als „Zweitverdienerin“ zukäme, auf die leichter zu verzichten sei. Diese Tendenzen stellen das in Frage, was die Frauenbewegung auf politischem Wege in den letzten Jahren bereits erkämpft hatte. Diese Situation zeigt deutlich auf, daß die Erwerbstätigkeit von Frauen immer noch einen geringeren Stellenwert besitzt als die der Männer und im Zweifelsfalle geopfert wird.

Umso wichtiger ist es jetzt, das Erreichte zu bewahren und auszubauen. Daher ist laufend zu insistieren, ob die Vorgaben des Frauenförderungsplanes tatsächlich eingehalten werden. Nur so kann gewährleistet werden, daß die bereits erzielten Fortschritte keine „Schönwetterpolitik“ waren.

b) Quotierung der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst

Der öffentliche Dienst kann bei der Gleichstellung zwischen Mann und Frau eine Vorreiterrolle übernehmen. Hier bestehen aufgrund der Bindung der städtischen Betrieb und der Stadtverwaltung an politische Entscheidungsträger zunächst die größten Chancen, einen gesellschaftlichen Umbruch einzuleiten. Eine solche Quotierung der Ausbildungsplätze macht deutlich, daß die Förderung von Frauenerwerbstätigkeit kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern vielmehr politisches Programm darstellt.

Bei dieser Quote ist darauf zu achten, daß sie einzeln auf jeden Ausbildungsberuf innerhalb der städtischen Betriebe und der Stadtverwaltung angewandt wird. Nur so ist die Gefahr zu vermeiden, daß diejenigen Berufe, die ein höheres Qualifikationsprofil erfordern, in der Mehrheit von Männern besetzt werden.

c) Übernahmegarantie nach Abschluß der Ausbildung

Eine Ausbildungsoffensive für junge Frauen läuft dann ins Leere, wenn später keine Möglichkeiten bestehen, in dem gewählten Beruf auch arbeiten zu können. Daher ist die Anschlußbeschäftigung nach der Ausbildung ein entscheidendes Kriterium für die Erweiterung der Berufsperspektiven junger Frauen. Auf diese Art und Weise kann sichergestellt werden, daß gezielte Förderung von Frauen in der Ausbildung auch zu einer höheren Frauenerwerbsquote und einem höheren Anteil von Frauen in höherqualifizierten Tätigkeiten führt.

zu 2.)

Einflußmöglichkeiten der Stadt bestehen nicht nur innerhalb ihrer eigenen Betriebe und der Stadtverwaltung, sondern auch in der privaten Wirtschaft. Über eine bevorzugte Vergabe von städtischen Auftragsarbeiten an Unternehmen, welche ein überproportional hohen Anteil an Frauen ausbilden, wird ein Anreiz geschaffen, die – häufig kostspielige – Ausbildung und gezielte Förderung von jungen Frauen nicht zu vernachlässigen, sondern zu einem Bestandteil der Unternehmenspolitik zu machen. Diese Steuerung der privaten Wirtschaft ist somit ein integraler Bestandteil einer Politik, die sich Frauenförderung zum Ziel gemacht hat.

Eine gezielte Auftragsvergabe erfordert genaue Kriterien, nach denen bewertet werden kann, inwieweit die Ziele der Frauenförderung erfüllt werden. Über das Ausmaß betrieblicher Förderungsprogramme für Frauen und der jeweiligen Ausbildungsplatzsituation sind insbesondere die Gewerkschaften und das Frauenamt informiert. Daher muß mit ihnen enge Rücksprache gehalten werden, um geeignete Betriebe auszuwählen. Auch die spätere Kontrolle, ob die Unternehmen die Vorgaben noch erfüllen, läßt sich in Zusammenarbeit mit diesen beiden Institutionen organisieren.

zu 3.)

a) Beratung durch die Arbeitsämter

Ein Hauptproblem junger Frauen besteht darin, daß sie meist nur Informationen für frauenspezifische Berufe bekommen. Ebenso gestaltet es sich schwierig, ein Unternehmen zu finden, welche gerade in Berufen, die von Männern dominiert werden, ausbilden. Daher ist bei der Beratung durch die Arbeitsämter verstärkt darauf zu achten, die Frauen in ihrer Berufswahl beraten und Kontakte zu Betrieben herstellen.

b) städtische Jugendarbeit

Die städtische Jugendarbeit ist verstärkt an den Bedürfnissen junger Frauen zu orientieren. Dabei ist berücksichtigen, daß Mädchen häufig durch Familie oder soziales Umfeld eingeredet wird, sie seien unfähig, bestimmte Tätigkeiten zu übernehmen. Daher soll die Jugendarbeit das Ziel haben, das Selbstbewußtsein der Mädchen zu stärken und ihnen dabei zu helfen, auch klassische Männertätigkeiten zu übernehmen.

c) Informationskampagne

Es reicht nicht allein aus, jungen Frauen ein Angebot an Beratungsmöglichkeiten zu geben, vielmehr muß auch durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit sichergestellt werden, daß diese Informationen auch an die richtige Adressatin gelangen. Ansprechende Broschüren, die auch in Jugendzentren ausgelegt werden, sind ein Weg, das jetzt bestehende Informationsdefizit zu beseitigen.

3.       Frauenförderung beginnt in der Schule

zu 1.)

a) Situation

Obwohl Mädchen und Jungen formal denselben Weg durchlaufen bis sie die Schule beenden, schlagen sie direkt nach dem Austritt aus der Schule deutlich unterschiedliche Biographien ein, deren Wurzeln bis in die Schulzeit nachvollziehbar sind. So wählen nur ca. 2% aller Mädchen nach dem Schulabgang einen gewerblich-technischen Beruf, wollen ein Drittel aller Mädchen Friseurin, Verkäuferin, Bürokauffrau oder Arzthelferin werden und nur 8,5% der Mädchen werden in sogenannten „Männerberufen“ ausgebildet wie z.B. Kfz-Mechanikerin. Bei der Auswahl des Studienfachs zeigen junge Frauen ähnliche Vorlieben: Im Sommersemester 1993 war der Frauenanteil an Studierenden der Elektrotechnik 3,7%, im Fach Anglistik stellten die Frauen dagegen 71,9% der Studierenden. Im weiteren Verlauf der akademischen Laufbahn gehen die Frauen dann auf dem Karriereweg kontinuierlich verloren, nur 3% aller C4-Professuren sind mit Frauen besetzt.

b) Folgerungen

Diese Zahlern verdeutlichen u.a., daß junge Frauen, die die Schule verlassen, sich stark auf eine klassische „frauliche“ Rolle hin orientieren, die ihren Schwerpunkt in sozialer und emotionaler Kompetenz hat. Angesichts dieses Resultats muß man fragen, welchen Auftrag Schule in der Erziehung von Mädchen hat. Ein solches Ergebnis wäre verständlich, wenn Schule – wie z.B. von Platon gefordert – das Mädchen zur Schwächeren erziehen sollte. Wir fordern aber vom Lebensraum Schule ein, daß er das Geschlechterverhältnis neu und bewußt gestaltet, um Mädchen und Jungen nicht nur eine gleiche und umfassende Bildung zu ermöglichen, sondern vor allem, um geschlechtsstereotype Zuweisungen und Hierarchien abzubauen. Daher muß dem Rollenverhalten von Mädchen und Jungen größere Entfaltungsmöglichkeit gewährt werden, d.h. Mädchen in ihrem Selbstbewußtsein gestärkt und Jungen von ihrem Überlegenheitsimperativ sowie von der Männlichkeitsstereotype befreit werden. Desweiteren muß Mädchen ein Zugang zu naturwissenschaftlichen und technischen Fächern verschafft werden. Schließlich muß der einseitigen Berufsausrichtung von Mädchen entgegen gewirkt, ein breites Berufsspektrum aufgezeigt und Motivation zur Ergreifung von Berufen mit Zukunft geschaffen werden.

c) Veränderungen im Lehrplan

Mithilfe der hierunter subsumierten curricularen Veränderungen soll das Bild der Geschlechterverhältnisse in den Köpfen der SchülerInnen verändert werden, so daß sie sich selbst nicht mehr über die tradierte Rollen identifizieren. So tauchen z.B. im heutigen Geschichtsunterricht Frauen lediglich als Mittel zur Vereinigung von Fürstentümern auf, und das allgemeine Wahlrecht ist durch das Wahlrecht für alle Männer ausreichend eingeführt; die Geschichte der Frauenbewegung wird jedoch in keiner Unterrichtsstunde beachtet. Ebensowenig ausgeglichen ist das Verhältnis im Deutschunterricht, wo zwar Männer ihre Heldentaten besingen dürfen, aber Literatur von Frauen kaum gelesen wird. Die direkteste Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen liegt natürlich im sozialwissenschaftlichen Unterricht, wo diese Problematik in jeder Klasse behandelt werden sollte. Zusätzliche Fächer wie Haushaltskurse sollen die geschlechtliche Arbeitsteilung verwischen, indem sie erstens die jeweiligen Arbeiten als selbstverständlich für beide Geschlechter darstellen und zweitens die Barriere die normalerweise dem anderen Geschlecht zugeteilten Arbeiten im Alltag nicht durchzuführen, weil er/sie sie einfach nicht beherrscht, abzubauen. Die Forderung nach speziellen Angeboten für Mädchen ergibt sich aus der Erkenntnis, daß Mädchen heute noch besonderer Förderung bedürfen. Solche Projekte sollten aber so gut als möglich in den Unterricht integriert werden oder auf freiwilliger Basis ablaufen.

zu 2.)

Trotz der Koedukation haben Mädchen heute noch keinen guten Zugang zu naturwissen-schaftlichen Fächern. In Nordrhein-Westfalen nehmen an Physik-Leistungskursen gerade mal 12%, in Chemie 35% Mädchen teil, in den Fächern Kunst und Sport liegt der Anteil hingegen bei 71 und 69 Prozent. Regionale Schulversuche in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, daß bei zeitweiliger Aufhebung der Koedukation die Begeisterung von Mädchen für angeblich typische Jungenfächer gesteigert werden kann. Die heutige rein koedukative Schule bringt also Nachteile mit sich. Wir halten aber prinzipiell an der Koedukation fest; denn schließlich bedeutet Koedukation auch, daß vor den Augen des anderen Geschlechts das eine Geschlecht zum Übungsfeld für das andere wird. Daher soll die Koedukation nur zeitweise und im fachlichen Wechsel aufgehoben werden, so daß sie Ausnahmecharakter behält und nur eine Initialzündung für Mädchen darstellt. Allerdings ist diese Aufhebung in mehreren Fächern sinnvoll.

Ziel muß es aber sein, tatsächliche Koedukation zu erreichen. Daher ist für uns die Einführung von Mädchenschulen kein gangbarer Weg. Da Studien belegen, daß Jungen z.B. im Unterricht doppelt sooft aufgerufen werden und öfter gelobt werden als Mädchen, ist die Fortbildung von LehrerInnen zur Sensibilisierung bzgl. solcher unbewußter Fehlleistungen ein Weg, eine Trennung überflüssig zu machen.

zu 3.)

In Anbetracht der Tatsache, daß sich ca. zwei Drittel aller jungen Frauen auf 10% des tatsächlichen Ausbildungsangebots konzentrieren, wird deutlich, daß Schule heute noch nicht die oben eingeforderten Perspektiven zur Erweiterung des Berufsspektrums von jungen Frauen liefert. Die unter diesem Punkt aufgelisteten Forderungen sollen durch gezielte Ansprache und Information von SchülerInnen frühzeitig für eine ausgewogene Orientierung sorgen.

Selbstverständlich ist uns bewußt, daß einige Gründe, die junge Frauen zur Ergreifung von „typischen Frauenberufen“ bewegen, auf anderen gesellschaftlichen Realitäten beruhen (z.B. Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit, damit genug Zeit für die Kindererziehung bleibt), daher können die drei Themen des Antrags nicht getrennt behandelt werden.