Modernisierung und Krise

Der Weg der Jusos in den Jahren 1983 bis 1996

Hans Günter Bell & Georg Blum

Die Jusos waren in der Mitte der 80er Jahre an einem Tiefpunkt ihrer Entwicklung angelangt. Nach 1982 wurden sie vor die Aufgabe gestellt, ihre Politik in einer neuen Phase der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen neu zu bestimmen. Der wirtschaftliche Strukturwandel und die veränderten gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse nach der Ablösung der SPD-geführten Bundesregierung waren Herausforderungen, denen sich die Jusos in der ersten Hälfte der 80er Jahre in ihren inhaltlichen Positionen und Strategien nicht ausreichend angepaßt hatten. Vor dem Bundeskongreß 1988 beschrieben die stellvertretenden Juso-Bundesvorsitzenden Uwe Kremer und Ulrike Loida rückblickend den Zustand der Jusos:

„Die nachlassende Dynamik der neuen sozialen Bewegungen, der kräftige Aufschwung der Grünen, die Mitglieder- und Aktivenverluste der vorhergehenden Jahre, die Mühen der innerparteilichen Erneuerung und vor allem natürlich die begrenzten politischen Erfolgsaussichten in einer konservativ regierten Republik schlugen sich in der Entwicklung unseres Verbandes nieder.“

Erst der Impuls der „jugendpolitischen Orientierung“ und die damit eingeleitete Besinnung auf das Selbstverständnis, sowohl sozialistische Richtungsorganisation innerhalb der SPD, als auch Jugendorganisation zu sein, brachte die Wende. Der Aufbruch reichte jedoch nur bis 1990. Der Zusammenbruch der sozialistischen Versuche in Osteuropa und der Anschluß der DDR an die BRD begruben die Ansätze einer modernen sozialistischen Strategieentwicklung unter sich.

Ähnlich erging es auch der SPD, deren programmatische Erneuerung in der Opposition ihren Höhe- und zugleich Endpunkt in der Beschlußfassung der Berliner Grundsatzprogrammes 1989 fand. Danach stand, in der irrigen Annahme, auf diese Art und weise Regierungsfähigkeit zu zeigen, die Demontage sozialdemokratischer Identität auf der Tagesordnung. Die faktische Abschaffung des Asylrechts 1992 ist das umstrittenste Beispiel für diesen Kurs.

Wir wollen in unserem Beitrag aufzeigen, wie sich diese gesellschaftlichen und parteipolitischen Entwicklungen in Köln niedergeschlagen haben und inwieweit die Kölner Jusos an den bundesweiten Auseinandersetzungen, Theoriediskussionen und Mehrheitsfindungen innerhalb der Jusos beteiligt waren bzw. durch sie beeinflußt worden sind.

Die wirtschaftliche Entwicklung in (West-)Deutschland

Die erste Phase des von uns beschriebenen Zeitraums ist durch den nach der Überwindung der zyklischen Weltwirtschaftskrise von 1980/82 auch in der früheren BRD einsetzenden Aufschwung gekennzeichnet. 1987 zeigte sich zwar eine deutliche Abschwächung, das Wirtschaftswachstum beschleunigte sich jedoch aufgrund des Anschlusses der DDR an der BRD wieder und hielt bis 1991 an. Während die ostdeutsche Wirtschaft weitgehend zusammenbrach, als sie durch die Wirtschafts- und Währungsunion dem Druck der nationalen und internationalen Konkurrenz ausgesetzt wurde, war die westdeutsche Wirtschaft zunächst die eindeutige Gewinnerin der Vereinigung. Der enorme Nachfrageboom aus Ostdeutschland führte zu einem Produktionsboom in Westdeutschland. Das Sozialprodukt wuchs mit einer Jahresrate von 4,7% so stark wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Die Gewinne explodierten, und auch die Löhne und Gehälter nahmen deutlich zu. Dieser durch die deutsche Einheit zustande gekommene Wirtschaftsboom verlor Mitte 1991 an Kraft und schlug in die bis heute anhaltende Wirtschaftskrise um.

Auch während des Aufschwungs der 80er Jahre wuchsen sowohl die Zahl der Arbeitslosen als auch die der SozialhilfeempfängerInnen in einem Ausmaß an, das den Sozialstaat aufs äußerste belastet.

Die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung hat über den gesamten Zeitraum konsequent eine Politik der Umverteilung zu Lasten der Arbeitseinkommen und zu Gunsten der Kapitaleinkommen betrieben. Die Betrachtung der verfügbaren Einkommen nach Haushaltsgruppen bestätigt dies ebenso wie die Entwicklung der Netto-Reallöhne. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Politik der Bundesregierung schlagen mittlerweile voll auf die Haushalte der Städte und Gemeinden durch. Bei sinkenden Steuereinnahmen und gleichzeitig explodierenden Ausgaben für die Folgen der Arbeitslosigkeit bleibt ihnen finanziell die Luft weg. Eine freie Spitze, mit der sich in der Kommunalpolitik eigenständige Akzente setzen ließen, ist in den kommunalen Haushalten nicht mehr vorhanden. Sozialabbau, Einschränkungen öffentlicher Leistungen und Privatisierungsdiskussionen prägen die Politik auch in Köln.

Neuorientierung der SPD in der Opposition

Mit dem Mißtrauensvotum gegen die SPD-Minderheitsregierung im Oktober 1982 und der anschließenden Bundestagswahl im März 1983, endet vorläufig die Phase sozialdemokratischer Bundesregierungen. Die 80er und 90er Jahre sind fortan durch die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP mit Helmut Kohl als Bundeskanzler geprägt.

Die von der Regierung Schmidt zuletzt betriebene Politik, führte zu immer stärkerer Verwischung der Unterschiede zwischen der SPD und der CDU/CSU und zu einer wachsenden Distanz zwischen der SPD und der Jugend. Die Jusos stellten hierzu auf ihrem Bundeskongreß 1986 fest, die SPD habe „durch ihre Gesamtpolitik zur Perspektivlosigkeit in weiten Teilen der Jugend beigetragen. … Gerade für gesellschaftskritische Jugendliche gilt: Die SPD hat sich zunächst einmal von der Jugend abgewendet – und nicht umgekehrt!“ Leidtragende dieser Entwicklung sind gerade auch die Jusos.

In der Opposition unternahm die SPD zunächst den Versuch der Neuorientierung ihrer Politik. Als erster Schritt hierzu erfolgte auf dem Bundesparteitag im November 1983 in Köln eine Absage an die NATO-„Nachrüstung“. In späteren Beschlüssen zu Frieden und Abrüstung, zur Energiepolitik und auch zur Ökologie sowie zur Gleichstellung von Frauen und Männern formulierte die SPD weitere Absagen an die Politik Helmut Schmidts. Dabei ist es sicherlich nicht zufällig, daß in den genannten Bereichen die weitreichendsten Veränderungen stattgefunden haben. Hier gab es in erheblichem Umfang soziale Bewegungen. Ausgehend von diesen Feldern, entwickelten sich auch Die Grünen als politische Partei und damit als parlamentarische Konkurrenz zur SPD. Bessere Einsichten waren also nicht nur Ergebnis tiefgründigen Nachdenkens und kräftiger innerparteilicher Überzeugungsarbeit. Zu einem nicht geringen Maße sind sie auch dem außerparlamentarischen Druck und der parlamentarischen Konkurrenz geschuldet.

Kölner Parallelen zu den bundesweiten Entwicklungen

Erstaunlich sind immer wieder die Parallelen zwischen der Entwicklung auf der Juso-Bundesebene und den Entwicklungen in Köln. 1983 setzte der marxistische Hannoveraner Kreis (HK) auf dem Juso-Bundeskongreß bei den Wahlen der sechs stellvertretenden Vorsitzenden drei VertreterInnen durch. Eine von den Bezirken des HK unabhängige marxistische Position vertrat der ebenfalls gewählte Werner Nüßlein. Obwohl die reformsozialistische Strömung mit Ulf Skirke den Bundesvorsitzenden sowie zwei stellvertretende Vorsitzende (u.a. Gabriele Schwietering aus Köln) stellte, verfügte sie damit im Bundesvorstand über keine Mehrheit mehr.

Im gleichen Jahr kam es auch zu einem Wechsel an der Spitze der Kölner Jusos. Die Hälfte des Vorstandes, einschließlich des Vorsitzenden, mußte ausgewechselt werden. Dieser Neuanfang wurde mit der Wahl des neuen Vorsitzenden Michael Grunwald dokumentiert, der Mitglied im HK war.

Teilnahme an gesellschaftlichen Kämpfen

Der neue Juso-Unterbezirksvorstand stellte, nach vorhergegangenen langwierigen internen Auseinandersetzungen, wieder gemeinsame Aktionen mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen in den Vordergrund. Dazu gab es viele dringende Anlässe. So wollten sich starke Kräfte in den Reihen der Arbeitgeber vor dem Hintergrund der herrschenden Wirtschaftskrise den Regierungswechsel zunutze machen, um die Position der Gewerkschaften zu schwächen und ihre Profite zu erhöhen. Sie suchten die Kraftprobe mit den Gewerkschaften bei der Forderung nach der Einführung der 35-Stunden-Woche. 1984 kam es daher zu einem harten Arbeitskampf mit Streiks und Aussperrungen. Die Jusos beteiligten sich aktiv an diesem Kampf für die 35-Stunden-Woche, in dem sie mit der Gewerkschaftsjugend zusammenarbeiteten. Daraus entwickelte sich das „Kölner Jugendbündnis für die 35-Stunden-Woche“, auch unter Beteiligung weiterer linker Gruppierungen.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt lag in der Friedensarbeit. Die vom sozialdemokratischen Kanzler Schmidt veranlaßte und vom Wende-Kanzler Kohl gerne aufgenommene Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden, sollte durchgesetzt werden. Gegen diese regierungsamtliche Friedenspolitik durch Aufrüstung setzten sich viele kritische Menschen zur Wehr. Unter ihnen auch die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Manfred Coppik und Karl-Heinz Hansen, die wegen ihrer unnachgiebigen Ablehnung der Stationierung aus der SPD ausgeschlossen wurden. An den außerparlamentarischen Initiativen beteiligten sich auch die Jusos. Im Mittelpunkt der Aktionen standen Menschenketten sowie die Mitorganisation der Kampagne „Atomwaffenfreie Zone Köln“. Die Stationierung der amerikanischen Raketen konnte zwar nicht verhindert werden. Trotzdem war der Kampf nicht erfolglos. Denn es war klar geworden, daß auch in Wendezeiten mit starken außerparlamentarischen Kräften zu rechnen war. Viele aktive junge Linke haben über diesen Kampf für Frieden und Abrüstung zu den Jusos gefunden.

Reform der Juso-Arbeit

Der neue Juso-Vorstand packte aber auch die Defizite innerhalb der eigenen Organisation an. Er setzte zwei Schwerpunkte zur Wiederbelebung der Jusos: den Aufbau einer jusospezifischen Bildungsarbeit und die Stärkung der Arbeit in den Stadtbezirken.

Die Bildungsarbeit sollte dem Aufbau von Wissen mit Mitteln der marxistischen Gesellschaftsanalyse dienen. In der von Ex-Kanzler Schmidt realpolitisch getrimmten Sozialdemokratie war dies für den Aufbau eines erneuerten linken Politikverständnisses wichtig.

Die Stärkung der Kooperationsbereiche (Koops) in den neun Kölner Stadtbezirken sollte der Demokratisierung durch breite Mitbestimmungsmöglichkeiten und der Motivation durch breite Beteiligungsmöglichkeiten dienen. Das hieß für die Mitglieder des Vorstandes, daß sowohl links- als auch rechtsrheinische Stadtbezirke betreut und gefördert werden sollten.

Nachdem die Jahre 1983/84 zu einer Konsolidierung des Juso-Unterbezirks genutzt worden waren, versuchten die Jusos im Folgenden die einzelnen Stadtteil-Arbeitsgemeinschaften (AGen), also die eigentliche Basis, zu stärken. Dabei sollten bestehende AGen in ihrem Bestand gesichert, aber auch Anstöße zu Neugründungen gegeben werden. Verschiedene Arbeitskreise zu Themen wie z.B. Internationales, Betrieb & Gewerkschaften und Frieden sollten neben den regelmäßigen Unterbezirksdelegiertenkonferenzen (UBDK) die Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Politik der Kölner SPD verstärken. Ausgangspunkt dieser inhaltlichen Arbeit sollten die Anliegen der Jugendlichen und die Analyse der krisenhaften Strukturen des kapitalistischen Systems bilden.

Strömungsstreit: undogmatische Jusos gegen den Hannoveraner Kreis

Nach dem Verlust der Mehrheit im Juso-Bundesvorstand versuchte sich die reformsozialistische Strömung als „undogmatische“ Jusos neu zu formieren. Die negativen Auswirkungen auf die Arbeit der neuen Bundesvorstandsmehrheit wurden bald erkennbar. So beklagten sich im März 1985 Mitglieder des HK in der Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft (spw):

„Zusammen mit ihren Leuten im Bonner Apparat fährt sie (die reformsozialistische / undogmatische Strömung, d.V.) einen Zangenangriff gegen die gegenwärtige Bundeskonstellation, indem sie auf der einen Seite in den Gremien und Apparaten unsere Arbeit behindert und andererseits von einem oppositionellen Selbstverständnis her die mangelnde Handlungsfähigkeit der Bundesebene uns angelastet wird.“

Eine in ihrem Kern in den folgenden Jahren immer wiederkehrende Kritik. Dieser auf Bundesebene vorherrschende Strömungsstreit schwelte auch in Köln. Im Verlauf des Jahres 1985 kam er wieder einmal offen zum Ausbruch. Dem, im Vorjahr bei den Wahlen des Kölner Juso-Vorsitzenden unterlegenen Kandidaten der reformsozialistischen Strömung, Joachim Spangenberg, wurde auf der Jahreshauptversammlung im November 1985 durch die Delegierten eine Rüge erteilt. Dieser Rüge lag die heftige Kritik aus Teilen des Vorstandes zugrunde, die Spangenberg vorwarfen, die von ihm betriebene zugespitzte Fraktionierung auch in der Alltagsarbeit des Vorstandes belaste die politischen Arbeit erheblich und lähme den Vorstand. Auf einer hektischen und mitunter lautstark geführten Versammlung, die in Rücktrittsforderungen von einzelnen Delegierten an die Adresse Spangenbergs gipfelte, erklärte der Angegriffene seinen Rücktritt aus dem Vorstand. Dies führte zu weiteren schädlichen und durchaus persönlich eingefärbten Auseinandersetzungen, nicht nur auf Unterbezirksebene. Dadurch drohte eine Lahmlegung der gerade gefestigten Arbeit des Juso-Unterbezirks.

Die aufgebrochene Krise der Jusos wurde erst im Laufe des nächsten Jahres durch ein gemeinsames „Perspektivpapier“ der beiden in Köln vorherrschenden Strömungen beigelegt. Dieses, vom Michael Grunwald (für den HK) und Hans-Günter Kamp (für die reformsozialistische / undogmatische Strömung) entwickelte Papier, belegte den Willen zur Zusammenarbeit. Es wurde eine gemeinsame Plattform geschaffen, der die richtige Einschätzung zugrunde lag, daß der Gegner nicht innerhalb der eigenen Organisation zu sehen ist, sondern in der Politik der konservativ-liberalen Koalition und deren Auswirkungen auf die Menschen.

Der Kampf gegen die Änderung des § 116 Arbeitsförderungsgesetz

Ein Beispiel für die Politik dieser Koalition ist die Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG): Nachdem die Bundesanstalt für Arbeit im Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche den von Produktionsstillegungen betroffenen ArbeitnehmerInnen außerhalb der Streikgebiete das Kurzarbeitergeld verweigert hatte, entschieden die Gerichte, daß dieser Erlaß Rechtsbruch sei. Das Kurzarbeitergeld mußte gezahlt werden. Die Regierung versuchte nun, diesen Rechtsbruch zum Gesetz werden zu lassen. Durch die Änderung des § 116 AFG sollte verhindert werden, daß außerhalb von Streikgebieten Kurzarbeitergeld gezahlt wird; außerdem sollten bundesweite „kalte Aussperrungen“ als Antwort auf regional begrenzte Streiks erlaubt werden.

Die Bonner Regierungskoalition wollte durch diese Änderung die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften in Streiks an einer wichtigen Stelle schwächen. Dagegen wehrten sich die Gewerkschaften. Im Februar 1986 kam es zu starken Protesten und Streiks gegen die Änderung des § 116 AFG. An diesen Aufklärungs- und Unterstützungskampagnen beteiligten sich weite Teile der SPD und natürlich die Jusos. Trotzdem setzte die Regierung sich durch.

Flügelkämpfe – auch in der Kölner SPD

Nach der Kommunalwahl des Jahres 1984, bei der die SPD nur knapp eine absolute Mehrheit im Rat der Stadt Köln verfehlt hatte, kam es in den folgenden Jahren zwischen den Hauptkontrahenten des rechten Flügels der Kölner SPD, Günter Herterich und Klaus Heugel, zu Auseinandersetzungen. Diese Streitigkeiten gaben dem linken Flügel die Möglichkeit, sich zu profilieren und an Einfluß zu gewinnen. Diese Stärkung der innerparteilichen Position war auch dringend nötig. Denn der linke Flügel war weder stark genug gewesen, auf dem SPD-Unterbezirksparteitag im Januar 1985 seinen Kandidaten Kurt Uhlenbruch als Unterbezirksvorsitzenden durchzusetzen, noch wurden die Juso-Kandidaten Ludger Oelgeklaus und Felix Stenschke in den Vorstand der Kölner SPD gewählt.

Der innerparteiliche Wandel deutete sich auf dem a.o. Parteitag der Kölner SPD im Dezember 1985 an. Herterich suchte das Bündnis mit der SPD-Linken, um der Gruppe um Heugel am Beispiel der Neuordnung der Kölner Verwaltungsspitze eine Niederlage beizubringen. Diese Entwicklung brachte wenig später weitreichende Folgen mit sich. Im Juli 1986 wurden auf einer Wahlkreiskonferenz der Kölner SPD die KandidatInnen für die anstehende Bundestagswahl aufgestellt. Diesmal suchte Heugel das Bündnis mit der Linken. Als Ergebnis der Machtkämpfe innerhalb des rechten Flügels, konnte sich so der SPD-Linke Günter Oesinghaus gegen Günter Herterich im rechtsrheinischen Kölner Bundestagswahlkreis Köln-Kalk und -Mülheim durchsetzen. Herterichs Stellung im Machtgefüge der Kölner SPD war damit erheblich geschwächt.

Im März 1987 zeigte sich ein weiteres Ergebnis des Streits auf dem rechten Flügel der Kölner SPD. Obwohl der rechte Flügel auf dem Parteitag eine Mehrheit der Delegierten stellte, wurde Uhlenbruch zum Vorsitzenden der Kölner SPD gewählt.

Die „jugendpolitische Orientierung“

Die enge Verknüpfung der Kölner Jusos mit den Entwicklungen auf Bundesebene zeigt sich sehr deutlich an der Durchsetzung einer „jugendpolitischen Orientierung“. Auf dem Juso-Bundeskongreß 1986 in Hagen hatte die seit der Linkswende dominierende reformsozialistische Strömung um Karsten Voigt, Heidemarie Wieczorek-Zeul u.a. nun auch den Bundesvorsitz an ein Bündnis aus HK und den Landesverbänden Bayern und Baden-Württemberg (der „Südschiene“) verloren.

Den inhaltlichen Kern dieser „Hagener Mehrheit“ bildete die „jugendpolitische Orientierung“. Dieser Strategie lag die Einschätzung zugrunde, daß der Ansatzpunkt der Jusos für eine zukunftsorientierte linke Politik im Widerspruch zwischen entwickelten Bedürfnissen und Fähigkeiten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und tiefgreifenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Krisenprozessen zu finden sei.

Um an diesem Widerspruch erfolgreich anknüpfen zu können, seien jugendgerechte Arbeitsformen und eine grundlegende Reform von Organisations- und Arbeitsformen der Jusos notwendig. Der neugewählte Juso-Bundesvorsitzende Michael Guggemos verspottete die Arbeitsformen der Jusos als „ominöse Mischung aus Sitzungssozialismus, bürokratischer Verwalterei und amateurhaftem Dilettantismus“ und kritisierte:

„Gegenwärtig gilt in weiten Bereichen, daß die Aktionserfahrung, das Selbstbewußtsein und die Identifizierung mit dem Gesamtverband gering sind. Groß ist aber die Zersplitterung unseres Verbandes. Und groß ist auch die Bereitschaft, viel zu reden und um so weniger zu handeln.“

Die Jusos erkannten außerdem, daß eine bloße parlamentarische Mehrheit einer rot-grünen Koalition nicht ausreiche, sondern daß eine gesellschaftlich mehrheitsfähige Mobilisierung mit den Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen zur Durchsetzung fortschrittlicher Politik notwendig sei. Daher wollten sie versuchen, Ansätze von fortschrittlicher Jugendbewegung zu unterstützen.

Konkreter Ausfluß dieser Strategiediskussion war die verstärkte Arbeit in zeitlich befristeten Projekten. In diesen Projekten sollte ergebnisorientiert und auf die Öffentlichkeit bezogen gearbeitet werden. Dies sollte auch den Einfluß auf die innerparteiliche Willensbildung verstärken und die Jusos selbst stärker mobilisieren und motivieren.

Die inhaltliche Stärke des HK, der mit dieser „jugendpolitischen Orientierung“ eine überzeugende Vorstellung für eine zeitgemäße Juso-Arbeit entwickelt hatte, schlug sich auch in Köln nieder. Inhaltlich prägte der Impuls der „jugendpolitischen Orientierung“ das Arbeitsprogramm der Jahre 1987/1988. Die personellen Auswirkungen zeigten sich in der erneuten Wiederwahl Michael Grunwalds als Vorsitzender im November 1986 und darin, daß die Anhänger des HK mit 7:6 nun auch wieder eine Mehrheit im Vorstand erreichten.

Weiterhin von großer Bedeutung war für die Jusos auch in diesen Jahren die aktive Beteiligung an sozialen Protesten und Kämpfen; so an der vom Kölner DGB organisierten Demonstration „Köln für eine andere Politik“, an der „Alternativen Arbeitsmarktkonferenz“ und an den Kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze bei Bosch-Strunk und Klöckner-Humboldt Deutz (KHD). Bei diesen Gelegenheiten schlossen sich die Jusos eng mit den ArbeitnehmerInnen zusammen.

Der Volkszählungsboykott

Kurzfristig wurde das Thema Volkszählungsboykott, das die aus den Bundestagswahlen im Januar 1987 gestärkten Regierungsparteien gegen den starken Widerstand breiter Bevölkerungsgruppen durchpeitschen wollten, zu dem beherrschenden Thema. Die Gefahr des für den Staat allseits durchschaubaren, damit gläsernen Menschen, wurde schlaglichtartig deutlich. Den aufschimmernden Überwachungsstaat galt es in gemeinsamen Aktionen und Widerstand mit Basis- und Boykottgruppen zu bekämpfen. Auch die vielfältige Zusammenarbeit auf Stadtteilebene in einzelnen Juso-AGen, verbreiterte die Basis des Protestes, nicht nur in Köln. Die für viele BürgerInnen nachvollziehbare Problematik und die breite Front der Volkszählungsboykottgruppen brachten durchaus Erfolge. Eine durchgängige Durchleuchtung wurde verhindert, nicht zuletzt wegen der vielen individuellen Verweigerungen beim Ausfüllen des Volkszählungsbogens. Die Ergebnisse der Volkszählung konnten so nur bedingt Gültigkeit erlangen.

„Die Mitte erobert die Linke“

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre drängte die Juso-Generation der „Linkswende“ in die Führungsfunktionen der SPD, die „Enkel“ Willy Brandts traten in die erste Reihe der Partei. Dies hätte einen Bedeutungszuwachs des linken Flügels zur Folge haben können, wenn die „Enkel“ (und die wenigen „Enkelinnen“) auf diesem Weg nicht ihre Positionen verändert und sich dem bürgerlich-liberalen Zeitgeist angepaßt hätten. Die Jusos beschrieben diesen Vorgang auf ihrem Bundeskongreß 1989 als „Aufstieg einer modernen sozialliberalen Position in der SPD“ und warfen den AnhängerInnen dieser Position vor, „die Themen der Ökologie, der Frauenbefreiung, der selbstbestimmten Arbeit und der Flexibilität … auf der Basis eines bürgerlich-liberalen Verständnisses der Ökonomie, des Unternehmertums und der Marktkräfte (anzugehen).“

Während sich ein Teil der „EnkelInnen“ also mit wachsender „staatspolitischer Verantwortung“ von der SPD-Linken emanzipiert hat, entwickelte sich eine „Programmlinke“ (Uwe Kremer), die – geschart um Peter von Oertzen, Sigrid Skarpelis-Sperk, Detlev Albers u.a. – im wirtschafts- und arbeitspolitischen Bereich auf Gegenkurs zu „Enkeln“ wie Oskar Lafontaine ging.

Seinen Abschluß fand dieser programmatische Erneuerungsprozeß mit der Beschlußfassung eines neuen Grundsatzprogramms der SPD, auf dem Bundesparteitag im Dezember 1989 in Berlin. Nachdem es der „Programmlinken“ gemeinsam mit den Jusos gelungen war, vor allem im Kapitel „Wirtschaftsdemokratie“ eine Linksverschiebung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf, hin zu einer „demokratischen gesamtgesellschaftlichen Steuerung“ zu erreichen, verfügt die SPD mit diesem Berliner Programm über einen, in wesentlichen Fragen auf der Höhe der Zeit stehende, politische Leitlinie. Aus Sicht der Jusos war es zudem ein Erfolg, ein neues Jugendkapitel durchzusetzen, in dem u.a. eine bedarfsgerechte und elternunabhängige Ausbildungsförderung und eine Umlagefinanzierung für neue qualifizierte Ausbildungsplätze gefordert wird.

Diese programmatischen Diskussionen fanden ihren Niederschlag auch in dem von Lafontaine wesentlich geprägten Programm „Fortschritt 90“, das die ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft in den Mittelpunkt stellte. Zu dieser Zeit machte sich die Hoffnung breit, daß „die neokonservative Meinungsführerschaft bröckelt“ (so die Juso-Bundesvorsitzende Susi Möbbeck auf dem Bundeskongreß 1989) und das Ende der „Wende“ in Bonn in greifbare Nähe gerückt sei.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die SPD mit dem Kanzlerkandidaten Lafontaine und seinem Programm die Bundestagswahlen im Dezember 1990 unter normalen Umständen gewonnen hätte. Denn der Anschluß der DDR an die BRD im Oktober 1990 veränderte die politische Landschaft grundlegend. Die anschließenden Bundestagswahlen konnte die CDU/CSU klar für sich entscheiden und die Regierung mit der FDP fortsetzen. Aber immerhin war es der SPD endlich wieder einmal gelungen, junge Menschen anzusprechen, was sich sowohl in dem Wahlergebnis bei den JungwählerInnen als auch in der Zahl der Neueintritte im Juso-Alter niedergeschlug.

Versuch, ein „feministisch-sozialistisches Profil“ zu entwickeln

Ein wichtiger Aspekt, der ebenfalls in der zweiten Hälfte der 80er Jahre in den Vordergrund rückte, war das Bemühen der Jusos, ein „feministisch-sozialistisches Profil“ zu entwickeln. Gehörte der Sozialismus seit der „Linkswende“ von 1969 zum selbstverständlichen Marschgepäck der Jusos, waren die feministischen Ansätze in Programmatik und Politik der Jusos allzuoft unterentwickelt.

Immerhin war bereits auf dem Juso-Bundeskongreß 1984 in Bonn, ein Antrag, alle Funktionen, einschließlich des Bundesvorstandes, mit mindestens 30% Frauen zu quotieren, mit hauchdünner Mehrheit angenommen worden. Die SPD zog erst auf ihrem Bundesparteitag 1988 in Münster nach und beschloß ebenfalls, alle Parteifunktionen und öffentlichen Mandate quotiert zu besetzen.

Die Suche nach einem feministisch-sozialistischen Profil wurde in Köln sehr ernst genommen. Insbesondere der Frauenarbeitskreis, mit seiner Leiterin Ulrike Loida, engagierte sich hier. 1988 wurde deshalb ein deutlicher Schwerpunkt in der Frauenpolitik gesetzt. Der Frauenarbeitskreis, der sich zum mitgliederstärksten Arbeitskreis der Kölner Jusos entwic kelt hatte, benannte konkrete Probleme und brachte frauenpolitische Positionen in die Diskussionen ein. Ein herausragender Beitrag, um die Akzeptanz frauenpolitischer Anliegen auch in der Öffentlichkeit zu verbessern, war die Durchführung einer Foto-Ausstellung („Frauenbilder – Die weibliche Wirklichkeit ist anders“) im April 1988 in der Kölner Zentralbibliothek.

Der gewachsene Stellenwert der Frauenpolitik spiegelte sich auch auf dem Juso-Bundeskongreß 1988 in Karlsruhe wider. Die Mehrzahl der Delegierten dieses Bundeskongresses waren Genossinnen, für den Bundesvorsitz wurde drei Kandidatinnen aufgestellt, und im Bundesvorstand befanden sich die Genossinnen anschließend in der Mehrheit.

Sowohl die undogmatische Strömung als auch der HK traten auf diesem Bundeskongreß mit dem Anspruch an, die Führung zu übernehmen bzw. den begonnenen Erneuerungsprozeß konsequent fortzuführen. Im Ergebnis konnte sich Susi Möbbeck für den HK knapp gegen ihre beiden Gegenkandidatinnen Doris Ahnen (undogmatische Jusos) und Martina Naujoks (für die süddeutschen Landesverbände) durchsetzen. Mit Susi Möbbeck gelang es damit – nach Klaus-Uwe Benneter im Jahre 1977 – zum zweiten Mal einem Mitglied des HK, den Juso-Bundesvorsitz zu übernehmen.

„Wir lernen im Vorwärtsgehen“

Gelang es dem HK also auf Bundesebene, inhaltlich und personell weiter an Einfluß zu gewinnen, so konnten auch in Köln sowohl die inhaltlichen Impulse aufgenommen als weitgehend auch personelle Kontinuität gewahrt werden. Im Dezember 1988 mußte ein neuer Vorsitzender gewählt werden. Nach fünf Jahren an der Spitze der Kölner Jusos, stellte sich Michael Grunwald nicht noch einmal zur Wahl.

Ein Resümee seiner Amtszeit zeigt, daß sich der Kölner Juso-Unterbezirk nach der internen Krise zu Anfang der 80er Jahre wieder stabilisiert hatte. Als einer der Erfolge kann beispielhaft die von den Jusos durchgesetzte Einrichtung einer Jugendpolitischen Kommission der Kölner SPD genannt werden. Diese Kommission wurde zu gleichen Teilen aus VertreterInnen der Jusos, der SJD-Die Falken und JugendpolitikerInnen der SPD besetzt. Sie ermöglichte eine direkte Verständigung zwischen der Parteijugend und den JugendpolitikerInnen der SPD. Daß es trotz Widerständen im Juli 1992 doch noch einen jugendpolitischen Parteitag der Kölner SPD gab, war dem Drängen dieser Kommission zu verdanken. Auf diesem Parteitag wurde ein Leitantrag beschlossen, der den Interessen der Jugend in der Kommunalpolitik einen großen Stellenwert beimaß. Auch wurden weitere Anträge zur Gestaltung einer solidarischen Kommunalpolitik und zur Wohnungspolitik angenommen.

Als Nachfolger von Michael Grunwald wurde Hans Günter Bell, ebenfalls ein Vertreter des HK, gewählt. Er hatte sich gegen den undogmatischen Gegenkandidaten, Thomas Schippers, durchgesetzt. Der neue Vorstand wurde aus VertreterInnen beider Strömungen gebildet, mit einem Übergewicht der VertreterInnen des HK.

Allerdings hielt das auf kritische Zusammenarbeit ausgerichtete Verhältnis nur knapp zwei Monate. Im Januar 1989 traten Mitglieder der undogmatischen Strömung um Thomas Schippers nach internen Auseinandersetzungen zurück, da sich, laut Einschätzungen aus dieser Gruppe, reformsozialistische Positionen „zur Zeit nicht durchsetzen lassen“. Nicht alle VertreterInnen dieser Strömung im Vorstand sind diesem fragwürdigen Schritt gefolgt; Sabine Pfeil, die ebenfalls der undogmatischen Strömung zugerechnet wurde, verblieb im Vorstand. Mit diesen Rücktritten verscherzten sich die Undogmatischen die Möglichkeit der konstruktiven Mitgestaltung der Juso-Arbeit. Seit diesem Zeitpunkt trägt der HK weitgehend die Arbeit des Vorstandes.

Mit „Wir lernen im Vorwärtsgehen“ wurde ein weiterer Versuch der Jusos zur Verbreiterung ihrer politischen Basis überschrieben. Die meisten Arbeitskreise wurden abgeschafft. Ein Grund für diese Änderung lag in der Erkenntnis, daß es zum einen an der „notwendigen Anzahl von Aktiven“ für diese Arbeitskreise fehlte. Ein anderer, wichtigerer Grund lag darin, daß die Jusos Arbeitskreise als nicht jugendspezifisch bewerteten und somit als unangemessen für eine Jugendorganisation ansahen. Die Jusos setzten nun entschieden auf die Projektarbeit. Zwei zentrale Projekte wurden gestartet: „Ausbildung der Zukunft“ (geleitet von Gisela Emons und Sabine Pfeil) und, im Rahmen der bundesweit von den Jusos organisierten Kampagne „ZOFF – Zukunftsoffensive für Frauen“, das Projekt „Frauen-Nacht-Taxi für Köln“ (geleitet von Christine Ellermann).

Dieses entschiedene Aufgreifen der jugendpolitischen Orientierung untermauerte den Anspruch der Kölner Jusos, als einer der „bundesweit höchstorganisierten Großstadtunterbezirke“ (Rechenschaftsberichte des Kölner Juso-Vorstandes für die Jahre 1987/88), zum Erfolg der strategischen Neuorientierung der Jusos beizutragen und Einfluß auf die weitere Entwicklung der bundesdeutschen Jusos zu nehmen. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß mit Ulrike Loida von 1988 bis 1990 eine der stellvertretenden Bundesvorsitzenden aus Köln gestellt wurde.

„Laßt Köln erröten!“

Unter dem Eindruck von Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien und der in Köln anstehenden Kommunalwahl wurden gemeinsame Aktionen zur Bekämpfung der neu- oder altbraunen Parteien unternommen. In Zusammenarbeit mit linken und alternativen Gruppen und Parteien wurde 1989, 50 Jahre nach der Entfesselung des 2. Weltkrieges durch das nationalsozialistische Deutschland, der Aufbau einer antifaschistischen Front ermöglicht.

Das Wahlprogramm der Jusos zur Kommunalwahl 1989, mit dem programmatischen Titel „Laßt Köln erröten“, enthielt denn auch, neben durchdachten Strategien zur Müllvermeidung und der Forderung nach Erhalt der günstigen Konditionen für Jugendliche bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel („grüne Streifenkarte“), eine Bewertung des Aufkommens der rechtsextremen Parteien. Diese Analyse beschäftigte sich mit der Frage, warum es zu dieser Liebelei der BürgerInnen mit faschistischen Inhalten kommen konnte. Eine Wurzel dieses Denkens wurde in den Auswüchsen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung erkannt, die zu Massenarbeitslosigkeit und steigender Wohnungsnot führen. Die Jusos erkannten, daß der beste Antifaschismus eine Politik sei, die soziale Spaltung und Ausgrenzung effektiv bekämpft und den betroffenen Menschen wieder eine Zukunftsperspektive gibt. Daher forderten sie u.a. mehr Anstrengungen der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Köln zur Linderung der Wohnungsnot. Eine Forderung, die später von der Fraktion auch aufgegriffen wurden.

Bei der Kommunalwahl vom Oktober 1989 wählten über 28.000 Kölner BürgerInnen die rechtsextremen „Republikaner“ (Reps). Dies entsprach einem Stimmenanteil von 7,4%. Besonders gute Wahlergebnisse erzielte die Reps in Arbeitervierteln und sozialen Brennpunkten, also in klassischen Hochburgen der SPD. Obwohl dieses Ergebnis einen schweren Rückschlag für die antifaschistischen Kräfte bedeutete, stellt sich die Frage, wieviel Zuspruch diese Partei bekommen hätte, wenn es nicht den engagierten Widerstand vieler Menschen in Köln gegeben hätte. Der Kampf gegen die Reps ging auch im Folgenden weiter. Deren Agitation und Propaganda, insbesondere gegen asylsuchende BürgerInnen, wurde erfolgreich entlarvt. Über ihre Unfähigkeit und die Wirkungslosigkeit ihrer Ratsarbeit braucht an dieser Stelle kein weiteres Wort verloren werden.

Das Kommunalwahlergebnis machte eine Koalition zwischen der SPD und den Grünen rechnerisch möglich. Innerhalb der SPD machten vor allen anderen die Jusos Druck, um eine solche Koalition durchzusetzen. Obwohl sich die beiden Parteien nach längeren Verhandlungen in vielen Punkten näher gekommen waren, lehnte eine Mitgliederversammlung der Kölner Grünen die Bildung einer rot-grünen Koalition ab. Diese Basisentscheidung bedeutete einen schweren Rückschlag für die Bemühungen um eine stärker ökologisch und sozial orientierte Politik in Köln und für die KölnerInnen.

Auf ihrer Jahreshauptversammlung im November 1990 starteten die Kölner Jusos zwei Projekte: „Umweltinvestitionen in Köln“ und „Autofreie Innenstadt“ (geleitet von Jens Dennhardt und Heiner Kockerbeck). Damit sollte die angestrebte Politik des ökologisch-sozialen Umbaus der Industriegesellschaft mit konkreten lokalen Beispielen unterfüttert werden. Besonders die Diskussionen um eine Befreiung der Kölner Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr, erreichten eine breite Öffentlichkeit. Dieses Problem sprach und spricht viele Kölner BürgerInnen an.

Vereinigungsfolgen für die Jusos

Der zwei Wochen vor dieser Jahreshauptversammlung stattgefundene Mauerdurchbruch an der Grenze zwischen der BRD und der DDR, spielte auf der Versammlung keine herausragende Rolle. Anders auf dem Juso-Bundeskongreß 1990 in München. Die deutschlandpolitische Diskussion prägte diesen Kongreß, an dem bereits eine Delegation der im Februar gegründeten Jungen Sozialdemokraten aus der DDR teilnahm. Versuche, im Vorfeld des Kongresses einen gemeinsamen Antrag aller Strömungen zur Deutschlandpolitik zu verfassen, waren jedoch fehlgeschlagen. Obwohl man sich in ganz wesentlichen Reformfeldern einig war, wurde kein Einvernehmen erzielt, so daß nach einer langen und streitbaren Diskussion letztlich kein Beschluß zur Deutschlandpolitik gefaßt wurde.

Zwar blieb der befürchtete Rechtsruck der Jusos auf diesem Kongreß aus. Die in München wiedergewählte Bundesvorsitzende Susi Möbbeck warnte in ihrem Rechenschaftsbericht jedoch davor, „daß in großen Teilen des Verbandes die Impulse der historischen Linkswende immer schwächer werden, die sozialistische Identität eine geringere Rolle spielt oder aber offen in Frage gestellt wird.“ Auf diesem Kongreß zeichnete sich klar erkennbar die Gefahr ab, daß diese Entwicklung durch die bevorstehende Vereinigung mit den Jungen Sozialdemokraten zusätzlichen Schwung bekommen könnte.

Die Zuwahl von Bundesvorstandsmitgliedern durch die Republikkonferenz der Jungen Sozialdemokraten im Herbst 1990, führte zu veränderten Mehrheitsverhältnissen im Juso-Bundesvorstand, so daß die Bundesvorsitzende Möbbeck fortan im Bundesvorstand ohne Mehrheit war. Der Juso-Linken (als Nachfolgerin des bundesweit aufgelösten HK – eine „Umgründung“, wie die InitiatorInnen es nannten, die in Köln nicht nachvollzogen wurde; hier treten marxistisch orientierte Jusos nach wie vor unter dem Namen HK auf) gelang es bei den Vorstandswahlen auf dem Bundeskongreß 1991 in Potsdam nicht nur nicht die Mehrheit zurückzugewinnen, sondern mit Ralf Ludwig stellten nun die undogmatischen Jusos auch wieder den Juso-Bundesvorsitzenden. Doch bei der inhaltlichen Auseinandersetzung um die Grundsatzerklärung der Jusos, konnte sich die Juso-Linke durchsetzen und zwei Jahre später, 1993 in Magdeburg, mit Thomas Westphal wieder selbst den Bundesvorsitzenden stellen.

Kein „Aufbruch von links“

Das Jahr der Bundestagswahl und der Vereinigung Deutschlands, war bei den Kölner Jusos deutlich von den anhaltenden Versuchen geprägt, der erkannten Schwäche des Verbandes entgegenzuwirken. Im März faßte eine UBDK den Beschluß, „die Ansprüche Jugendlicher und junger Erwachsener an politische Arbeit stärker auf die Arbeit und Organisationsstrukturen (zu) beziehen“.

Aufsehen erregte eine Aktion im Bundestagswahlkampf 1990: das „Kölner Umweltfest“. Die Jusos hatten sich, trotz der verpaßten Chance in Köln, früh auf eine rot-grüne Koalition im Bund festgelegt. Eine gemeinsame Veranstaltung mit den Grünen sollte für diese Koalition werben. Kurz vor der Wahl wurde dies von der SPD als ein „ungewöhnlicher und umstrittener“ Vorgang bewertet und heftig kritisiert. Nachdem die gemeinsame Wahlkampfveranstaltung an dieser Kritik zu scheitern drohte, konnte das Friedensbildungswerk dafür gewonnen werden, als Veranstalter dieses „Kölner Umweltfestes“ aufzutreten und die Jusos und die Grünen einzuladen. Durch diesen Trick konnte die Veranstaltung wie geplant – und erfolgreich – durchgeführt werden.

Doch trotz aller Anstrengungen hatten es weder die SPD noch die Jusos geschafft, den vereinigungsseeligen deutschen BürgerInnen ihre Politik zur zukünftigen Gestaltung des vereinten Deutschlands nahe zu bringen. Die Jusos waren im alles entscheidenden Thema, der fälschlich sogenannten „Wiedervereinigung“, zerstritten und ohne klare Alternative. Der Zusammenbruch des Sozialismus ostdeutscher Prägung, hatte bei vielen GenossInnen zu Verwirrung oder zu Enttäuschung, in schlimmeren Fällen auch zu beidem gleichzeitig, geführt, die bei vielen noch heute anhält. Zwar forderten die Jusos für das neue Deutschland einen „Aufbruch von links“, allerdings ging diese Forderung einher mit einer Verkennung der Gefühle und Interessen vieler BürgerInnen. Das Projekt des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ hatte gegen die Siegesfeierlichkeiten des Kapitalismus, die sich in Vereinigungsjubel und Kaufrausch zeigten, keine Chance. Die Wiederwahl des „Einheitskanzlers“ Kohl im Dezember 1990 war eine fast logische Folge.

Nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 änderte die SPD ihren politischen Kurs. Statt die programmatische Erneuerung der 80er Jahre fortzusetzen und auch in der Wirtschaftspolitik ein linkes Profil zu gewinnen, setzte sie zunehmend auf ein „Mitregieren aus der Opposition heraus“ und versuchte, sich als regierungsfähig darzustellen. Eine wichtige Tatsache zur Erklärung dieses Konzeptes ist die Erringung der Mehrheit im Bundesrat, nach dem Wahlsieg in Niedersachsen im Mai 1990.

Organisations- und Satzungsreform „Come together“

Im März 1991 wurde Kurt Uhlenbruch auf einem Parteitag der Kölner SPD als Vorsitzender bestätigt. Nach mehreren Jahren stellte die Linke im Vorstand wieder die Mehrheit, und mit Peter Koch wurde ein Vertreter der Jusos in den Kölner SPD-Vorstand gewählt. Dies wurde als politischer Erfolg der Juso-Arbeit gewertet.

Als einen Beitrag zur Parteireform, setzten sich die Jusos für eine Öffnung der SPD auch für Nicht-SPD-Mitglieder ein. Kritische und sachkundige BürgerInnen sollten zu sie interessierenden Themen in die Arbeit der SPD einbezogen werden. Mit dieser Maßnahme wäre auch ein Aufbrechen der erstarrten und oftmals undurchsichtigen Strukturen der SPD möglich gewesen. Auf einem Parteitag der Kölner SPD im April 1991, wurden diese Vorschläge heftig kritisiert. Die Kölner SPD und deren zentralistisch orientierte FunktionärInnen zeigten sich unfähig, Gedanken zur Transparenz und Öffnung des innerparteilichen Willensbildungsprozesses aufzunehmen.

Dieser Streit vertiefte das gegenseitige Unverständnis und die Verärgerung zwischen führenden VertreterInnen des linken Flügels und den Jusos. Zur Entschärfung dieser Lage fand im Mai 1992 eine gemeinsame Sitzung des Juso-Vorstandes mit diesen Linken statt, die zu einer Annäherung führte, ohne daß die Differenzen jedoch ganz ausgeräumt werden konnten.

Der Juso-Bundeskongreß 1993 in Magdeburg, dies sei an dieser Stelle eingeschoben, setzte einen vorläufigen Schlußpunkt unter die jahrelange Diskussion über eine Reform der Juso-Strukturen. Die beschlossenen Richtlinien sehen u.a. eine Öffnung der Jusos für Nicht-SPD-Mitglieder vor.

Auch in Köln nahm die Diskussion um eine Organisations- und Satzungsreform der Jusos großen Raum ein. Eine offene Arbeitsgruppe „Come together“, so der den Beatles entlehnte Titel, erarbeitete in intensiver Arbeit über Monate hinweg entsprechende Vorschläge. Im Mittelpunkt standen der Umbau der Juso-Organisation für und mit Frauen und die „jugendpolitische Orientierung“. Voller Selbstkritik bewertete diese Arbeitsgruppe den Zustand der Jusos als denkbar schlecht. Die Kölner Jusos hätten es zwar geschafft, sich vom Bundestrend teilweise abzukoppeln, allerdings sei die Kölner Organisation allenfalls der „Einäugige unter den Blinden“. Von einer schlagkräftigen politischen Gruppierung seien die Jusos sehr weit entfernt. Diese nüchterne Einschätzung gipfelte in der Aussage, daß das Erscheinungsbild der Juso-Arbeit durch „kleinliche Streitereien, patriarchalische Verhaltensweisen und endlose Diskussionen“ geprägt sei. Der Zwang zu einer Reform der gesamten Juso-Organsation sollte weiterhin in Richtung Demokratisierung und Öffnung laufen. Beide Stichworte sollten die Meinungsbildung und Mitentscheidungsmöglichkeiten für Aktive außerhalb der SPD verdeutlichen.

Die feministische Perspektive sollte weiterhin, gegen klar erkennbare Roll-back-Trends innerhalb der Gesellschaft, aber auch der SPD, unterstützt werden. Dazu wurden den Frauen weitgehende Mitentscheidungsinstrumente in die Hände gegeben. So sollten auf UBDKen keine Anträge gegen den Willen der weiblichen Delegierten verabschiedet werden. Falls eine Mehrheit der Frauen einen Antrag ablehnte, konnte er erst auf der nächstfolgenden UBDK neu gestellt werden. In der Zwischenzeit blieb Zeit genug, eine Klärung der problematischen Punkte zu erreichen.

Hintergrund dieser Entwicklungen war, daß die Jusos durch eine Verbreiterung der Entscheidungsbasis gestärkt werden sollten. Eine der wichtigsten Maßnahme war, daß eine monatliche gemeinsame Konferenz der Stadtteil-AGen, der eigenständigen Arbeitsgruppen (z.B. der Frauen oder der SchülerInnen) und des Vorstandes eingerichtet wurde. Dadurch wurde der Willensbildungsprozeß innerhalb des Kölner Unterbezirks auf eine breitere und demokratische Grundlage gestellt.

Der Kampf gegen die Abschaffung des Asylrechts

Die Anpassung an den Zeitgeist und die Unterordnung unter die neokonservative Hegemonie, machte auch vor Grundbestandteilen der sozialdemokratischen Identität nicht halt. Im August 1992 dokumentierten die „Petersberger Beschlüsse“ die drastische Rechtsverschiebung der SPD-Programmatik. Der SPD-Parteivorsitzende Björn Engholm versuchte handstreichartig eine Umkehrung der SPD-Politik, z.B. in der Asylpolitik und der Rolle der Bundeswehr durchzusetzen.

Der Streit um das Asylrecht entwickelte sich zum wichtigsten Thema des Jahres 1992 und führte nach der Entscheidung, gemeinsam mit der CDU/CSU und der FDP das Grundrecht auf Asyl faktisch abzuschaffen, zu einer Schwächung der SPD im allgemeinen und der Jusos im besonderen. Die Empörung war so groß, daß es zu einem Bruch der Jusos mit den „Enkeln“ Willy Brandts kam. Engholm und weiteren SpitzengenossInnen wurde vorgeworfen, in die taktische Falle der politischen Gegner getappt zu sein. Statt die soziale Frage, die zwei Jahre nach der Vereinigung immer wichtiger und nachdrücklicher wurde, in den Vordergrund zu stellen, wich die SPD vor dem Druck der rechten und rechtsextremen Parteien in ihrer Suche nach Sündenböcken zurück. Vom wesentlichen Thema, der immer deutlicher werdenden Schwächung der Rechte und der Perspektiven vieler ArbeitnehmerInnen, konnten die interessierten Kreise unter Mithilfe der SPD erfolgreich ablenken.

Im November 1992 demonstrierten in Bonn über 100.000 Menschen für den Erhalt des Asylrechts. Auf dem anschließenden SPD-Bundesparteitag wurde ein Antrag beschlossen, den der linke Flügel als erfolgreiche Abwehr der Rechtswende bewertete. Ihr Sprecher, Detlev von Larcher, erklärte nach diesem Parteitag in einem Artikel in der Zeitschrift spw: „Der Schwenk von Petersberg (hat) ein Ende gefunden.“ Auch maßgebende Vertreter des linken Flügels der Kölner SPD hatten den Beschluß zur Regelung der Asylfrage unterstützt und gegenüber den Jusos verteidigt. Bereits im Dezember 1992 wurden sie eines Besseren belehrt. Mit dem „Asylkompromiß“ zwischen CDU/CSU, FDP und SPD wurde das Grundrecht auf Asyl – trotz des anderslautenden Parteitagsbeschlusses – faktisch abgeschafft. Immerhin stimmten dann im Mai 1993 87 SPD-Abgeordnete im Deutschen Bundestag gegen die Änderung des Artikels 16 Grundgesetz. Unter ihnen auch die beiden Kölner Abgeordneten Konrad Gilges und Günter Oesinghaus.

Auch die Arbeit der Kölner Jusos wurde im Jahr 1992 stark durch die Diskussion um das Grundrecht auf Asyl geprägt. Die Aktionswoche zur Kampagne „Dem Haß keine Chance“ im Oktober 1992 war sowohl hinsichtlich der Beteiligung der Jusos selbst als auch hinsichtlich des öffentlichen Interesses ein Erfolg. Viele kritische Jugendliche kamen hier erstmals in Kontakt mit Jusos. Um so negtiver schlug dann jedoch die Entscheidung der SPD zum „Asylkompromiß“ durch, die auch den Jusos angelastet wurde.

Wie sich diese Entscheidung auf die Jusos auswirkte, läßt sich an der Entwicklung der Mitgliederzahlen deutlich machen. Noch 1990 waren 2.732 Genossinnen und Genossen in Köln unter 35 Jahre alt. 1991 waren es 2.775. Im Jahr 1992 wurden nur noch 2.565 junge SozialistInnen gezählt, 1993 gar nur noch 2.306. Innerhalb von vier Jahren hatte die Kölner SPD über 400 junge Mitglieder verloren. Dies läßt sich nicht nur etwaigen Mobilisierungs- bzw. Ansehensverlusten der Jusos anrechnen. Hier ist vor allem die Verantwortung der Mutterpartei und ihrer konturlosen und schwammigen Politik zu sehen. Die Krise der Jusos ist also zu einem großen Teil durch die perspektivlose Politik der SPD im vereinigten Deutschland verursacht.

Auf dem außerordentlichen Juso-Bundeskongreß 1992 in Bonn, gab es harte Auseinandersetzungen mit dem SPD-Parteivorsitzenden Engholm. Etliche Diskussionsbeiträge stellten eine Mitverantwortung der SPD für den wachsenden Rassismus und die Übergriffe gegen AusländerInnen und AsylbewerberInnen heraus. Die Diskussion mündete in einem Beschluß, der den „Bruch mit der Enkelgeneration“ erklärte. Die Tragweite dieses Beschlusses wird dann verständlich, wenn man berücksichtigt, daß sich in den 80er Jahren viele Jusos von diesen „Enkeln“ eine Veränderung der SPD nach links versprochen hatten. Dieser Beschluß ist jedoch auch deshalb wichtig gewesen, weil er vielen schwankenden Jusos, die über einen Parteiaustritt nachdachten, eine Perspektive zum Verbleib in der SPD bot.

Doch trotz der Zugeständnisse an den konservativen Zeitgeist, verliefen die Wahlen von 1994 für die SPD enttäuschend. Höhepunkt dieser negativen Entwicklung bedeutete die Bestätigung der Kohl-Koalition in der Bundestagswahl dieses Jahres. Die Jusos hatten, wie bereits mehrere Male zuvor, einen eigenständigen Wahlkampf geführt und sich schon frühzeitig, im Gegensatz zur Unentschlossenheit der SPD, für eine rot-grüne Alternative eingesetzt. Doch den Zorn des Kölner SPD-Vorstandes zogen sie sich vor allem dadurch zu, daß sie sich weigerten, für Anke Fuchs und Volkmar Schultz, zwei BefürworterInnen des „Asylkompromisses“ von 1992, Wahlkampf zu machen. Doch anders als Ende der 60er Jahre, wurden die Jusos diesmal nicht gleich aufgelöst, sahen sich jedoch heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Daß sich Teile der Jusos von diesen Vorwürfen einschüchtern ließen und sich dann doch in den SPD-Wahlkampf einbinden ließen, schwächte die Position derjenigen Jusos, die den einmal gefaßten Beschluß konsequent umsetzten. Inhaltlich setzten die Jusos in ihrem eigenständigen Wahlkampf den programmatischen Schwerpunkt „Gegen soziale Spaltung – Gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit“. Dies brachte die eigentlichen Probleme im konservativ geführten Deutschland auf den Punkt. In folge des schwachen Abschneidens der SPD, konnte die rot-grüne Reformkoalition dann bekanntermaßen nicht durchgesetzt werden.

Ein wenig Licht und viel Schatten im Kölner Rat

Ein bescheidener Erfolg der Arbeit der Kölner Jusos in der Kommunalpolitik stellte sich im März 1994 auf der Wahlkreiskonferenz zur Aufstellung der RatskandidatInnen der SPD für die Kommunalwahl 1994 ein. Der Jungsozialistin Claudia Nußbauer wurde ein Wahlkreis zugestanden. Diesen konnte sie gewinnen, so daß nun eine Jungsozialistin die Möglichkeit hat, im Rat der Stadt Köln die Kommunalpolitik aktiv mitzugestalten.

Das Ergebnis der Kommunalwahl im Oktober 1994 ließ wieder mehrere Koalitionsmöglichkeiten innerhalb des Kölner Rates zu. Im Februar 1995 kam es, nach langwierigen Verhandlungen aller im Rat vertretenen Parteien, zu einer rot-grünen Vereinbarung. Bereits im Juli 1995 platzte diese Vereinbarung an erheblichen Differenzen über die gemeinsame Haushalts- und Personalpolitik. Seitdem lenkt wieder eine Große Koalition aus SPD und CDU die Geschicke der Stadt.

Stabilisierung auf niedrigem Niveau

Mit Hans Lawitzke wurde 1995 ein neuer Juso-Vorsitzender gewählt. Auch er gehört dem HK an. Der Rechenschaftsbericht des scheidenden Vorsitzenden Hans Günter Bell, führte noch einmal die Lage der Jusos vor Augen. Die Ergebnisse der Organisationsreform hätten die Jusos, wenn auch auf niedrigem Niveau, stabilisiert. In Zahlen ausgedrückt hieß dies, daß 1995 noch 2.033 Jusos im Kölner Unterbezirk gezählt wurden. Der Zustand der Jusos sei jedoch insgesamt „marode“. Der Asyl-Schock, der die Jusos in eine starke Lähmung versetzt hatte, sei noch nicht verdaut, das Ansehen unter linken Jugendlichen immer noch erheblich gestört.

Ansätze aus der mit vielen Hoffnungen gestarteten Parteireform hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegriffen, eine Aktivierung von Nicht-SPD-Mitgliedern sei noch nicht festzustellen. Trotzdem, so faßte der scheidende Vorsitzende mit Blick auf die motivierten Aktiven zusammen, seien die Jusos nicht am Ende, sondern sogar lebendiger als 1992.

Der neugewählte Vorstand hielt an der Projektorientierung fest. Zwei neue Projekte wurden für die Jahre 1995/96 gestartet. Eines wurde zur Gestaltung einer linken Umweltpolitik unternommen und im April 1996 mit den „Umwelt-Aktionstagen der Kölner Jusos“ beendet. (Dieses Projekt leiteten Volker Jacobsen, Alexander Recht und Anika Steuer.) Seit Mitte 1996 läuft das Projekt „Macht der Medien“, das von Werner Lehmann, Hajra Munir-Khawaja und Friederike Stolle geleitet wird.

Der Kölner Juso-Unterbezirk befindet sich in keiner beneidenswerten Lage. Die Mitgliederzahl ist unter 2.000 gefallen. Gegenüber 1983 ist ein erheblicher Verlust an Einfluß auf die Politik der SPD festzustellen. Zu Zeit zeichnet sich hier allerdings wieder eine Verbesserung ab. So brachten die Landtagswahlen des Jahres 1995 ein für die Kölner Jusos erfreuliches Ergebnis. In einem harten innerparteilichen Kampf hatte sich der Kandidat der Jusos, Marc Jan Eumann, zeitweiliger Vorsitzender der Jusos Mittelrhein, gegen eine rechte Gegenkandidatin durchgesetzt. Mit Unterstützung der SPD-Linken wurde Eumann in dem rechtsrheinischen Wahlkreis Köln-Mülheim aufgestellt und im Mai 1995 gewählt. Eumann ist der jüngste Abgeordnete der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landesparlament und wirkt dort auch als Vertreter der Jusos.

Wie weit geht der Anpassungskurs der SPD noch nach rechts?

Währenddessen ging der Anpassungskurs der SPD weiter und immer mehr an sozialdemokratischem Profil verloren. Und während die SPD immer noch darüber rätselt, wie sie den WählerInnen begreiflich machen kann, daß sie wieder an die Regierung gehört, machte der Einsatz der Bundeswehr-Tornados in Bosnien Deutschland am Antikriegstag (dem 1. September) des Jahres 1995 wieder zu einem kriegführenden Land.

Erst die immer offensiveren und dreisteren Angriffe von Bundesregierung und Kapital rüttelten endlich den DGB wach und zwingen damit auch die SPD zu klareren Stellungnahmen. So deutete sich denn im Juni 1996, mit der Kundgebung von 350.000 ArbeitnehmerInnen in Bonn und den weiteren Protesten, vielleicht eine Wiederbelebung der Organisationen der Arbeiterklasse in Deutschland an, die den Rechtsruck der SPD stoppen und möglicherweise sogar rückgängig machen kann. Ob der neue SPD-Parteivorsitzende, Oskar Lafontaine, diese Chance erkennen und seine Distanz zu den Gewerkschaften überwinden wird, muß sich erst noch zeigen.

Führt der Weg zurück zur parteifrommen Jugendorganisation?

Innerhalb der Jusos wachsen wieder die Richtungsauseinandersetzungen. Diesmal sind es jedoch nicht die seit den 70er Jahren bekannten Strömungen, die auf der Grundlage des gemeinsamen Selbstverständnisses, sozialistische Jugend- und Richtungsorganisation zu sein, über den richtigen Weg zum Sozialismus streiten, sondern die Auseinandersetzungen sind insofern grundsätzlicher, als sie dieses Selbstverständnis selbst betreffen. Selbsternannte „junge Sozialdemokraten“, die bundesweit im Duisburger Kreis zusammengeschlossen sind, wollen nichts mehr mit der 69er „Linkswende“ der Jusos zu tun haben. Sie propagieren faktisch ein „zurück in die 50er Jahre“, als die Jusos bundesweit noch eine parteifromme Jugendorganisation waren; sie versuchen also eine Anti-Linkswende.

Diese in Westdeutschland schon seit längerem bestehende Gruppe wurde bundesweit durch den Anschluß der DDR und die anti-sozialistischen Tendenzen der dortigen Jusos gestärkt. Machtbewußte ältere GenossInnen auf dem rechten Flügel der SPD, der „Seeheimer Kreis“, fördern diesen aus ihrer Sicht hoffnungsvollen Parteinachwuchs. Mittlerweile gewinnen diese LiebhaberInnen der 50er Jahre auch im Kölner Juso-Unterbezirk an Einfluß.

Damit steht der Fortbestand der Jusos auf dem Spiel. Denn durch die Politik dieser „jungen Sozialdemokraten“ laufen die Jusos Gefahr, „ihre eigenständige Identität zu verlieren und zu einem schlichten Spiegelbild der Gesamtpartei mit leichter Linksverschiebung zu verkommen. Eine solche Entwicklung trifft aber den Lebensnerv unserer Organisation, denn als langweiliges Anhängsel der SPD werden wir nicht gebraucht“ – so analysierte die damalige Juso-Bundesvorsitzende, Susi Möbbeck, bereits auf dem Juso-Bundeskongreß 1991.

Die Eindämmung des Zuwachses bürgerlich-liberaler Ideologie in den Reihen der Jusos, wird zu einer Existenzfrage, nicht nur der Jusos, sondern der gesamten SPD-Linken. Soll die SPD weiterhin die Perspektive des Sozialismus aufrecht erhalten, wie sie im Berliner Grundsatzprogramm formuliert ist, oder will sie zu einer bürgerlichen Zeitgeistpartei mit ebensolcher Jugendorganisation herabsinken? In Zeiten einer wirtschaftlichen Krise, die von Bundesregierung und Kapital in eingespielter Arbeitsteilung dazu genutzt wird, die Rechte von ArbeitnehmerInnen einzuschränken und ihre materielle Lebenslage zu verschlechtern, ist eine Gegenmacht dringend notwendig. Diese Gegenmacht kann nicht aus bürgerlich liberaler Ideologie erwachsen, sondern nur aus einer sozialistischen Perspektive entstehen.

Wenn die SPD nicht in der Lage ist, die inhaltlichen und personellen Angebote der Jusos aufzunehmen, wird sie in absehbarer Zeit weder die notwendige personelle Erneuerung schaffen, noch eine ausstrahlungsfähige Programmatik entwickeln, die ihr das Vertrauen der WählerInnen zurückgewinnt. Dann stellt sich in absehbarer Zeit die Frage, ob nicht nur das „sozialdemokratische Jahrhundert“ (Ralf Dahrendorf) zu Ende geht, sondern ob sich sogar die historische Perspektive der SPD erschöpft haben wird.