Editorial 22

Mit seinem Vorschlag, auf den Begriff „demokratischer Sozialismus“ im Grundsatzprogramm der SPD zukünftig zu verzichten und der „sozialen Gerechtigkeit“ einen neuen Inhalt zu geben, hat der SPD-Generalsekretär Olaf Scholz in Erinnerung gerufen, dass die Parteiführung der SPD ein neues Programm verordnet hat.

Die Debatte ist keineswegs neu. Schon vor Jahren lautete das Motto Wolfgang Clements: „Die Erwirtschaftung des Wohlstands kommt vor seiner Verteilung“; und er sprach bestimmten Formen von Ungleichheit einen produktiven Charakter zu. In seiner Nachfolge löst nun auch Scholz den Gerechtigkeitsbegriff von der Umverteilung ab. Er hat nicht mehr die Verteilungsgerechtigkeit im Blick, sondern vor allem die Ausweitung der Bildungschancen.

Wie reagiert die Parteilinke? Sie wirft Scholz vor, er wolle der SPD „die Tradition klauen“, sie „entkleiden“ und ihr „das visionäre Mehr wegnehmen“.

Mit Visionen hat zumindest Gerhard Schröder nichts im Sinn. Er unterstützt Scholz mit der Bemerkung, der Begriff „demokratischer Sozialismus“ lege nahe, dass es eine Form von Ökonomie jenseits der Marktwirtschaft gebe. Es bleibe aber dabei, dass die SPD die Partei der sozialen Gerechtigkeit auf der Basis einer „kapitalistisch verfassten Wirtschaftsordnung“ sei.

Damit steht er zwar nicht auf der Grundlage des (noch) gültigen Berliner Grundsatzprogramms der SPD, aber im Zentrum der aktuellen Politikauffassung der Partei, die eindrucksvoll durch die breite Unterstützung der „Agenda 2010“ dokumentiert worden ist.

So wird sich Schröder tatsächlich nicht darum sorgen müssen, dass sich die SPD-internen Programmdebatten negativ auf die Regierungsarbeit auswirken könnten. Wie sagte er es so schön: „Niemand hat Angst, dass das [die Programmdiskussion] die Geschäfte der Regierung stören könnte.“

Der Vereinsvorstand