Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus

Dem Rücktritt Lafontaines ging massiver Druck der Großindustrie voraus. Sie zeigte der Regierung die Grenzen demokratischer Entscheidungen auf und drängten den Finanzminister aus dem Amt. Anlaß für uns, nochmals die SMK-Theorie vorzustellen.

Einfluss der SMK-Theorie in den 70er und 80er Jahren

Die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus (kurz: Stamokap oder SMK) wurde in den 70er und 80er Jahren von großen Teilen der sozialistischen und kommunistischen Linken als Kern ihrer Kapitalismus-Analyse vertreten. In den 90er Jahren ist es um diese Theorie still geworden. Dies hat diese Theorie nicht verdient, beschreibt und erklärt sie doch auch heutige Entwicklungen des Kapitalismus erstaunlich zutreffend.

Kernaussagen der SMK-Theorie

a) Der SMK-Theorie zufolge ist der SMK eine historische Phase des Spätkapitalismus, die durch besondere ökonomische und politische Merkmale gekennzeichnet sei. Was die ökonomische Seite betrifft, spiele in jeder Branche eine kleine Anzahl großer Unternehmen eine bedeutende Rolle. Diese Groß-unternehmen, die in einem widersprüchlichen Verhältnis aus Konkurrenz und Kooperation zueinander stünden, würden erstens über eine große Marktmacht verfügen und zweitens aufgrund ihres Monopolcharakters sowie ihrer Größenvorteile Rentabilitätsvorteile gegenüber anderen kleineren Unternehmen besitzen.

b) In politischer Hinsicht seien staatliche Eingriffe in die kapitalistische Produktionsweise charakteristisch für den SMK. Diese Regulierung zeichne sich aus durch staatliche Steuerpolitik, Subventionen, Investitionen, Verteilungspolitik, Sozialtransfers etc. Nur durch staatliche Einflüsse gelinge es noch, den kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung zu entschärfen. Denn unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution seien trotz des immensen Reichtums der Großunternehmen zwecks Erhaltung deren Verwertungsbedingungen staatliche Ausgaben erforderlich, um zum einen durch Subventionen kostenintensive, produktivitätssteigernde Investitionen der Großunternehmen mitzufinanzieren und zum anderen über staatliche Nachfragepolitik für eine Kompensation des Rückgangs der Binnennachfrage zu sorgen, der mit der monopolistischen Aneignung gesellschaftlichen Reichtums verbunden sei.

c) Der ökonomische Einfluss der Großunternehmen wirke in die politische Sphäre hinein. Über Verbindungen zum Staat versuchten die Großunternehmen, die Richtung und Maßnahmen der Politik zugunsten ihrer Interessen zu lenken und zu beeinflussen. Die Einflussnahmen erfolge durch Verbandslobbys, Personalaustausch zwischen Wirtschaft und Politik sowie institutionalisierte Bündnisse. Letztlich sei der imperialistische Staat ideeller Gesamtkapitalist.

d) Der hohe Grad gesellschaftlicher, wenngleich monopolisierter Produktion im SMK weise Potentiale hin zum Sozialismus auf. Es komme, so vor allem die Diskussion der marxistischen Linken bei den Jusos, darauf an, die Produktion unter wahrhaftig gesellschaftliche Kontrolle zu stellen und die Betriebe wie auch den Staat zu demokratisieren. Die Richtung und das Wie der staatlichen Eingriffe seien im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, vor allem der Erwerbstätigen, umzulenken. Zur Erreichung dieses Ziels seien übergangsweise antimonopolistische Bündnisse der lohnabhängigen Klasse mit nicht-monopolistischen Schichten notwendig.

Was bleibt von der SMK-Theorie?

Auch die wichtigsten Exponenten der SMK-Theorie wie Heininger oder Huffschmid bestreiten nicht gewisse Fehlentwicklungen der SMK-Theorie. Als exemplarische Schwächen der Theorie seien hier genannt die nicht unwichtige Rolle kleiner Unternehmen für die Entwicklung der Produktivkräfte, die Vernachlässigung eigenständiger, nicht-ökonomischer politischer und ideologischer Prozesse, die Tendenz zur determi-nistischen Geschichtsauffassung mit dem SMK als letzter Phase des Spätkapitalismus und Vorstufe zum Sozialismus sowie die Annahme eines einheitlichen Interesses des Monopolkapitals und divergierender Interessen zwischen Monopol- und Kleinkapital. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der Kern der SMK-Theorie auch heute noch stimmt. Monopolisierungsprozesse sind heute gang und gebe, siehe Daimler-Chrysler oder den Telekommuni-kationssektor. Alle bürgerlichen Politikansätze setzen ihren Schwerpunkt darauf, durch geeignete Maßnahmen die Interessen des nationalen Monopolkapitals zu bedienen. Und die Lobby des Großkapitals, der BDI, übt über Einflüsse ins Kanzleramt einen solchen Druck darauf aus, damit ihre Interessen beachtet werden, dass Finanzminister Lafontaine das Handtuch wirft. Lafontaine selbst hat sich im übrigen auch innerhalb der Strukturen des SMK bewegt, indem er für staatliche Nachfragepolitik eingetreten ist. Dies macht die prinzipielle Flexibilität und Offenheit des SMK deutlich: Flexibilität, weil es nicht die Politik im SMK gibt, sondern verschiedene systemimmanente Politikansätze von Stoiber über Hombach bis Lafontaine; Offenheit, weil es eben auch innerhalb des SMK Platz für temporäre fortschrittliche Reformen gibt, etwa Sozialleistungen. Allerdings wird eine sozialistische, antikapitalistische Alternative nicht bei systemimmanenten Reformen stehenbleiben können, sondern muss eine Beseitigung der Vermachtung des Großkapitals und eine demokratische Vergesellschaftung der ökonomischen Basis im Interesse der arbeitenden Bevölkerung anstreben. Die Systemfrage bleibt also aktuell, und die SMK-Theorie leistet bei der politischen Analyse gute Dienste, wenn sie um weitere theoretische Ansätze ergänzt wird, vor allem um jene, die die Internationalisierung der Produktion berücksichtigen.

Empfohlene Literatur:

Huffschmid, Jörg: Weder toter Hund noch schlafender Löwe – Die Theorie des SMK, in: spw, Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, Heft 2/95,

Heininger, Horst: Zur Aktualität der Theorie des SMK, in Z – Zeitschrift für marxistische Erneuerung, Heft 31/97.

Alexander Recht