Darin waren sich die EinladerInnen zur Tagung „Umverteilen !“ und die etwa 150 TeilnehmerInnen einig: Dass sich die Kölner Linke zusammensetzt und nicht nur über die Armut klagt, sondern auch die Umverteilung des Reichtums fordert, ist ein wichtiger Schritt, aber diesem ersten muss der zweite Schritt folgen: konkrete Aktionen sind notwendig, die auch das öffentliche Klima in der Stadt von links beeinflussen.
Deshalb beschlossen die Anwesenden am Ende der Tagung eine Resolution „Der Köln-Pass muss erhalten bleiben!“ und verabredeten, gemeinsam mit anderen Gruppen Aktionen für den Erhalt des Köln-Passes zu organisieren.
Zuvor hatten die TeilnehmerInnen ein Referat des evangelischen Pfarrers Wolfgang Belitz aus Unna gehört, der in mitreißender und anschaulicher Art und Weise einen Blick auf den Reichtum in Deutschland vermittelte. Dabei legte er Wert auf einen Perspektivwechsel: statt immer nur aus der Froschperspektive zum Reichtum hinaufzuschauen solle man einen Blick aus der Vogelperspektive wagen. Denn von dort oben sei das wahre Ausmaß des Reichtums viel besser zu erkennen. Seine immer wieder in neuen Variationen untermauerte Grundaussage lautete: Auch wenn alles unternommen wird, den Reichtum vor dem Blick der interessierten Öffentlichkeit zu verstecken, so ist bei genauem Hinsehen doch zu erkennen, dass genug Geld da ist, um den Sozialstaat ausreichend zu finanzieren.
Nach der Mittagspause folgten Diskussionen in vier Arbeitsgruppen: Niedriglohnsektor, Grundsicherung, Einkommens- und Vermögensverteilung, Repressionen gegen Arme
Niedriglohnsektor
Es heißt, niedrige Löhne seien nötig, um mehr Beschäftigung zu erreichen. Die Löhne seien zu hoch, die Arbeit nicht produktiv genug. Es wird von Löhnen als „Kostenfalle“ gesprochen, die die ArbeitgeberInnen bedrohe. Genau diese Argumentation versuchte Claus Schäfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung, in der Arbeitsgruppe „Niedriglohnsektor“ zu widerlegen.
In einem Vergleich mit den USA belegte Schäfer, dass der Niedriglohnsektor nicht nur moralisch untragbar ist, sondern auch ökonomisch ein falscher Ansatz.
Derzeit existieren bereits zahlreiche Beschäftigungsverhältnisse mit niedrigen und niedrigsten Löhnen, der Anteil prekärer Beschäftigungsverhältnisse wächst zunehmend. Er wird aber zu keiner höheren Beschäftigung führen. Statt dessen erwartet Schäfer eine soziale Polarisierung und erhebliche ökonomische Probleme.
In der Diskussion wurde ein Mindestlohn gefordert, um die Arbeits-chancen für gering Qualifizierte zu verbessern. Für dessen Durchsetzung gibt es aber in den Gewerkschaften kaum Durchsetzungskraft. Hinzu kommt das Desinteresse der oft männlichen Gewerkschafter, sich des besonders Frauen betreffenden Themas anzunehmen.
Arno Peukes, ein Mitarbeiter der grünen Landtagsfraktion in NRW, erläuterte in seinem Beitrag, dass zahlreiche zuvor in Industriebetrieben integrierte Dienstleistungen immer öfter ausgelagert und nun nicht mehr dem Industriesektor zugerechnet werden.
Derzeit sind etwa 20% aller Arbeitsplätze für Geringqualifizierte geeignet, es gibt auch bereits das Angebot von Lohnkostenzuschüssen für zahlreiche solcher Arbeitsplätze, jedoch werden diese von den ArbeitgeberInnen kaum genutzt. Gleichzeitig werden Kombilohnmodelle in der Öffentlichkeit diskutiert, die letztlich v.a. als Druckmittel gegen Tarifverträge wirken. Die Zahl der Arbeitsplätze wird dabei nicht erhöht, statt dessen werden die Arbeitsbedingungen verschlechtert und die Frage nach der Humanisierung der Arbeit gar nicht mehr gestellt.
Peukes forderte, daher keine Dienst-botengesellschaft mit Kombilohn zu subventionieren, sondern den Bereich der qualifizierten Dienstleistungen effektiv zu fördern.
Problematisch ist dabei die Situation der Frauen, die einerseits berufstätig sein wollen, dies aber nur realisieren können, wenn sie andere Frauen für ihre eigene Reproduktionsarbeit einstellen und bezahlen. Die Trennung der geschlechtlichen Arbeitsteilung wird nicht aufgehoben. Helfen könnte hier nur, so ein Diskussionsbeitrag, eine allgemeine, Arbeitszeitverkürzung auf 6 Stunden täglich und ein breit ausgebauter öffentlicher Beschäftigungssektor, der es ermöglicht, einen Teil der Reproduktionsarbeit zu vergesellschaften. (Der Öffentliche Beschäftigungssektor wird in der Arbeitsgruppe jedoch kontrovers diskutiert.)
Zuletzt wies Wolfgang Lindweiler, Mitarbeiter von Ulla Lötzer (MdB – PDS), auf die Probleme der arbeitssuchenden Jugendlichen in Köln hin. Es werden massive Repressionen gegen Arbeitssuchende ausgeübt, ihnen wird mit Kürzung der Sozialhilfe gedroht, wenn sie nicht bereit sind jede ihnen angebotene Hilfstätigkeit anzunehmen. Aufgrund der Lohnkostenzuschüsse, die für diese Hilfstätigkeiten aufgewandt werden, kann in diesem Bereich schon von einem Niedriglohnsektor gesprochen werden. Dauerhafte, gesicherte Arbeitsplätze mit Zukunftsperspektive entstehen so für die jungen Menschen aber nicht.
Grundsicherung
In der Arbeitsgruppe „Grundsiche-rung“ konnte eine rege und kompetente Diskussion erreicht werden. Im Einklang mit dem Motto der Tagung „Umverteilen !“ stand auch die monetäre Besserstellung der EmpfängerInnen von Sozialtransfers im Vordergrund.
Es ist der Grundgedanke der Grundsicherung, dass die derzeitige Praxis der Sozialhilfe dem Anspruch einer Ermöglichung der „Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ nicht genügt. Doch auch Prof. Gerhard Bäcker, einer der ersten, der die Grundsicherung in die politische Diskussion einbrachte, nannte die Grundsicherung kein Patentrezept für alle Probleme in der Sozialpolitik. Er lehnte jedoch die Einführung eines Existenzgeldes ab: „Wir sehen die Vorbereitung eines Niedriglohnsektors, wir erleben Arbeitszwang für SozialhilfeempfängerInnen. Wie kann da über die Einrichtung eines Existenzgeldes spekuliert werden, die mit diesen beiden Konzeption vollständig einher geht?“ Auch ein weiterer Teilnehmer sprach sich gegen diese Konzeption aus, die „eine Subventionierung der Unternehmen“ bedeute.
Die Forderung, zuerst eine Aufstockung der Sozialhilfe von 5-10% von fordern, wurde von Erika Biehn, u.a. Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, vehement zurückgewiesen, das DIW habe errechnet, dass 17% mehr nötig seien, um die notwendigsten Bedarfe der Sozialhilfe-empfängerInnen zu decken. Verena Zech vom Paritätischen Wohlfahrtsverband wehrte sich gegen den Vorwurf. Der Verband trete für die schnelle Lösung der drängendsten Probleme ein, deswegen werde als erster Schritt für die Einrichtung der Grundsicherung die Anhebung der Sozialhilfe gefordert.
Daniel Kreutz, grünes Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags, der die Diskussion moderierte, lenkte die Aufmerksamkeit auf die Politik der Bundesregierung. Einmütig wurde deren Sozialpolitik als bei weitem unzureichend kritisiert. Zwar spreche die Koalitionsvereinbarung noch von einer „schrittweisen Einführung der Grundsiche-rung“, aber die Politik lasse sich als „ein Schritt vor, zwei zurück“ zusammenfassen.
Podiumsdiskussion
Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion, an der sich Vertreterinnen des Sozialdienstes Katholischer Frauen, der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten und des Vereins „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ sowie Prof. Christoph Butterwegge von der Kölner Uni beteiligen.
Fazit
Diese Tagung war eine wichtige Gelegenheiten für die Kölner Linke, miteinander zu diskutieren und Verabredungen zu treffen. Jetzt kommt es darauf an, Gespräch und Kooperation fortzusetzen. Die OrganisatorInnen wollen sich zunächst darauf konzentrieren, die Proteste zum Erhalt des Köln-Passes zu unterstützen. Für den Zeitraum nach der Sommerpause sind aber schon jetzt weitere Veranstaltungen in der Diskussion. Die LeserInnen der Lokalberichte werden hierüber auf dem Laufenden gehalten.
Hans Günter Bell, Gisela Emons, Antonia Freytag, Karsten Schernick, Christoph Vietzke
Die Beiträge auf dieser Tagung werden in einer Broschüre dokumentiert. Sie kann ab Anfang April beim Kulturverein (Postfach 21 06 06, 50531 Köln) angefordert werden.