Kai Burmeister (Mitglied der spw-Redaktion und Gewerkschaftssekretär) und Stefan Stache, (Chefredakteur der spw)
Wir betrachten 2009 sowohl als Tiefpunkt der Agenda-21-Periode als auch als Ausgangspunkt, die SPD wieder auf eine fortschrittliche Politik auszurichten.
Dabei stellen wir heute sowohl auf programmatischer wie auf realpolitischer Ebene wichtige Erfolge fest, gleichzeitig dürfen offensichtliche Beschränkungen für einen solchen Ansatz innerhalb und mit der SPD nicht übersehen werden.
In diesem Beitrag wollen wir aus Sicht von SPD-Linken rund um die Zeitschrift spw Aufgaben für die nähere Zukunft beschreiben und so einen Beitrag zur Verständigung zwischen SPD, Grünen und Linkspartei leisten.
Dabei ist uns klar, dass wir zwar heute – und auch schon seit Jahren – ein rot-rot-grünes Bündnis befürworten, sich aber in allen drei Parteien gewichtige Entwicklungen gegen ein solches Bündnis in Regierungsverantwortung positionieren.
Kurzum: Rot-Rot-Grün ist aus unserer Sicht wünschenswert, aber alles andere als ein Selbstläufer.
Programmatische Erneuerung der SPD
In den letzten Jahren konnte die SPD-Linke mit programmatischen Beiträgen Erfolge erzielen und damit Auswege aus dem Scherbenhaufen der Agenda-Jahre aufzeigen.
Zwar erst in der Opposition, aber immerhin konnten Diskurse rund um die Qualität der Arbeit (Gute Arbeit) und die Verteilungsgerechtigkeit seit 2009 wieder an Einfluss in der SPD gewinnen. 2013 ist die SPD mit einem Regierungsprogramm angetreten, das fortschrittliche Ansätze enthalten hat. Teile davon finden sich auch im Koalitionsvertrag, aus linker Sicht natürlich zu wenige.
Aber angesichts realer Probleme wie millionenfacher Niedriglohnbeschäftigung und einer sozial- und wirtschaftspolitischen Krise in Europa wollen wir nicht zu verliebt in Papiere sein.
Realpolitische Erfolge eingefahren
Wir stellen fest, der gesetzliche Mindestlohn, die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sowie der verbesserte Zugang in die Rente stellen wichtige Wendepunkte in der Arbeitsmarkt- und Sozialstaatspolitik dar. Unabhängig von der nötigen Kritik im Detail ist der Richtungswechsel „Weg vom Abbau sozialer Rechte“ entscheidend:
- Statt Niedriglöhne gibt es Mindestlöhne
- Statt Tarifverträge auf dem Schrottplatz zu entsorgen, sollen Gewerkschaften gestärkt werden
- Statt Arbeiten bis zum Umfallen können viele Beschäftigtengruppen früher raus.
Ob diese Beschlüsse wichtige Einzelmaßnahmen, aber nur Symbolpolitik bleiben oder aber Ausgangspunkt für einen Paradigmenwechsel werden, ist offen. Die Aufgabe für die SPD-Linke ist jedenfalls klar – Stärkung der sozialen Rechte.
Weitere Fortschritte sind nötig und damit werden auch die Widersprüche mit den kapitalfreundlichen Fraktionen in der Regierung zunehmen. Es geht nicht – wie aktuell in Gespräch gebracht – um eine stärker wirtschaftsfreundliche (gemeint ist unternehmensfreundliche) Haltung der SPD, sondern um die Gestaltung der Ökonomie.
Keine Erfolgsgeschichten der Großen Koalition sind die Verteilungs- und Steuerpolitik sowie die fortgesetzte Austeritätspolitik, die die Probleme Europas vergrößern, aber auf keinen Fall lösen werden.
Das Beispiel der Steuerpolitik zeigt die Hürden der programmatischen Erneuerung der SPD und der Realpolitik deutlich auf. Auf dem Papier und auch im Wahlkampf hat die SPD die Steuergerechtigkeit nach vorne gestellt. Tatsächlich hat die Parteiführung dieses Wahlversprechen später auf dem Altar des Regierungsfriedens geopfert.
Anhand der steuerpolitischen Debatte zeigt sich, dass die SPD nach wie vor unentschieden zwischen einer Kuschelpolitik mit den Reichen und einem linken Reformismus hin und her pendelt.
Erfolge müssen fortgeführt werden
Wir als Autoren und die Leser/innen des SoFoR-Infos sind uns sicher schnell in den Eckpunkten für eine sozial-und wirtschaftspolitische Wende in der Europapolitik einig, dennoch fehlt es uns – neben einem langen Atem und der Hoffnung auf soziale Bewegungen in Europa– an Instrumenten in unseren Händen, um eine solche Politik umzusetzen.
Wir plädieren deshalb dafür, im Sinne einer Zuspitzung zwischen den politischen Lagern zunächst auf nationaler Ebene zu verbleiben und realistische Auseinandersetzungen anzustreben.
Dazu gehören.
- In der Industrie haben Dumpingstrategien ein gewaltiges Ausmaß erreicht. Richtig und auch sehr konfliktträchtig wird daher die Auseinandersetzung um die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen sein.
- Die Abkehr von der Rente mit 67 ist richtig, aber das Problem des sinkenden Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung ist damit nicht behoben. Bis weit in die nächste Legislaturperiode ist daran zu arbeiten, wie das Versprechen der Sicherung des Lebensstandards durch die Rente wieder neu erreicht werden kann.
- Die Diskussion um Rüstungsexporte in Verbindung mit der Angst der Beschäftigten um den Verlust ihrer Arbeitsplätze verweist auf die Notwendigkeit ziviler Produktion statt Rüstung. Um falsche Alternative zu vermeiden, sollte eine aktive Industriepolitik Unternehmen und betroffene Regionen in Richtung einer erneuerten Konversion ermuntern.
Hypothek der anhaltenden Glaubwürdigkeitskrise
Die SPD hat trotz der Grenzen der Großen Koalition die Chance, sich wieder als Partei der Gerechtigkeit und des sozialen Aufstiegs zu profilieren.
Hierfür muss sie jedoch für ihre Wählerklientel klar erkennbar sein. Auch wenn sich die Partei in den letzten Wahlen stabilisiert hat, verharrt sie in den Umfragen bei etwa 26%. Sie kämpft noch immer mit ihrem massiven Glaubwürdigkeitsproblem. Noch immer nimmt der überwiegende Teil der enttäuschten gesellschaftpolitischen Lager der Arbeitnehmermitte die SPD als „Agenda 2010 Partei“ oder aber als unzuverlässig und sprunghaft wahr.
Von der jüngsten Gesetzgebung sofort Verbesserungen in der Wählerbindung zu erwarten, greift zu kurz: Soziales Kapital lässt sich nicht mechanisch herstellen, sondern bedarf langfristiger Arbeit in den Wählermilieus. Diese lassen sich nicht allein durch Beschlüsse überzeugen. Vielmehr muss die Partei langfristig progressive Diskurse besetzen, die sie von der CDU/CSU klar unterscheiden und kohärent sind.
Richtig ist, dass es nicht allein um das Vertrauen in mehr Gerechtigkeit durch die SPD gehen darf, sondern die Schlüsselfrage ist die der ökonomischen Kompetenz der Partei. Ohne eine verbreitete Einnahmebasis des Staates ist ein Umsteuern auf einen sozial-ökologischen Pfad nicht möglich, damit steht und fällt jeder Form des politischen Fortschritts. Es ist Aufgabe der SPD-Linken, sich in den Auseinandersetzungen in den wirtschafts- und steuerpolitischen Auseinandersetzungen zu profilieren.