Linux & Co

Ref.: Stefan Meretz (Düsseldorf), Februar 2001 Ideen für eine andere Gesellschaft „Linux“ hat die Computerszene aufgemischt. Weltweit kooperativ- vernetzt über das Internet haben Programmierer „hobbymäßig“ ein eigenes Betriebssystem und vielfältige Anwendungen entwickelt, die keinen Preis haben, also allen Interessierten frei zur Verfügung stehen. Linux steht für Qualität, für zuverlässige Software, die Microsoft schon in vielem überlegen ist. Damit widerlegt Linux das marktwirtschaftliche Credo, nach dem es der marktwirtschaftliche Konkurrenz bedarf, um neue Produkte zu entwickeln und die Gesellschaft damit zu versorgen. Stefan Meretz stellt zur Diskussion: das widersprüchliche Verhältnis von Freier Wirtschaft und profit-orientierter Wirtschaft; die historische Bedeutung Freier Software; die Freie Softwarebewegung als Keimform einer neuen Gesellschaft jenseits des Kapitalismus. Thesen von Stefan Meretz 1. Historie-1. Freie Software hat ihre Wurzeln im wissenschaftlichen Bereich. Mit Hilfe eines keynesianistischen Programms zur Forschungsförderung Ende der Fünfziger Jahre sollte ein (vermeintlichen militär-) technologischer Rückstand gegenüber der Sowjetunion aufgeholt werden. Für die Entstehung Freier Software sind vor allem die beiden Linien interessant, die zur Entwicklung des Betriebssystems Unix und des Internet führten. 2. Wissenschaft. Der wissenschaftliche Prozess lebt vom freien Austausch der Informationen, vom gesellschaftlichen Akkumulieren des Wissens. Wissenschaft ist damit nicht marktgängig. Marktgängig sind nur Produkte, die knapp sind. Die verknappte Form gesellschaftlichen Wissens in Softwareform ist die proprietäre Software – Software, die einem Eigentümer gehört und anderen nicht. Jede Restriktion der gesellschaftlichen Wissensakkumulation ist betriebslogisch funktional und systemlogisch (i.S. des Kapitalismus) dysfunktional. 3. Freie Software. Der Freiheitsbegriff macht stets nur da Sinn, wo Unfreiheit herrscht. So auch bei Software: Der Begriff der Freien Software entstand erst mit der Exklusivierung gesellschaftlichen Softwarewissens. In heutiger Perspektive kann man natürlich auch sagen: Früher gab es nur freie Software. Damals machte das keinen Sinn. 4. Historie-2. Nach der Zerschlagung von AT&T, war die Unterdivision, die die „Rechte“ am Unix-Betriebssystem besaß, gezwungen, diese exklusive Verfügungsgewalt auch … Read More

Ist die „Profitdominanz“ innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung zu überwinden?

Horst Heininger In der programmatischen Diskussion der PDS spielt seit längerem der Streit über den heutigen Kapitalismus, das heutige Kapitalismusbild eine große Rolle (1). Streitfragen sind hier bekanntlich solche Problemstellungen wie das Verhältnis von Kapitalismus und Moderne, die Orientierung auf eine Begrenzung oder gar Brechung der „Profitdominanz“, die Rolle von Markt und Marktwirtschaft im Rahmen von Reformalternativen, die Einschränkung von kapitalistischem Eigentum bei der Durchsetzung alternativer, sozialistischer Vorstellungen und andere Probleme. Dabei sind zwei Streitparteien entstanden, die sich seit langem in ihren Grundpositionen unverändert gegenüberstehen: zum einen die „Reformer“, die vor allem entschieden auf der Grundthese bestehen, daß die heutige Gesellschaft allein mit der Kennzeichnung „Kapitalismus“ nicht wirklichkeitsgerecht erfaßt werden könne; denn sie weise zugleich Vorzüge, bestimmte Zivilisationsgewinne auf (vor allem in Gestalt der pluralistischen Demokratie, des Marktes und des Rechtsstaates), die mit dem Begriff „Moderne“ erfaßt würden; zum anderen die „Traditionalisten“, die nach wie vor von den Grundpo-stulaten der marxistischen politischen Ökonomie ausgehen – einschließlich der Theorie vom Monopolkapitalismus und der SMK-Theorie – und das „Moderne-Konzept“ vom Doppelcharakter der heutigen Gesellschaft als Kapitalismus auf der einen und Moderne auf der anderen Seite ablehnen (2). Diese Kontroverse ist keineswegs ein bloßer Streit um Begriffe; wäre dem so, könnte man rasch zur Tagesordnung übergehen. Bei näherem Zusehen zeigt sich schnell, daß es um weit mehr geht, nämlich letztlich darum, auf welche Kernpunkte alternative Konzepte und Reformalternativen zu orientieren sind und wie die Tragweite der gesellschaftlichen Veränderungen einzuschätzen ist, die mit deren Durchsetzung in der heutigen Gesellschaft verbunden wäre. Ein exaktes Kapitalismusbild ist dazu ebenso notwendig wie die präzise Begriffsbestimmung bei der Formulierung des Ziels alternativer Vorstellungen. Im folgenden werde ich mich mit einigen zentralen Thesen des „Kapitalismus-Streits“ auseinandersetzen, die mit der Einführung des Begriffs „Profitdominanz“ verbunden sind. Die dabei verwendeten Begriffe sollen auf ihre Aussagekraft „abgeklopft“ und die dahinter stehenden Inhalte … Read More

Die Linke und die Moderne

Zur Einordnung des gegenwärtigen „Moderne-Diskurses“ in der Linken und speziell in der PDS sei zunächst festgestellt, dass weit wichtiger als ein Streit um „Moderne“ und „Modernisierung“ eine treffende Analyse der modernen kapitalistischen Gesellschaft, ein darauf gründendes weiteres Ausarbeiten von Eckpunkten linker Reformalternativen und von nächsten politischen Forderungen und der Kampf um deren Verwirklichung sind. Da aber die genannten Begriffe nicht selten als Kritik herausfordernde Reizworte aufgefasst werden, wird hier der Versuch eines konstruktiven Umgangs mit ihnen, einer Versachlichung der Diskussion und der Überwindung von Fehlinterpretationen unternommen. Die in den Thesen der ProgrammKommission der PDS (ProgrammKommission 1999), in Gregor Gysis „12 Thesen für eine Politik des modernen Sozialismus“ (Gysi 1999), in „ReformAlternativen. sozial – ökologisch – zivil“ (Klein u.a. 2000a) und in dem Artikel „Moderne, Modernisierung und die PDS“ (Klein 2000b) vorgenommene knappe Verknüpfung von Grundaussagen, die auf Marx fußen, mit dem Modernediskurs wurde zum Anlass heftiger Attacken gegen die „modernen Sozialisten“. Ihnen wird vorgeworfen, sie seien von Marx zur bürgerlichen Modernetheorie übergewechselt. (Wagner 2000: 394) Unterstellt wird ein Abgehen von demokratisch-sozialistischen Auffassungen und Integration in die gegebenen Machtverhältnisse nach dem Muster der Grünen und der neuen Sozialdemokratie. Das ist unredlich, sachlich nicht begründet und politisch gefährlich, weil den Angegriffenen abgesprochen wird, beide Seiten des Selbstverständnisses der PDS als systemkritische demokratische Opposition und als gestaltende Reformkraft gleichermaßen mit zu tragen. Dies treibt die Linke auseinander. Der Moderne-Begriff Auf einer ganz anderen Ebene als der Vorwurf, Kapitalismuskritik mit bürgerlicher Moderneakklamation zu tauschen, liegt ein sachlicher Streit darüber, ob die Verwendung der Begriffe Moderne und Modernisierung Vorteile für das Handeln der Linken in der modernen bürgerlichen Gesellschaft bietet oder nicht. Beispielsweise lehnt Horst Heininger hat nun auf den vom Autor dieses Beitrages und anderen dargestellten Zusammenhang zwischen der Überwindung der Profitdominanz als ökonomischer Kern linker Reformalternativen und der Herauslösung bewahrenswerter Seiten moderner bürgerlicher … Read More

Europa

Ref.: Klaus Dräger (Köln), August 2000

Human Capital

Ref.: Fiete Saß (Köln), Mai 2000Veröffentlicht in: Saß, Fiete: Human Capital – Menschliche Fähigkeiten im Zentrum der Produktivkraftentwicklung, in: spw 4/00 (Heft 114), S. 40-44;gegenteiliger Auffassung: Krämer, Ralf:Über Human Capital. Cyperlords und modernen Sozialismus,in: spw 5/00 (Heft 115), S. 49-52 Menschliche Fähigkeiten im Zentrum der Produktivkraftentwicklung Fiete Sass, Geschäftsführer einer mittelständischen Software-Firma, war in den 1980er Jahren Juso-Bezirksvorsitzender Mittelrhein und von 1990-1995 Jahre Mitglied der spw-Redaktion, er lebt in Köln Menschliche Fähigkeiten haben von je her eine zentrale Bedeutung für wirtschaftliches Handeln. Seit Anfang der 60er Jahre taucht der Ausdruck Human Capital im Schnittfeld von Volkswirtschaft, Bildungspolitik und Politikberatung regelmäßig auf. Branchen, in denen Human Capital heute ausschlaggebende Bedeutung erhalten hat, sind Film und Medien, Software, Bildung, Computer, Telekommunikation, Pharma + Biotech. Diese Branchen wachsen sehr schnell. Der Toyotismus (lean production) hat Human Capital orientierte Konzepte in die industrielle Fertigung getragen. Auch in noch weniger Human Capital intensiven Branchen sind die Unternehmen und die öffentliche Verwaltung auf eine Anzahl von Bereichen und Mitarbeitern angewiesen, die stark von Human Capital geprägt sind. Der Ausdruck Human Capital selbst könnte Assoziationen an Sklavenhalterei wecken; es geht aber um „menschliches Kapital“ unter bürgerlichen Verhältnissen. Das Thema ist vielfältig und mehrdeutig und geht an den Kern des „neuen“ Kapitalismus. In einer neueren OECD Studie wird Human Capital definiert als „the knowledge, skills, competences and other attributes embodied in individuals that are relevant to economic activity“. [Wissen, Fähigkeiten, Kompetenzen und andere in Menschen verkörperte Eigenschaften, die von Bedeutung für wirtschaftliches Handeln sind] (OECD 1999, S. 9) Es handelt sich also um menschliche Eigenschaften, die wirtschaftlich verwendet bzw. verwertetwerden. Die frühe Diskussion kennt verschiedene Formen von Human Capital. U.a. werden Fähigkeiten zu Konsum oder Genuß als Human Capital diskutiert. Vgl. Machlup 1984, S. 419ff). Inzwischen hat sich die Diskussion stark verengt auf verwertbare, warenförmige Formen von Human … Read More

Über Human Capital, Cyberlords und modernen Sozialismus

von Ralf Krämer In der letzten spw hat Fiete Sass einen sehr interessanten -Aufsatz zum Thema „Human Capital“ veröffentlicht, der hoffentlich den Ausgangspunkt einer breiteren Debatte zur Positionsbestimmung von SozialistInnen zur Informationsökonomie bilden wird. Ich will ausgehend von Fietes Text einige theoretische und strategische Bemerkungen machen, die nicht unbedingt im Gegensatz zu Fietes Ausführungen stehen, aber andere Akzente setzen und einige neue Aspekte einbringen. Vom „Wert“ des „Human Capital“ Fiete Sass weist darauf hin, dass Human Capital nicht Kapital im eigentlichen Sinne ist, weil es an freie Personen gebunden ist. Niemand, selbst diese Personen nicht, kann es (also sich) verkaufen und dieses „Kapital“ damit realisieren. Der „Wert“ des Human Capital ist also sowieso eine fiktive Größe, aber es handelt sich auch gar nicht um einen Wert im werttheoretischen Sinne, der irgendwie durch seine Reproduktionskosten, letztlich die dazu gesellschaftlich notwendige Arbeit, bestimmt wäre, sondern um einen fiktiven Preis, der quantitativ bestimmt ist „aus den (abgezinsten) späteren Erträgen, hier Einkommen“ (Sass: 40). Ein Mensch mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 DM könnte so bei einem Zinssatz von 5% den fiktiven Wert seines Human Capital als 100.000/0,05 = 2 Mio. DM bestimmen. Es handelt sich sozusagen um den „Shareholder Value“ der Arbeitskraft, wobei unter bürgerlichen Verhältnissen die Person selbst ihr eigener und einziger Shareholder ist. Ohne das Wort „Human Capital“ zu verwenden, beschreibt schon Marx dieses Phänomen genau, nicht ohne hinzuzufügen: „Die Verrückheit der kapitalistischen Vorstellungsweise erreicht hier ihre Spitze“ (MEW 25: 483). Der so ermittelte fiktive Wert hängt ab von erwarteten realisierbaren Erträgen bzw. Einkommen einerseits, dem allgemeinen Zinsniveau andererseits, kann also je nach ökonomischer Lage und ihrer Einschätzung heftig schwanken. Kaufen kann man sich dafür wie gesagt sowieso nichts. Tatsächlich kaufen und verkaufen kann man Kapital in anderen Formen, dessen Preis auf gleiche Weise durch die Kapitalisierung erwarteter Erträge bestimmt wird. Die … Read More