Ein Blick zurück: was war das – „Crossover“?

Crossover bestand von 1993 bis gegen Ende der 1990er Jahre als parteiübergreifenden Initiative. Zwischen 1994 und 1999 fanden mehrere Crossover-Arbeitstagungen und -Konferenzen statt. Die größte war diejenige im Februar 1996 in Berlin („Crossover. Für einen radikalreformerischen Neuanfang“), die in einer gemeinsame Ausgabe der beteiligten Zeitschriften dokumentiert worden ist. Es erschienen zwei Bücher (Zur Politik zurück: Für einen ökologisch – solidarischen New Deal, 1997; Regionales Wirtschaften als linke Reformperspektive, 2000) und mehrere Zeitschriftenaussätze ‚gemischter’ Autorengruppen. Damals war die PDS noch mehr tabuisiert als heute DIE LINKE. Allein die Durchführung eines solchen gemeinsame Projektes von Mitgliedern der SPD, der Grünen und der PDS war bereits ein Wert an sich. Auf den Tagungen und Konferenzen wurden interessante inhaltliche Diskussionen geführt, die – bei allen Unterschieden in Einzelaspekten – die große progammatische Schnittmenge zwischen den beteiligten Gruppen und Personen deutlich machten. Das Projekt hatte jedoch von Anfang an den Charakter einer Spielwiese für links-intellektuelle Zirkel der jeweiligen Parteien. Eine direkte Wirkung auf die Programmatik oder Politik der Parteien war nicht erkennbar. Allerdings wäre die Erwartung einer solchen Wirkung auch vermessen gewesen. Richtigerweise wäre allenfalls eine untergründige und längerfristige Verschiebung zu erhoffen gewesen. Seit die PDS jedoch zunächst noch über das Modell einer Tolerierung der SPD-Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt, dann als vollwertigen Koalitionspartner Regierungsverantwortung übernimmt, besteht die Möglichkeit, dass zumindest einzelne im Crossover diskutierte Projekte umgesetzt werden. Nicht als Bestandteile eines grundlegenden Politikwechsels, sondern vielmehr als Beruhigungspille für die linken Flügel der beteiligten Parteien – aber immerhin: eine Realisierung. Während dem Bestehen des Crossover-Projektes waren die Zeiten jedoch noch andere: Gerhard Schröder propagierte die Agenda 2010 und die Bundeswehr führte Krieg gegen Jugoslawien. Damit waren alle Hoffnungen in Rot-Grün zerstört und dem Crossover die Grundlage entzogen. Wenig überraschend, dass dieses Projekt die ersten Monate der rot-grünen Bundesregierung mit der massiven Enttäuschung der in diese Regierungskonstellation gesetzten … Read More

Grußwort Andrea Nahles

Liebe Genossinnen und Genossen,liebe Kölner Jusos, seit 75 Jahren machen Jusos in Köln Politik. Das ist ein bemerkenswertes Jubiläum. Es freut mich, Euch dazu im Namen des gesamten Juso-Bundesverbandes ganz herzlich zu gratulieren. Meine Glückwünsche richten sich an alle, die in diesen Jahrzehnten engagiert, unerschroc ken und zäh für eine bessere, eine sozialistische Welt eingetreten sind. Die Geschichte der Jusos in der Rhein-Metropole markiert zentrale politische Auseinandersetzungen der Bundesrepublik, und nicht zuletzt spielten die Kölner immer wieder eine wichtige Rolle innerhalb der bewegten Geschichte der Jusos selbst. Hans-Jürgen Wischnewski, der erste Juso-Bundesvorsitzende nach dem 2. Weltkrieg gehört dazu. Genauso allerdings der Juso-Unterbezirksvorstand, der 1969 für eben diesen Hans-Jürgen Wischnewski keinen Wahlkampf machen wollte, und deswegen glatt vom SPD-Unterbezirksvorstand aufgelöst wurde. Der eine stand für den Aufbau der Jugendorganisation nach dem Hitlerfaschismus und verstand die Jusos als Nachwuchsschmiede der Partei. Die anderen waren treibende Kräfte der „Linkswende“ der Jusos, die heute noch Basis unseres politischen Selbstverständnisses ist. Auch in den 80er Jahren wurde die frauenpolitische Diskussion durch aktive Frauenstrukturen in Köln nach vorne getragen und prägte die Arbeitsweise und Programmatik der Jusos entscheidend mit. Einer Herausforderung müssen sich die Kölner Jusos aber in diesem Zusammenhang noch stellen: In ihrer Geschichte hat es noch nie eine Vorsitzende gegeben. Da müßten sie es noch ein bißchen weiter treiben. Das alles zeigt: Bemerkenswert sind die Kölner Jusos nicht nur wegen einer 75jährigen Geschichte, auffallend ist auch der Biß und die Courage, die Offenheit für neue Arbeitsweisen und die Kritikfähigkeit, die sie über diese lange Zeit ausgezeichnet und lebendig gemacht haben. Der Aufruf am 25. November 1921 war überschrieben mit „Jungsozialisten heraus!“ – raus auf die Straße, rein in die politischen Auseinandersetzungen. Das nehmen die Jusos in Köln bis heute ernst. Und deshalb setzt ich auch in Zukunft auf Euer Engagement. Nochmals meine herzlichen Glückwünsche … Read More

Jungsozialisten heraus!

Jürgen Seitz Erster Eindruck: die Pressemeldungen 75 Jahre Kölner Jusos – eine lange Tradition, könnte man meinen. Mit Unterbrechungen, freilich. Na klar – die Nazi-Zeit …? Erste Überraschung: Die Kölner Jusos haben sich schon Mitte Februar 1931 selbst aufgelöst und nicht etwa im Jahr der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers, 1933. Und dann das Jahr 1921, die Gründung der Kölner Jusos am 25. November, abends (es war ein Freitag). Fällt den LeserInnen zu diesem Jahr etwas ein? Warum bilden gerade jetzt junge Sozialdemokraten und -innen eine eigene Gruppe innerhalb der – und hier halte ich kurz inne – SPD? (Damals war die SPD doch gespalten, und es gab auch die Unabhängige Sozialdemokratische Partei.) Und überhaupt: Sagt uns diese Tradition heute denn noch was? Wir wollen mal sehen! Das spezifisch Kölnische muß leider allzu oft im Schatten der allgemeinen deutschen Entwicklung zurückbleiben, weil die historischen Quellen zur lokalen Entwicklung nicht genug hergeben. Irgendwer hat versäumt, rechtzeitig die Zeitzeugen zu befragen. Die Entdeckung der Jugend. 1921 So kurz der Aufruf in der Rheinischen Zeitung (die SPD gab damals noch richtige Tageszeitungen heraus) vom 22. November 1921 auch ist, er enthält wesentliche Anhaltspunkte. Zum Beispiel den, daß die KölnerInnen damals der „schon starken Bewegung“ ziemlich hinterherhinkten. Die ersten Jungsozialisten-Gruppen hatten sich schon im Jahre 1919, also kurz nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches, nach der Novemberrevolution 1918 und dem Ende des Ersten Weltkrieges spontan gebildet. Hamburg, Bochum, Berlin waren wohl die ersten, im Sommer 1921 hatten schon 80 Städte Jusos, nur Köln noch nicht. Köln war britisch besetzt. Der Friedensvertrag von Versailles sah die Besetzung des Rheinlandes durch die Siegermächte vor, die dort bis zum 31. Dezember 1925 auch blieben, aber die Zivilverwaltung in deutscher Hand beließen. Eine gewisse öffentliche politische Zurückhaltung ergab sich ganz allgemein aus dieser Situation. Und Köln war schwarz. Hochburg des … Read More

Auferstanden aus Ruinen

Neugründung, Konsolidierung, Anpassung. Die Zeit von 1945 bis 1960 Fritz Bilz 1. Äußere Bedingungen im Jahre 1945 Am 6. März 1945 wurde das linksrheinische Köln von den Amerikanern befreit. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch knapp 20.000 Menschen auf dieser Rheinseite, der Rest der Bevölkerung war geflohen, evakuiert, eingesperrt, tot, noch im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft. Über 70 Prozent der Gebäude in Köln waren zerstört, innerhalb der Ringe waren es über 90 Prozent. Im rechtsrheinischen Köln, das erst sechs Wochen später befreit wurde, lebten zu diesem Zeitpunkt noch 30.000 bis 35.000 Einwohner. Bis Dezember 1945 waren schon wieder 450.000 Menschen nach Köln zurückgekehrt. Dies brachte immense Probleme mit sich. Die zurückkehrenden Menschen mußten ernährt, untergebracht und versorgt werden. Funktionsfähige Strukturen waren nicht mehr vorhanden. Die öffentlichen Verwaltungen waren zerschlagen, Verkehrswege und -mittel zerstört, das Personal – in der überwiegenden Mehrheit ehemalige NS-Parteigenossen – war geflohen oder untergetaucht. Auch die meisten Privatunternehmer waren wegen ihrer politischen Belastung geflohen. In dieses Vakuum stießen ehemalige Gewerkschafter, zumeist Sozialdemokraten, und organisierten das Notwendigste. Diese politisch Unbelasteten waren aus ihren Verstecken, Gefängnissen und der Emigration zurückgekommen und begannen mit der praktischen Aufbauarbeit. Natürlich dachten die Genossinnen und Genossen auch an die Gründung einer sozialdemokratischen Partei in Köln, aber die Alliierten verboten dies zu diesem Zeitpunkt, genau wie sie bis Ende Juli 1945 auch keine Gewerkschaftsgründungen zuließen. Die damaligen Genossinnen und Genossen gründeten unmittelbar nach der Befreiung Ortsausschüsse in den einzelnen Vororten, wo sie mit Antifaschisten aus dem kommunistischen und christlichen Lager die Aufbaurbeit leisteten. Sie mußten für Ernährung sorgen, Wohnraum beschaffen, Schutt räumen lassen und die noch verbliebenen Nazis aus ihren Machtpositionen entlassen. Im Rechtsrheinischen waren diese Ortsausschüsse mehrheitlich sozialdemokratisch besetzt und geleitet. Bestimmende Personen waren zu diesem Zeitpunkt die Sozialdemokraten Willi Schirrmacher, Hein Hamacher, Ernst Lück, Theo Fink und Christian Fette. Schirrmacher fuhr mit dem … Read More

Per Brief gefeuert

Die Auflösung des Kölner Juso-Vorstandes 1969 – ein Versuch, die Vorgeschichte zu rekonstruieren Heiner Kockerbeck „Per Brief gefeuert“ – dem Redakteur, der für den Lokalteil des Kölner Stadt-Anzeigers vom 12. Juli 1969 diese Schlagzeile wählte, wird es wohl selbst nicht ganz geheuer gewesen sein, was da passiert war. In einem nüchternen Brief hatte der Vorstand der Kölner SPD allen Jusos in Köln mitgeteilt, daß der von ihnen gewählte Juso-Vorstand ab sofort nicht mehr existierte. Der Kölner SPD-Vorsitzende John van Nes Ziegler begründete diesen Schritt gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger damit, daß für den SPD-Unterbezirksvorstand die nötige Vertrauensbasis zum Juso-Vorstand zerstört sei. Ein SPD-Vorstand und der gewählte Vorstand der SPD-Jugendorganisation: ein Verhältnis wie zwischen Chef und Angestelltem, der um seiner beruflichen Existenz willen um das Vertrauen des Vorgesetzten bangen muß? Eine Organisation auflösen ist jedenfalls ein drastischer Vorgang. Aus der Geschichte der Kölner Jusos ist kein anderer Vorfall dieser Art bekannt und etwas erinnert solcher Sprachgebrauch doch an das obrigkeitsstaatliche Sozialistengesetz im Kaiserreich oder etwa an die frühen 30er Jahre, als die SPD in einer konfliktreichen innenpolitischen Situation die gesamte Juso-Organisation auflöste. Wie kam es nun 1969 zu diesem Schritt? Stein des Anstoßes war jedenfalls die Weigerung des Juso-Vorstandes, für den SPD-Bundestagskandidaten Hans-Jürgen Wischnewski als bekanntem Befürworter der Notstandsgesetze Plakate zu kleben, während man aber – so der stellvertretende Vorsitzende Manfred Güllner – allgemein für die SPD Wahlkampf machen wollte. Der zweite Grund – so van Nes Ziegler – sei ein „hanebüchenes Infoblatt“ der Jusos (die Juso Informationen, im folgenden JI) gewesen, daß gegen die Politik der SPD gerichtet gewesen sei. Ein paar mal zu wenig den Kleister angerührt und den Quast geschwungen, damit einem prominenten SPD-Mitglied allenfalls auf den kleinen Zeh getreten und dann noch SPD-Mitglieder (an diese wurden die JI verschickt) mit kritischen Anfragen an die aktuelle Parteivorstandspolitik belästigen – … Read More