2. Antrag an den Bundeskongreß der Jusos in der SPD

Antragsteller: Jusos Mittelrhein

“Solidarität mit Cuba”

Cuba ist ein Land, das wie nur wenige andere Emotionen hervorruft und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. In der deutschen Öffentlichkeit steht begeisterter Unterstützung für die cubanische Revolution aggressive Ablehnung gegenüber; während die “Pastors for Peace” mit ihren Friedenskarawanen die US-Blockade bewußt durchbrechen, läßt die US-Regierung nicht locker, bis Castro gestürzt ist; und während die ExilcubanerInnen in Miami seit 1989 täglich darauf warten, Cuba wieder ‘in Besitz’ nehmen zu können, richten andere all ihre Hoffnungen auf das Überleben des “Socialismo tropical”.

Es sind vor allem die vorbildlichen Maßnahmen der cubanischen Revolution in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Aufhebung des Stadt-Land-Gefälles, Soziales, Aufhebung der Rassendiskriminierung und Gleichstellung von Frauen und Männern, die Cuba weltweit Sympathie verschafft haben. Es ist auch der Einsatz Fidel Catros in der Bewegung der Blockfreien und sein Mut, den mächtigen USA die Stirn zu bieten, die ihn zu einem – auch von seinen Feinden – bewunderten Staatsmann gemacht haben. Er ist das Symbol eines antiimperialistischen Selbstbehauptungswillens – deshalb bekämpft die US-Regierung ihn mit allen Mitteln.

Trotz der nach 1989 völlig veränderten Rahmenbedingungen haben die USA ihren Konfrontationskurs gegen Cuba verschärft: Seit 1992 ist das “Cuban-Democracy-Act” (“Toricelli Gesetz”) in Kraft; 1995 ist mit dem “Cuban Democracy and Solidary Act” (“Helms-Burton-Gesetz”) die nächste Zuspitzung der Blockade erfolgt. Das Gesetz umfaßt u.a. einen langen Katalogvon Sanktionen und Drohungen; z.B. werden die USA in allen internationalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank etc.) gegen jede Art von Darlehen oder Finanzhilfe für Cuba stimmen und wurde das Importverbot für Produkte aus Drittländern, die cubanische Rohstoffe (z.B. Nickel oder Zucker) enthalten, verschärft. Für internationale Proteste – auch der EU – sorgten v.a. die extraterritorialen Geltungsansprüche, die ausländische Handelspartner und Investoren davon abhalten sollen, mit Cuba zu handeln oder auf Cuba zu investieren. So gibt das Gesetz US-amerikanischen BürgerInnen und Unternehmen deren Eigentum auf Cuba nach der Revolution enteignet wurde, das Recht, ausländische Firmen zu verklagen, wenn diese den enteigneten Besitz nutzen; leitenden Angestellten, EigentümerInnen und MehrheitsaktionärInnen solcher Firmen wird ein Einreiseverbot in die USA angedroht.

Die USA zeigen sich von allen internationalen Protesten völlig unbeeindruckt, darunter mehrere Resolutionen der UNO-Generalversammlung. Bei der letzten Abstimmung verlangten 143 Länder eine Beendigung der Wirtschaftsblockade; es gab nur drei Gegenstimmen (USA, Israel und Uzbekistan) und 17 Enthaltungen; erstmals stimmten auch alle EU-Staaten für eine Beendigung der Blockade.

 a)      Warum sind wir mit Cuba solidarisch?

Wir wollen keine Lobeshymne auf Fidel Castro anstimmen, sondern würdigen, was er und die anderen RevolutionärInnen auf Cuba erreicht haben. Die sozialen Errungenschaften sind das Resultat einer Politik, die auf die Egalität aller CubanerInnen abzielt. Castro und seine MitstreiterInnen haben die Hilfe der UdSSR nicht wie die meisten “Dritte Welt”-Herrscher dazu benutzt, selbst im Luxus zu schwelgen und Polizei und Armee zu entwickeln, um rebellierende Massen niederzuhalten, sondern sie verwendeten die gewährte Unterstützung und die Einkünfte aus dem RGW-Austausch dazu, Cuba zu entwickeln.

Cuba wird von der US-Regierung als dauerhafte Bedrohung ihrer Interessen in Lateinamerika empfunden. Sie versucht, das von ihr so benannte “kommunistische Krebsgeschwür in der Region” mit allen Mitteln zu beseitigen. Wie sich bereits gezeigt hat, schrecken die Machthabenden in den USA dabei auch nicht vor Terrorakten und militärischen Interventionen zurück. Nach dem Zusammenbruch der Warschauer Vertrags-Organisation versucht die US-Regierung das derzeitige internationale Kräfteverhältnis für eine weitere Destabilisierung Cubas zu nutzen. Mit massiven Drohungen hält die US-Regierung auch andere Länder davon ab, mit Cuba normale Wirtschaftsbeziehungen aufzunehmen. Cuba soll wirtschaftlich erwürgt werden. In Washington erhofft man sich offensichtlich, daß die wirtschaftlichen Engpässe und Versorgungsschwierigkeiten zu einer zunehmenden Unzufriedenheit der Bevölkerung führen und letztlich auch in eine politische Krise einmünden könnten. In einer solchen Situation könnte der US-Regierung ein direktes Eingreifen auch wieder erfolgreich erscheinen.

Für Cuba geht es also ums Ganze, um die “Rettung von Vaterland, Revolution und sozialen Errungenschaften” (KP Cubas). Ob es dem sozialistischen Cuba gelingt, trotz der grundlegend geänderten Bedingungen zu überleben, ohne die sozialen Leistungen, die politische Stabilität und die nationale Unabhängigkeit aufzugeben, hängt auch von der weltweiten Solidarität, hängt also auch von uns jungen SozialistInnen ab, und davon, ob es gelingt eine Kehrtwende in der deutschen und europäischen Cubapolitik herbeizuführen.

 b)      “… mit dem Kapitalismus den Sozialismus zu retten.” (Fidel Castro)

Nach der Auflösung des RGW und dem Verlust eines Großteils der Handelsbeziehungen seit 1989 befindet sich Cuba bekanntermaßen in einer schweren ökonomischen Krise. Der Verlust sämtlicher Kreditgeber sowie von rund zwei Dritteln der Absatzmärkte zwang Cuba zum zweiten Mal seit 1959, praktisch seinen gesamten Außenhandel neu zu orientieren und setzte die Ökonomie unter extremen Anpassungsdruck. Durch die im RGW praktizierte strikte Arbeitsteilung ist Cuba v.a. auf die Zuckerproduktion festgelegt gewesen; eine Diversifizierung der Wirtschaft unterblieb weitgehend. Dies rächt sich heute.

Die ‘Achillesferse’ der cubanischen Wirtschaft ist die Energieversorgung, da Cuba hier fast vollständig von Importen abhängig ist. Die Halbierung der Erdölimporte von 13 Mio. Tonnen 1989 auf 5,7 Mio. Tonnen 1993 brachte Cuba an den Rand eines totalen wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

Mit der Ausrufung der “Sonderperiode in Friedenszeiten” (1990) bekundet die KP Cubas ihren Willen, dem Wegfall der Handelsbeziehungen innerhalb des RGWs durch eine Öffnung zum Weltmarkt entgegenzutreten. Da die notwendigen Importe jetzt mit harten Dollars bezahlt werden mußten, blieb ihr zunächst auch keine andere Möglichkeit, als der Devisenbeschaffung Priorität einzuräumen.

Die Folge dieser Prioritätensetzung ist jedoch eine strukturelle Heterogenisierung der cubanischen Volkswirtschaft: einem traditionellen Binnensektor steht ein aufstrebender Devisensektor gegenüber. Entstanden ist ein System mit zwei schwach verknüpfte Sektoren, in denen unterschiedliche Finanz-, Bilanzierungs-, Planungs- und Rechtssysteme bestehen.

Die “Sonderperiode” ist u.a. durch folgende Maßnahmen gekennzeichnet: a) Legalisierung des US-Dollars, b) Zulassung von “joint-ventures”, c) Einrichtung landwirtschaftlicher Produktionskooperativen, d) Zulassung von “Arbeit auf eigene Rechnung”.

Besonders umstritten ist die Legalisierung des US-Dollars gewesen. Die cubanische Regierung befand sich in einer ‘Zwickmühle’: Sie hatte zuwenig Devisen, um ausreichend Lebensmittel und Erdöl zu importieren, konnte aufgrund der angespannten Versorgungslage den privaten Konsum jedoch kaum stärker einschränken. Der wirtschaftliche Kollaps stand bevor. Die einzigen Quellen, die noch angezapft werden konnten, um den chronischen Devisenmangel zu überwinden, waren die Schwarzmarktdollars und die Stimulierung der Geldüberweisungen aus dem Ausland an auf der Insel lebende Familienangehörige. In dieser Situation hat die Regierung den US-Dollar als Zweitwährung legalisiert. Bei dieser Maßnahme handelte es sich also um eine ‘ökonomische Notbremse’; durch sie ist die drohende Liquiditätskrise abgewendet worden.

Weitreichende Folgen hat auch die Zulassung von “joint-ventures”, also von Betrieben, in denen sich der cubanische Staat mit ausländischem Kapital zu Gemeinschaftsunternehmen zusammengetan hat. Es gibt begründete Zweifel daran, ob die “joint-ventures” die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen werden. Als wesentlichen Grund kann vor allem ihre fehlende Integration in den cubanischen Binnenmarkt angeführt werden. So bewirkt z.B. die fehlende Integration der Tourismusindustrie, daß die Nachfrage der TouristInnen über Importe befriedigt werden muß. Da diese Importe in Devisen bezahlt werden müssen, fließt ein Großteil der Bruttogewinne wieder ab, um den Tourismus am Laufen zu halten.

Ein weiteres Problem ist die Entstehung einer ‘Arbeiteraristokratie’. Die in den “joint-ventures” Beschäftigten genießen zahlreiche Privilegien. So mancheR IngenieurIn muß mittlerweile mit Verbitterung feststellen, daß sie/er als TaxifahrerIn ihr/sein Monatseinkommen an einem Tag verdienen könnte. Kellnerjobs in Touristenhotels sind längst eines der lukrativsten Berufsziele für AkademikerInnen. Entscheidend für den Verdienst ist damit zunehmend nicht mehr die Ausübung einer für den cubanischen Sozialismus nützlichen Tätigkeit, sondern der Zugang zu einer Dollar-Quelle. Als Folge dieser Entwicklung breitet sich auf Cuba wieder die Prostitution aus.

In einer Zwischenbilanz dieser “Sonderperiode” stehen wichtigen Erfolgen, wie v.a. der Aufrechterhaltung der sozialen und politischen Stabilität des Systems, der graduellen Wiedereingliederung in den Weltmarkt und dem Erhalt der sozialen Sektoren, die Erkenntnis gegenüber, daß sich ein wachsender Teil der CubanerInnen wegen Geldmangels immer unzureichender reproduzieren kann und daß es auch auf Cuba vorbei zu sein scheint mit der sozialen Gleichheit.

 c)      Wie weiter?

Die CubanerInnen wehren sich zu Recht gegen alle Versuche der Bevormundung von außen. Wir begreifen unsere Wortmeldung daher als Beitrag in einer solidarischen Diskussion, die wir mit den CubanerInnen führen. Eine solche Diskussion ist ausdrücklich gewünscht, sie ist notwendig und legitim.

Ein Entwicklungsland von der Größe Cubas kann nicht allein den Sozialismus retten. Dies ist auch den CubanerInnen selbst klar. Cubas Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß es Zugeständnisse an den Weltmarkt und den Kapitalismus machen muß, um zu überleben. Um die akute Versorgungskrise zu überwinden, muß Cuba auf kapitalistische Methoden und die Hilfe der Kapitalisten zurückgreifen.

Die Bedingungen und die Form des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft entsprachen weder auf Cuba noch in den den anderen (ehemals) sozialistischen Staaten den allgemeinen Festlegung von Karl Marx: “Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktionsverhältnisse entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.”

Auf Cuba wurden die sozialistischen Produktionsverhältnisse durch eine politische Revolution geschaffen und gingen nicht aus der Entwicklung der Produktivkräfte selbst hervor. Diese politische Revolution konnte nichts anderes sein als die Einleitung eines revolutionären gesellschaftlichen Prozesses, der keineswegs mit dem Schweigen der Waffen nach der revolutionären Machtergreifung abgeschlossen gewesen ist.

Nach der politischen Umwälzung durch die Machtübernahme der RevolutionärInnen begann erst der langwierige Prozeß der ökonomischen Umwälzung, die notwendig ist, um die materielle Basis für neue gesellschaftliche Formen zwischenmenschlicher Beziehungen (für eine “Assoziation freier Menschen”) zu schaffen.

Die Zeit, die Cuba seit der Revolution 1959 gehabt hat, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, reichte nicht aus, in eine “höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft” einzutreten, in der “die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist”; in der “die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden (ist)”; in der “mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen (sind) und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen”. Die Gesellschaft konnte sich eben noch nicht auf ihre Fahne schreiben: “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!” (Karl Marx)

Solange der Weltmarkt und die internationalen Beziehungen kapitalistisch verfaßt sind stellt dies eine klare Begrenzung für die Herausbildung bzw. Weiterentwicklung sozialistischer Formen in Gesellschaften wie der cubanischen dar. Erst die Schwächung oder Beseitigung des Kapitalismus würde es Cuba – und den anderen verbliebenen sozialistischen Staaten – ermöglichen, sozialistische Verkehrsformen herauszubilden bzw. weiterzuentwickeln.

Doch das Dilemma liegt klar auf der Hand: Von dieser Schwächung – oder gar der Beseitung – des Kapitalismus sind wir so weit entfernt, wie seit langem nicht. Und so ist Cuba denn gezwungen, sich darum zu bemühen, ausgebeutet zu werden. Denn in einer Welt, in der das Leben aller davon abhängig gemacht ist, daß sie in kapitalistischen Betrieben Arbeitsplätze bekommen, die nur zu haben sind, wenn sie gewinne für die Investoren abwerfen, ist es noch schlimmer, als ausgebeutet zu werden, nicht ausgebeutet zu werden.

Diese bittere Einsicht ändert jedoch nichts daran, daß dieser Weg Cuba weg vom Sozialismus führt. Und trotzdem ist dieser Weg z.Zt. alternativlos. Wir haben viele Sympathien für die von Che Guevara in den Planungsdebatten der frühen 60er Jahre vertretenen Prinzipien, der – auf Basis einer gesicherten Grundversorgung – ganz auf die Wirkkraft moralischer Appelle und Anreize setzen wollte, um die Arbeitsproduktivität zu steigern. Wir stimmen auch Fidel Castro zu, wenn er sagt: “Es ist ein Irrtum zu glauben … daß der Sozialismus mit materiellen Anreizen aufgebaut werden kann, mit materiellen Anreizen wird nur und ausschließlich der Kapitalismus errichtet.” Aber was helfen diese Einsichten in einer Situation, in der weltweit der Kapitalismus triumphiert, und es für das sozialistische Cuba um das bloße Überleben geht.

Dies hat Folgen: Die Egalität aller CubanerInnen ist als erstes auf der Strecke geblieben. Der Staat versucht jedoch, ein möglichst dichtes Netz sozialer Sicherungen aufrechtzuerhalten. So sind auch die notwendigen Preisreformen (s.u.) nur vertretbar, wenn die Existenzgrundlage der ärmeren Bevölkerungsteile durch staatliche Programme gesichert bleibt. Selbst dies wird jedoch letztlich nicht verhindern, daß es Einigen sehr viel besser und Vielen schlechter gehen wird, als in den “Jahren der fetten Kuh” (Anfang der 80er Jahre).

Finanzielle Anreize statt die Hoffnung auf die Moral des “neuen Menschen”, Konkurrenz statt Solidarität, Privatwirtschaft statt Gemeinwirtschaft – das sind die Konsequenzen dieses Weges; aber er ist derzeit ohne Alternative, wenn Cuba überleben will. Doch selbst, ob dies gelingt, ist ungewiß.

In dieser Situation lohnt es sich u.E. über folgende Schritte nachzudenken und zu überprüfen, wie sie in ein Gesamtkonzept einzubauen sind:

 Wirtschaftliche Entwicklung

  Da es Cuba bis heute nicht gelungen ist, seine Abhängigkeit von Lebensmittelimporten spürbar zu verringern, meinen wir, daß der Landwirtschaft bei der weiteren Entwicklung der cubanischen Wirtschaft ein zentraler Stellenwert zukommen sollte.

  Die 1993 eingerichteten landwirtschaftlichen Kooperativen (UBPC) erzielen bislang noch keine zufriedenstellenden Produktionsergebnisse. Dies ist u.a. auf die ausgeprägte Bevormundung durch die staatliche Verwaltung zurückzuführen und darauf, daß die festgesetzten Preise für den an den Staat abzuführenden Teil der Ernte so niedrig sind, daß sich die Arbeit kaum lohnt. Durch Verkäufe auf dem Schwarzmarkt oder den Bauernmärkten lassen sich um ein Vielfaches höhere Einnahmen erzielen. Mit der Folge, daß die Planvorgaben nicht erfüllt werden und alle Energie auf die Produktion für den Schwarz- und Bauernmarkt verwendet wird.

Hier ist u.E. ein Nachdenken über eine Preisreform sinnvoll; gleichzeitig könnten die Abgabequoten an den Staat verringert werden, um das Angebot auf den Bauernmärkten zu erhöhen.

  Diese Erweiterung des Angebots auf den Bauernmärkten ist notwendig, um das bisherige hohe Preisniveau zu senken. Einen weiteren Beitrag hierzu stellt der Ausbau der Verkehrssysteme dar, deren schlechter Zustand zahlreiche landwirtschaftliche Kooperativen und Kleinbauern derzeit noch davon abhält, ihre Produkte auf diesen Märkten anzubieten.

  Die Anstrengungen, zur Vervielfältigung des Exportwarenkorbes sollten weiter fortgesetzt werden. Die Erfolge bei der Herstellung medizinischer Produkte sind hierfür ein herausragendes positives Beispiel.

  Eine weitere Chance Cubas liegt in der Wiedereingliederung in die Region und eine verstärkte Süd-Süd-Kooperation. Ob dies gelingt, hängt jedoch nicht allein von Cuba ab, denn die USA versuchen alles, auch diese Entwicklungsmöglichkeit zu blockieren.

  Um die Einnahmen aus dem Tourismus im Land zu halten ist es u.E. sinnvoll, die Anstrengungen, die von den TouristInnen benötigten Waren in der cubanischen Industrie und Landwirtschaft selbst herzustellen, zu intensivieren.

  Die Existenz zweier Währungen hat auf Cuba ein Ausmaß an Ungleichheit herbeigeführt, das auf mittlere Sicht die politische Stabilität des Systems in Frage zu stellen droht. Um wieder eine einheitliche Währung zu etablieren, ist u.E. eine Währungsreform erforderlich. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine Festigung der Kaufkraft des Peso.

  Sollte die Öffnung für den Kapitalismus so weit gehen, daß der Boden nicht mehr in staatlichem Eigentum ist, befürchten wir erhebliche Nachteile für die weitere Entwicklung Cubas. Dieses Eigentum ist für die Fähigkeit des cubanischen Staates, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung auch zukünftig steuern zu können, von zentraler Bedeutung.

Es macht jedoch u.E. Sinn, über verschiedene Varianten der Verfügungsgewalt über den Boden nachzudenken. Ein Beispiel ist die Vergabe langfristiger Nutzungrechte an Kooperativen, wie dies bei den UBPCs bereits geschehen ist.

  Ebenso wichtig ist es, daß die strukturbestimmenden Unternehmen weiterhin in staatlichem Eigentum verbleiben. So sichert sich der Staat den notwendigen Einfluß auf das wirtschaftliche Geschehen, stellt Arbeitsplätze zur Verfügung und kann zusätzliche Einnahmen erzielen.

Auch hier macht es u.E. jedoch Sinn, über eine Ausweitung der ArbeiterInnenrechte bis hin zu selbstverwalteten Betrieben nachzudenken.

Daß sich Cuba 1995 genötigt gesehen hat, ausländischem Kapital die 100%ige Übernahme cubanischer Betriebe zu erlauben, ist hingegen eine bedenkliche Entwicklung und verdeutlicht die schlimme Lage, in der sich Cuba befindet.

Cuba muß sich davor hüten, in die Schuldenfalle des IWF zu geraten. Bereits heute ist Cuba hoch verschuldet, weigert sich jedoch seit Jahren die Kredite zu tilgen und Zinsen zu zahlen. Solange kein Schuldenerlaß durchgesetzt worden ist, führt in absehbarer Zeit jedoch kein Weg mehr an einer Wiederaufnahme der Kapitaldienste vorbei. Dies wird die cubanische Wirtschaft schwer belasten. Wichtig ist jedoch, daß es Cuba gelingt, sich dem Diktat des IWF auch weiterhin zu entziehen.

 Politische Entwicklung

Die Kommunistische Partei ist die einzige Kraft, die derzeit diesen Weg beschreiten kann, ohne daß das Land wieder unter die Kontrolle der USA zurückfällt. Die vielerorts erhobene Forderung nach einem Mehrparteiensystem ist die Forderung nach der Öffnung Cubas für den direkten Einfluß des US-Imperialismus und zeichnet den Weg zum Ende Cubas vor. Diese Forderung ist solange kontraproduktiv, solange der mächtige Nachbarn im Norden alles daran setzt, Cuba in die Knie zu zwingen.

Diese Forderung verkennt außerdem, daß es auf Cuba nach wie vor keine relevante politische Opposition gibt. Dies ist weniger in einem ausgefeilten staatlichen Unterdrückungssystem begründet, als vielmehr in der faktischen Alternativlosigkeit des grundlegenden Kurses der Kommunistischen Partei, wenn man Cuba nicht an die USA ausliefern will.

Statt dessen gibt es auf Cuba demokratische Basisstrukturen, die zwar im westeuropäischen politischen System nicht denkbar sind, deshalb aber nicht weniger demokratisch sind. Die Aufstellung der ParlamentskandidatInnen auf Versammlungen in den Stadtvierteln und die Beratung von Gesetzesinitiativen in den Betrieben und gesellschaftlichen Organisationen ermöglichen großen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe am politischen Entscheidungsprozeß; und zwar in einem Ausmaß, daß diese Strukturen ihrerseits beispielhaft für die verkrusteten Parteiendemokratien Westeuropas sein können.

Andere Forderungen nach einer demokratischen Weiterentwicklung des politischen Systems Cubas und der cubanischen Gesellschaft sind sinnvoll und notwendig:

Die Meinungs- und Pressefreiheit.
Sie ist auch für die Weiterentwicklung Cubas und die Fähigkeit, Probleme frühzeitig zu erkennen und sachgerechte Lösungen zu finden, unerläßlich.

Die Dezentralisierung der politischen Entscheidungsstrukturen.
Die Stärkung der Kommunal- und Provinzparlamente ist notwendig, um die zähflüssigen Entscheidungsabläufe zu beschleunigen und ortsnah zu problemadäquateren Entscheidungen zu kommen, als dies bisher mitunter der Fall ist.

Eine starke und eigenständige Gewerkschaftsbewegung.
Sie ist gerade in den kapitalistischen Sektoren unverzichtbar.

 d)      Menschenrechte sind unteilbar !

Die US-Regierung nimmt mit ihrer Politik billigend in Kauf, daß sie im Bezug auf die von ihr beschworenen “Menschenrechte” in doppelter Weise kontraproduktiv ist: Zum einen werden die sozialen Menschrenrechte der CubanerInnen durch die Versorgungsengpässe in Folge der Blockade erheblich beschnitten. Zum anderen führt der Druck auf die Regierung Cubas tendenziell zu einer Verhärtung deren Politik und trägt dazu bei, daß Ausbau und Vertiefung der Demokratie nur langsam vorankommt.

Die Blockade gegen Cuba widerspricht nicht nur verschiedenen Normen des internationalen Rechts und mehreren UNO-Grundsatzerklärungen, sondern widerspricht auch den Menschenrechten wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte definiert sind. Die USA selbst verletzen alle drei der dort definierten “Generationen” von Menschenrechten; sie tun, was sie Cuba vorwerfen. Auch aus diesem Grund ist es eine Forderung weltweiter Demokratisierung, den völkerrechtswidrigen Versuch der USA, das cubanische System zu stürzen, ein Ende zu setzen.

Die Situation sowohl der zivilen als auch der sozialen Menschenrechte hat sich auf Cuba seit der Revolution deutlich verbessert. Auf Cuba werden v.a. soziale Menschenrechte verwirklicht, die in den USA mit Füßen getreten werden. Menschenrechte sind unteilbar ! Auch das Recht auf Arbeit, Ernährung, Wohnung und Kleidung gehört dazu.

Die Linke in Europa sollte sich davor hüten, die auf Demokratie- und Menschenrechtsfragen aufbauenden Hetzkampagnen gegen Cuba aufzugreifen. Ebenso falsch ist es aber, über die politische Situation und die Lage der Menschrechte auf Cuba zu schweigen. Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß auf Cuba zivile Menschenrechte verletzt werden. Daraus ergibt sich für uns die Verantwortung mit unseren cubanischen PartnerInnen hierüber in eine Diskussion zu kommen. Wir müssen deutlich auf die Einhaltung auch der zivilen Menschrechte drängen.

Die CubanerInnen müssen ihren Weg jedoch selbst finden können. D.h., daß wir uns für den Ausbau der Demokratie und die Einhaltung aller Menschenrechte einzusetzen haben – aber nicht als Fordernde, sondern als PartnerInnen in einem Diskussionsprozeß.

 e)      Solidarität ist notwendiger denn je

Das revolutionäre Cuba braucht auch heute die Solidarität aller, die das Schicksal der Menschen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern des Südens nicht den Konzernen und Banken der kapitalistischen Zentren überlassen wollen.

Es liegt auch an uns und an der internationalen Solidarität, den Menschen in Cuba den Spielraum für eine selbstbestimmte Weiterentwicklung ihrer Gesellschaft zu verschaffen. Wir sollten nicht vergessen, daß gerade das cubanische Volk immer wieder seine internationale Solidarität unter Beweis gestellt hat. Seine ÄrztInnen, LehrerInnen und TechnikerInnen haben in vielen Ländern gearbeitet; Verfolgten aus ganz Lateinamerika hat es Zuflucht gewährt und gewährt es ihnen auch weiterhin.

Wir rufen alle, für die Solidarität auch weiterhin ein grundlegender Wert bleibt, auf, sich für Cuba politisch und materiell zu engagieren.

Auf den beiden letzten Bundeskongressen haben wir Jusos hierzu zwei Beschlüssen “Energieversorgung durch die Sonne: Unsere Schule auf Cuba!” (1996) und “Solar Energy – the Power of a new generation! Plattform Solarer Umbau” (1997) gefaßt. Wir haben die Bedeutung der solaren Energiewende für die weltweite Entwicklung begründet und Cuba als mögliches Modellprojekt einer solchen Energiewende benannt. Das cubanische Bildungswesen kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen. Wir wollen daher unsere Solidaritätsprojekte an den cubanischen Schulen fortsetzen. Mit diesen Projekten unterstützen wir das vorbildliche cubanische Bildungssystem – und damit eines der Herzstücke der Revolution -; zugleich setzen wir an der bereits erwähnten ‘Achillesferse’ Cubas an, der Energieversorgung. Die bisherige erfolgreiche Arbeit dieser Projekte zeigt, daß wir uns hier auf einem guten Weg befinden.