Ref.: Andrej Hunko, Juli 2005
„Einige haben beliebt mich vorzugsweise als deutschen Künstler hinzustellen: ich protestiere feierlichst gegen diese Lüge! Den Deutschen bleibt das Verdienst, mich zeitlebens angefeindet, und immer schlecht bezahlt zu haben“
Dieses Zitat stammt nicht von Albert Einstein, sondern einige Jahrzehnte zuvor von Ludwig Feuerbach. Blickt man auf die öffentlichen Diskurse im Einstein-Jahr zurück, so scheint eine Art Versöhnung zwischen dem sicherlich genialsten Physiker des 20. Jahrhunderts und seinem Herkunftsland, das er gerne als „blonde Bestie“ bezeichnete, eingetreten zu sein – eine Versöhnung, der Einstein sicherlich ebenso skeptisch gegenüber gestanden hätte wie seinerzeit Ludwig Feuerbach.
Zwar geht diese Versöhnung nicht so weit, dass die BILD-Zeitung „Wir sind Einstein!“ titeln könnte, aber immerhin hat der gleiche Kanzler, der Deutschland wieder zu einer weltweit operierenden Militärmacht geführt hat, im Januar sein Kanzleramt mit dem Einstein-Zitat von 1932 „Der Staat ist für die Menschen und nicht die Menschen für den Staat“ verzieren lassen. Würden sämtliche Arbeitsagenturen, Ausländerbehörden und Polizeistationen in diesem Land mit dem gleichen Zitat versehen, würde ich vielleicht schweigen – so bleibt aber der Eindruck, dass Einstein hier zur Imagepflege missbraucht wird, während der Staat, der angeblich für die Menschen da ist, gleichzeitig Kontrolleure losschickt, um z.B. das Privatleben von Hartz-IV-EmpfängerInnen auszuspionieren.
Nichtsdestotrotz ist der öffentliche Diskurs anlässlich des 126. Geburtstages und 50. Todestages Albert Einsteins, sowie des 100. Jahrestages der speziellen Relativitätstheorie, sicherlich zu begrüßen. Dennoch bleibt das politische Denken Einsteins, der sich Zeit seines Lebens als politischer Mensch verstanden hat, insgesamt unterbelichtet. Speziell seine Sozialismusvorstellungen, wie sie in der 1949 erschienenen Schrift why socialism zum Ausdruck kommen, aber auch sein fundamentaler Bruch mit Deutschland werden weitestgehend totgeschwiegen. So findet sich etwa in der knapp 500 Seiten starken und ansonsten sehr lesenswerten Biografie von Jürgen Neffe zum Einsteinjahr kein Verweis auf diese Schrift und seiner scharfen Deutschlandkritik wird die Spitze genommen.
Ich will im Folgenden auf dieses politische Denken Albert Einsteins eingehen. Dabei werde ich zuerst einen kurzen biografischen Überblick geben, um dann auf Einzelne Themenfelder einzugehen. Dazu gehören die Geschlechterfrage, sein Verhältnis zu Militarismus und Pazifismus, sein Verhältnis zu Deutschland sowie zur Sowjetunion und der KPD. Schließlich will ich die Schrift Why Socialism ausführlicher besprechen. Den sehr komplexen Themenkreis Einsteins Verhätnis zum Judentum, zum Antisemitismus, zu Israel und zum Zionismus werde ich nur am Rande streifen. Eine systematische Behandlung würde den Rahmen des Beitrags sicherlich sprengen.
Biografischer Überblick
Albert Einstein wurde 1879 in Ulm als Sohn einer alteingesessenen jüdischen Familie geboren, dem gleichen Jahr in dem Wilhelm Marr sein Buch „Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum“ veröffentliche und das den Startschuss zum modernen Antisemitismus gab. Die Familie zog bereits 1880 nach München, wo sein Vater und sein Onkel eine eigene Fabrik für elektrische Geräte (Elektrotechnische Fabrik J. Einstein & Cie) gründeten. In der Schule war er ein aufgeweckter, bisweilen aufmüpfiger Schüler. Seine Leistungen waren gut bis sehr gut, weniger in den Sprachen, herausragend jedoch in den Naturwissenschaften.
Einstein las autodidaktisch populärwissenschaftliche Bücher und verschaffte sich selbst einen Überblick über den Forschungsstand. 1884 begann er mit dem Violinspiel und erhielt Privatunterricht. Im Jahr darauf kam er in die Volksschule, ab 1888 besuchte er das Luitpold-Gymnasium in München. Charakteristisch für den Gymnasiasten Einstein ist sein anti-autoritärer Zug. Sein Klassenlehrer Degenhart legte ihm nahe die Schule zu verlassen: „Ihre bloße Anwesenheit verdirbt mir den Respekt in der Klasse“.
Einstein bricht die Schule, die er später des „halbmilitärischen Drills“ bezichtigt, 1894 ab und zieht zu seinen Eltern, die mittlerweile in Mailand lebten. Er gab seine deutsche Staatsbürgerschaft ab, um dem Armeedienst zu entgehen und blieb somit aufs Erste staatenlos. Ferner aus der jüdischen Religionsgemeinschaft aus.
Dem Wunsch seines Vaters, Elektrotechnik zu studieren, kam Einstein nicht nach. Stattdessen folgte er dem Hinweis eines Freundes der Familie und bewarb sich um einen Studienplatz am Züricher Polytechnikum, der heutigen Eidgenössischen Technischen Hochschule. Da er kein Abiturzeugnis hatte, musste er im Sommer 1895 eine Aufnahmeprüfung ablegen, die er jedoch nicht bestand. Statt der notwendigen intensiven Vorbereitung hatte er Reisen durch Norditalien den Vorzug gegeben. So meisterte er zwar den naturwissenschaftlichen Teil mit Bravour, seine Allgemeinbildung ließ jedoch zu wünschen übrig. Auf Vermittlung des von ihm überzeugten Rektors und Physikers Heinrich Weber besuchte er im Folgejahr die liberal geführte Kantonsschule in Aarau und erwarb dort die Matura.
„Diese Schule hat durch ihren liberalen Geist und durch den schlichten Ernst der auf keinerlei äußere Autorität sich stützenden Lehrer einen unvergesslichen Eindruck in mir hinterlassen; durch Vergleich mit sechs Jahren Schulung an einem deutschen, autoritär geführten Gymnasium wurde mir eindringlich bewusst, wie sehr die Erziehung zu freiem Handeln und Selbstverantwortlichkeit jener Erziehung überlegen ist, die sich auf Drill, äußere Autorität und Ehrgeiz stützt. Echte Demokratie ist kein leerer Wahn.“ schrieb er dazu später.
Mit Beginn des akademischen Jahres 1896 nahm er sein Studium am Polytechnikum auf. In den Vorlesungen fiel er dem lehrenden Professor vor allem durch Abwesenheit auf und verließ sich für die Prüfungen auf die Mitschriften seiner Kommilitonen.
Einstein verließ die Hochschule 1900 mit einem Diplom als Fachlehrer für Mathematik und Physik. Seine Bewerbungen auf Assistentenstellen am Polytechnikum und anderen Universitäten waren jedoch erfolglos. Er verdingte sich als Hauslehrer in Winterthur, Schaffhausen und schließlich in Bern. 1901 wurde seinem Antrag auf die Schweizer Staatsangehörigkeit stattgegeben. Anfang 1902 erhielt Einstein, auf Empfehlung seines Freundes Marcel Grossmann, endlich eine feste Anstellung: als Beamter 3. Klasse beim Schweizer Patentamt in Bern.
Im Jahr 1905, dem annus mirabilis, veröffentlichte er im Alter von 26 Jahren seine bahnbrechensten Werke: Am 17. März beendete er seine Arbeit Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Gesichtspunkt zum fotoelektrischen Effekt, wofür er am 15. Januar 1906 den Doktortitel in Physik erhalten sollte. Am 11. Mai 1905 folgte seine Arbeit Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen zur brownschen Molekularbewegung. Am 30. Juni erschien die Abhandlung Zur Elektrodynamik bewegter Körper mit dem Nachtrag vom 27. September Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? Letzterer enthält zum ersten Mal die wohl berühmteste Formel der Welt, E = mc² . Beiden Arbeiten zusammen werden heute als Spezielle Relativitätstheorie bezeichnet.
Einsteins Habilitation wurde an der Berner Universität 1907 zunächst abgelehnt, erst im folgenden Jahr war er damit erfolgreich. 1909 berief man ihn zum außerordentlichen Professor für theoretische Physik an der Universität Zürich. 1911 wechselte er an die deutschsprachige Prager Universität. Doch schon 1912 kehrte er nach Zürich zurück, wo er an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (wo er 1895 die Aufnahmeprüfung nicht bestanden hatte) forschte und lehrte.
Anfang 1914, kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs, gelang es Max Planck, Einstein für die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin zu gewinnen, wo er 1917 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts wurde.Von allen Lehrtätigkeiten befreit, fand Einstein in Berlin Zeit und Ruhe die Allgemeine Relativitätstheorie zu Ende zu bringen. Er präsentierte sie Ende 1915. Der Tagebucheintrag Einstein vom 9. November 1918 lautete schlicht: „Vorlesung ausgefallen wegen Revolution“
Während einer Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 bestätigten Beobachtungen Arthur Eddingtons, dass das Schwerefeld der Sonne Licht genau so ablenkt, wie es die allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt. Über Nacht wurde Einstein berühmt und populär. Diese Popularität fiel mit der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung in Folge der Novemberrevolution, die sicherlich im Berlin der 20er Jahre am ausgeprägtesten war, zusammen. 1921 erhielt er den Nobelpreis für Physik – allerdings nicht für die Relativitätstheorie, sondern für seine Arbeit von 1905 zur Erklärung des foto-elektrischen Effekts.
Während der ganzen Berliner Zeit, insbesondere aber in der Weimarer Republik, äußerte sich Einstein immer wieder zum Zeitgeschehen; berühmt ist sein Antikriegs- Aufruf an die Europäer von 1915. Er griff in die Auseinandersetzungen während der Novemberrevolution ein und sprach in auf Kundgebungen oder auch an der KPD-nahen MASCH (marx. Arbeiterschule). Dazu später mehr.
Im Gefolge der Novemberrevolution wird Einstein zugleich Zielscheibe reaktionärer antisemitischer Kräfte. Als Jude, Linker, Pazifist, Sozialist bringt Einstein alles mit, was seine Gegner hassen. Eine Gesellschaft für deutsche Physik wir gegründet, um die „jüdische Relativitätstheorie“ zu bekämpfen. Immer wieder tauchen auch Morddrohungen auf, so etwa in der Staatsbürger-Zeitung vom 9. Januar 1921, wo es heißt im falle Einsteins und seiner Gesinnungsgenossen liege „glatter Volksverrat vor. Wir würden jeden Deutschen, der diese Schufte niederschießt, für einen Wohltäter des deutschen Volkes halten.“
Seine zunehmende Bekanntheit nutzte Einstein für etliche Reisen: Er hielt Vorlesungen auf der ganzen Welt. Zahlreiche Ehrendoktorwürden wurden ihm zuteil, darunter die der Princeton University in den USA, wo er später lehren sollte. Alsbald plante er, fortan die Hälfte des Jahres in Princeton, die andere in Berlin zu verbringen. Im Dezember 1932 begab er sich erneut in die Vereinigten Staaten, kehrte aber mit Hinblick auf Hitlers Machtübernahme im Januar 1933 nicht mehr zurück. Er brach sämtliche Kontakte nach Deutschland ab und sollte sein Geburtsland nie wieder betreten. Am 4. April stellte Einstein einen Antrag auf Entlassung aus dem preußischen Staatsverbund (Ausbürgerung). Dieser wurde jedoch abgelehnt, um ihm stattdessen die Staatsangehörigkeit per Strafausbürgerung, die am 24. März 1934 vollzogen wurde, abzuerkennen. Am 10. Mai 1933 überließ Propagandaminister Joseph Goebbels im Rahmen der „öffentlichen Verbrennung undeutschen Schrifttums“ auch Einsteins Schriften dem Feuer.
1933 wurde Einstein Mitglied des Institute for Advanced Study, einem kurz zuvor in der Nähe der Princeton University gegründeten privatem Forschungsinstitut. Vom August 1935 bis zu seinem Tod lebte Einstein in Princeton. Die Stadt bildete damals einen Mikrokosmos der modernen Forschung. Einstein befasste sich bald mit der Suche nach der Einheitlichen Feldtheorie, welche seine Feldtheorie der Gravitation (die Allgemeine Relativitätstheorie) mit der des Elektromagnetismus vereinigen würde. Bis zu seinem Tode mühte er sich vergeblich, die so genannte Weltformel zu finden.
Im Jahr 1940 erhielt Einstein zusätzlich zur schweizerischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Die Entdeckung der Kernspaltung 1938 durch Otto Hahn in Berlin beschwor in der Wissenschaftsgemeinde die nukleare Bedrohung herauf. Im August 1939, kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs, warnte Einstein in einem Brief den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt vor der Gefahr einer Bombe neuen Typs, die Deutschland möglicherweise entwickle und gar bald besäße. Sein Appell wurde erhört, zusätzliche Forschungsgelder bereitgestellt und das Manhattan-Projekt mit dem erklärten Ziel der Entwicklung einer Atombombe aus der Taufe gehoben. An den Arbeiten war Einstein jedoch gänzlich unbeteiligt: Seine wissenschaftlichen Prioritäten setzte er auf anderen Gebieten, nicht zuletzt war er ein langjähriger Zweifler der die Nukleartechnik erst ermöglichende Quantentheorie und wurde obendrein wegen seiner unverhüllten Sympathien für den Kommunismus als Sicherheitsrisiko eingestuft. So erfuhr er wohl von den Konsequenzen seines Tuns – wie die meisten anderen Menschen auch – erst aus dem Radio:
Die letzten eineinhalb Jahre seines Lebens verbrachte Einstein mit der Bibliothekarin Johanna Fantova, deren Tagebuch, entdeckt im Jahre 2004, Aufschluss über einige Details gab. Er verglich sich demnach mit „einem alten Auto, das voller mechanischer Probleme ist“. Trotz seiner Gebrechen fand er auch noch kurz vor seinem Tod die nötige Kraft, um für seine Vision vom Weltfrieden einzutreten. So unterzeichnete er 1955 zusammen mit zehn weiteren namhaften Wissenschaftlern das so genannte Russell-Einstein-Manifest zur Sensibilisierung der Menschen für die Abrüstung.
Einstein starb am 18. April 1955 im Alter von 76 Jahren in Princeton an inneren Blutungen, die durch das Platzen eines Aneurysmas im Bereich der Aorta verursacht wurden.
Einstein und die Geschlechterfrage
Geht man davon aus, dass die Geschlechterfrage ein relevanter Teil des pol. Denkens ist und dass das Private bis zu einem gewissen Grade auch politisch ist, so müssen wir auch einen Blick auf Einsteins Frauenbild und sein Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht werfen. Im Einstein-Jahr ist dieses Thema ja auch relativ breit behandelt worden, wenn auch eher aus einem voyeuristischen denn links-emanzipativen Blickwinkel. Aus diesem Blickwinkel fällt Einsteins Frauenbild, jedenfalls in den 10er und 20er Jahren teilweise weit hinter das vergleichbarer fortschrittlicher Intellektueller seiner Zeit zurück, was sich sowohl in seinem persönlichen Verhalten als auch in politischen Aussagen ausdrückt.
Tragisch ist die Geschichte von Einsteins erster Frau, Mileva Maric, die ebenfalls wie Albert 1896 als einzige Frau des Semesters ihr Physikstudium aufnimmt, nachdem sie ihr Abitur in Mathe und Physik mit Bestnoten abgeschlossen hat. Schnell freunden sich Mileva und Albert an. Wes Geistes Kind die junge Serbin ist mögen folgende Zeilen der 21-Jährigen an Albert Einstein belegen:
„Ich glaube nicht daran, dass der Bau des menschlichen Schädels schuld ist, dass der Mensch dass Unendliche nicht fassen kann, das könnte er gewiß auch, wenn man nicht nur den kleinen Mann in seinen jungen Tagen, wo er das Begreifen lernt, nicht so grausam an die Erde, oder gar an ein Nest, in die engen 4 Wände einsperren würde, sondern ihn ein bissel spazieren ließe in´s Weltall hinaus. Ein unendliches Glück kann sich der Mensch so gut denken, und das unendliche des Raumes sollte er fassen können, ich glaub das müsste noch viel leichter sein.“ Hier trifft sie sich seelenverwandt mit Albert auf Augenhöhe in ihrem beiderseitigen Drang nach Freiheit und geistiger Entwicklung. Einstein antwortet ihr: „Wie glücklich bin ich, dass ich in Dir eine ebenbürtige Kreatur gefunden habe, die gleich kräftig und selbständig ist wie ich selbst.“
Diese Ebenbürtigkeit sollte nicht lange vorhalten: 1901 wird Mileva von Albert Einstein schwanger, sie bringt das uneheliche Kind, dessen weiteres Schicksal unklar ist, bei ihren Eltern in Serbien zur Welt. 1902 kehrt sie nach Zürich zurück, verpasst aber aufgrund der Geburt ihr Diplom, während Albert allmählich Karriere macht. 1903 heiraten Albert und Mileva; 1904 bringt Mileva Hans-Albert zur Welt. Mileva Maric, die einst aufgebrochen ist, als eine der ganz wenigen Frauen ihrer Zeit in den Naturwissenschaften Karriere zu machen, die dann unter der Belastung einer verheimlichten Schwangerschaft ihr Diplom nicht schaffte, sie erlebt das Ende ihrer Selbstbefreiung wie Millionen vor und nach ihr: in der klassischen Rolle der Hausfrau und Mutter, deren Mann seiner Wege geht.
„Der eine bekommt die Perlen, der andere die Schachtel“ schreibt sie 1909.
Mileva hatte mit Sicherheit Anteil an der Entwicklung der Relativitätstheorie 1905, wenn auch die Größe dieses Anteils umstritten ist. Obgleich Albert ihr später das Geld für den Nobelpreis überlässt verschweigt er immer wieder diesen Anteil. Als die Ehe 1910 bereits zerrüttet ist bekommt Mileva den zweiten Sohn Eduard. Sie, die einst so freiheitsliebend und selbständig war und inzwischen völlig von Albert abhängig ist, reist mit den Kindern ihrem Manne hinterher, der allmählich Karriere macht.
Als Albert Einstein 1914 den Ruf zur Preußischen Akademie der Wissenschaften nach Berlin erhält folgt sie ihm mit den Kindern. Albert stellt ihr Bedingungen für ein Zusammenleben:
„A. Du sorgst dafür
1) dass meine Kleider und Wäsche ordentlich im Stand gehalten werden
2) dass ich drei Mahlzeiten IM ZIMMER ordnungsgemäß vorgesetzt bekomme
3) Dass mein Schlafzimmer und Arbeitszimmer stets in guter Ordnung gehalten sind, insbesondere, dass der Schreibtisch MIR ALLEIN zur Verfügung steht
B. Du verzichtest auf alle persönlichen Beziehungen zu mir, soweit deren Aufrechterhaltung aus gesellschaftlichen Gründen nicht unbedingt geboten ist. Insbesondere verzichtest Du darauf
1) dass ich zuhause bei Dir sitze
2) dass ich zusammen mit Dir ausgehe oder verreise
C. Du verpflichtest Dich ausdrücklich, im Verkehr mit mir folgende Punkte zu beachten:
1) Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen.
2) Du hast eine an mich gerichtete Rede sofort zu sistieren, wenn ich darum ersuche.
3) Du hast mein Schlaf- und Arbeitszimmer sofort und ohne Widerrede zu verlassen, wenn ich darum ersuche.
D. Du verpflichtest Dich, weder durch Worte noch durch Handlungen mich in den Augen meiner Kinder herabzusetzen.“
Zunächst stimmt Mileva in ihrer Verzweiflung noch zu, kurz darauf reist sie ab – für immer. Albert Einstein schreibt 1916 dazu.
„Wir Männer sind jämmerliche, unselbständige Geschöpfe, das gebe ich mit Freuden zu. Aber verglichen mit diesen Weibern ist jeder von uns ein König; denn er steht halbwegs auf eigenen Füßen, ohne immer auf etwas außer ihm zu warten, um sich daran zu klammern. Jene aber warten immer, bis einer kommt, um nach Gutdünken über sie zu verfügen. Geschieht dies nicht, so klappen sie einfach zusammen.“ Gesellschaftliche Umstände sieht Einstein zu dieser Zeit in dieser Frage noch nicht. 1919 kommt es schließlich zur Scheidung.
Ab 1925 fängt Albert Einstein an, sich massiv in das Liebesleben seines damals 21-jährigen Sohnes Hans-Albert einzumischen: Zunächst versucht er diesen im Liebesleben zu „instruieren“. Als Hans-Albert seine Freundin und spätere Frau Frieda Knecht kennen lernt, beginnt der Vater einen jahrelangen Kleinkrieg gegen sie, die nur gut 1,50m groß und neun Jahre älter als Hans-Albert ist, mit deutlich rassistischen, eugenischen und sexistischen Zügen:
„Persönlich habe ich gegen Frl. Knecht nichts; und von einem Frauenzimmer kann man nicht so viel Verantwortungsgefühl und Selbstverleugnung verlangen“ schreibt er Hans-Albert. Seinem gerade 16-jährigen Sohn Eduard (Tete) schreibt er 1926: „Die Verschlechterung der Rasse ist gewiss etwas Übles, eines der schlimmsten Dinge. Deshalb kann ich Albert seine Sünde nicht vergessen“ und weiter, da er mittlerweile auch seine erste Frau Mileva für genetisch minderwertig hält: „Glaubst Du, dass Dein Vater da gesündigt hat? Vielleicht. Dann vergib mir Deine Existenz“ In einem weiteren Brief an Eduard über das Frauenwahlrecht schreibt Albert Einstein, der in anderem Zusammenhang etwa Rosa Luxemburg immer hoch gehalten hat: „Dafür kämpfen unter den Weibern nur solche mit männlichem Einschlag“.
Als Hans-Albert dennoch Frieda Knecht heiraten will, versucht der Vater wenigstens Nachkommen zu verhindern. Er wendet sich diesbezüglich an die Direktoren des Krankenhauses Berlin-Neukölln und der Psychiatrischen Anstalt Burghölzli bei Zürich. Seinem Sohn schreibt er: „Wenn Du mir noch den festen Entschluss mitteilst, mit der Knecht kein Kind zeugen zu wollen, werde ich mich ehrlich mit Deinem Entschluss der Heirat abfinden, obwohl ich es für Euch beide bedaure.“ Dennoch sieht sich Albert Einstein bald „respektlos zum Großvater befördert“.
Es würde zu weit gehen hier die ganze Komplexität Einsteins zur Geschlechterfrage wiederzugeben. Öffentliche Äußerungen dieser Art in politischen Zusammenhängen sind mir von Einstein nicht bekannt. Das Thema würde sich wohl auch für ein eigenes Seminar, vielleicht in Verbindung mit anderen bedeutenden Männern wie Brecht oder Picasso, eignen. Ich habe hier nur die dunkelsten Seiten angedeutet, nicht um Einstein zu demontieren, sondern um zu zeigen, wie weit solche Vorstellungen auch bei den fortschrittlichsten Männern dieser Zeit noch vorhanden waren. Wir werden später in Einsteins Schrift why socialism aber auch sehen, wie weit sich der dann 70-Jährige insbesondere von genetischen Determiniertheiten emanzipiert hat.
Einstein zu Militarismus, Pazifismus und Krieg
Dieser Teil des pol. Denkens von Albert Einstein ist im allgemeinen Bewusstsein recht bekannt. Einige Punkte möchte ich dennoch hervorheben.
Der Antimilitarismus ist sicherlich der durchgängigste Zug des pol. Denkens von Einstein. Zeit seines Lebens hat er für militärischen Drill, für Kadavergehorsam, für Stechschritt, für Zucht und Ordnung und dergleichen nur Verachtung und Spott übrig.
Als der 1. Weltkrieg vom deutschen Reich entfesselt wurde und Deutschland im nationalistischen Taumel versank, der zunächst sämtliche Schichten der Gesellschaft umfasste, zog sich der gerade in Berlin angekommene Einstein angewidert von diesem Wahn zurück, um an seiner allgemeinen Relativitätstheorie zu arbeiten.
„Ich döse ruhig in meinen friedlichen Grübeleien und empfinde nur eine Mischung aus Mitleid uns Abscheu“
Nach dem Überfall auf Belgien und den Massakern der deutschen Soldateska an der belgischen Zivilbevölkerung kam es international zu Protesten gegen diese Kriegsgräuel. Fast die gesamte Créme de la Créme der deutschen Kultur- und Wissenschaftswelt verteidigte das Vorgehen des deutschen Militärs in einem Manifest, das später als „Manifest der 93“ bekannt werden sollte. Es ist sicherlich eines der erschütternsten Dokumente der deutschen Geschichte:
„Es ist nicht wahr, dass, Deutschland diesen Krieg verschuldet hat … Es ist nicht wahr, dass wir freventlich die Neutralität Belgiens verletzt haben. … Es ist nicht wahr, dass unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer rasenden Einwohnerschaft … haben sie durch Beschießung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung üben müssen…Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins…Es ist nicht wahr, dass unsere Kriegführung die Gesetze des Völkerrechts missachtet … Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen..“
Dieser Aufruf wurde u.a. von Einsteins Kollegen Haber, Nernst und Planck unterzeichnet, von dem Maler Max Liebermann, dem Dichter Gerhard Hauptmann, von Nobelpreisträgern, darunter Paul Ehrlich, sowie von zahlreichen katholischen und protestantischen Theologen. Ein Widerruf oder eine Entschuldigung all dieser Honoratioren erfolgte später nie.
Der Berliner Physiologe Georg Friedrich Nicolai stellte diesem Aufruf einen „Aufruf an die Europäer“ entgegen, er fand gerade mal vier Unterzeichner, darunter Albert Einstein. Sein zentrales Argument: „Denn der heute tobende Kampf wird kaum einen Sieger, sondern wahrscheinlich nur Besiegte zurücklassen“ Dieser Aufruf fand weder Resonanz, noch wagte es ein relevantes Presseorgan, ihn zu veröffentlichen.
Einstein engagierte sich in der folgenden Zeit zunehmend im Bund Neues Vaterland und an dessen pazifistischen Initiativen. Seine internationalen Kontakte, so zu Romain Rolland, sowie seine daran anknüpfenden Reisen zwischen Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden brachten ihm unter den Kriegsgegnern großes Prestige ein. So war es kein Zufall, dass ihn Ende 1918 revolutionäre Berliner Studenten zu ihren Versammlungen einluden. Eine der Reden Einsteins dieser Zeit ist überliefert:
„Genossinnen und Genossen!
Gestatten Sie einem alten Demokraten, der nicht hat umlernen müssen, einige Worte…Die alte Klassenherrschaft ist beseitigt. Sie fiel durch die eigenen Sünden und durch die befreiende Tat der Soldaten. Der von diesen rasch gewählte Soldatenrat im Verein mit dem Arbeiterrat muss vorläufig als Organ des Volkswillens aufgefasst werden. Wir sind diesen Behörden also in dieser kritischen Stunde unbedingten Gehorsam schuldig und müssen sie mit allen Kräften stützen…“
Es ist bekannt, dass der deutsche Militarismus nach dem 1. Weltkrieg nicht vollständig zerschlagen wurde. Die SPD stützte sich 1919 bei der Niederschlagung der revolutionären Arbeiter und bei der Ermordung Rosa Luxemburgs („Sie war viel zu gut für diese Welt“) und Karl Liebknechts auf die Kräfte des alten Kaiserreichs. Zwar wurde die deutsche Armee zunächst weitgehend demobilisiert, ihre deklassierten Akteure konnten sich aber in den Stoßtrupps der frühfaschistischen Rechten organisieren. Antidemokratismus, Antikommunismus und Antisemitismus vereinten sich hier zu einer explosiven Mischung. Als Linker, Jude und Antimilitarist war Einstein eine beliebte Zielscheibe dieser noch zerstreuten Reaktion. Es war an Hitler, diese Rohmasse zu einer einheitlichen schlagkräftigen Bewegung zu formen.
Einstein agierte frühzeitig gegen die Gefahr der nationalsozialistische Machtübernahme und damit eines neuen Weltkrieges. Dabei setzte er seine Hoffnungen zunächst auf linkssozialistische Kräfte, wie u.a. die SAPD, deren Gründung er 1931 gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Lion Feuchtwanger begrüßte. Als sich schließlich seine Hoffnung auf ein gemeinsames Vorgehen der Linkskräfte zerschlugen und Hitler an die Macht kam, brach Einstein mit seinem bedingungslosen Pazifismus:
„Bis 1933 habe ich mich für die Verweigerung des Militärdienstes eingesetzt. Als aber der Faschismus aufkam, erkannte ich, dass dieser Standpunkt nicht aufrechtzuerhalten war, wenn nicht die Macht der Welt in die Hände der schlimmsten Feinde der Menschheit geraten soll. Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Macht; ich sehe kein anderes Mittel, so sehr ich es auch bedaure.“
Am 18. August 1933 erschien in „La Patrie Humaine“ ein Brief Einsteins:
„Solange Deutschland durch materielle Rüstungen und Abrichtung der Bürger systematisch den Revanchekrieg vorbereitet, sind die westeuropäischen Länder leider auf militärische Abwehr angewiesen. Ich behaupte sogar, dass sie, wenn sie klug und vorsichtig sind, nicht warten werden, bis sie angegriffen sind…Dies können sie nur, wenn sie hinreichend gerüstet sind.“
Und wenig später: „Ich kann es nicht fassen, warum die ganze zivilisierte Welt sich nicht zum gemeinsamen Kampf zusammengeschlossen hat, um dieser Barbarei ein Ende zu bereiten. Sieht denn die Welt nicht, dass Hitler uns in einen Krieg hinein zerrt?“
Vom Ausbruch des zweiten Weltkrieges war Einstein nicht überrascht. Immer wieder waren in den Vorkriegsmonaten seine Gedanken auf die schreckliche Möglichkeit gerichtet, dass Nazi-Deutschland in den Besitz jener Massenvernichtungswaffen gelangen könnte, für deren Entwicklung er die physikalischen Grundlagen geliefert hatte. So ist der historische Brief an US-Präsident Roosevelt vom 2. August 1939 zu verstehen, „dass ein ständiger Kontakt zwischen der Regierung und der Gruppe von Physikern hergestellt wird, die an dem Zustandekommen der Kettenreaktion arbeiten.“
Die weitere Geschichte ist bekannt. In Los Alamos wurde die Atombombe gebaut; Einstein, der dem FBI ohnehin verdächtig war, hatte darauf keinen direkten Einfluss. Die Deutschen kamen nicht an die Atombombe; die US-amerikanische wurde schließlich über Hiroshima und Nagasaki gezündet, was zugleich das Ende des 2. Weltkriegs und Beginn des kalten Krieges markierte. Nach der Niederlage Nazi-Deutschlands und damit der größten Gefahr für die Menschheit, setzte Einstein sich in zahllosen Initiativen für ein Ende der atomaren Hochrüstung ein. Berühmt werden sollten noch das Einstein-Russell-Manifest für Abrüstung, das der 76-Jährige Einstein am 11. April 1955 unterzeichnete. Als Russell den Brief mit der Unterschrift von Einstein erhielt, lebte dieser nicht mehr.
Es waren die Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus, die Einstein sagen ließen: „Ich bin Pazifist – aber nicht Pazifist um jeden Preis.“ Wer immer Einsteins Rolle bei der Entwicklung der Atombombe kritisiert sollte dies berücksichtigen.
Einstein, Deutschland und die Deutschen
„Was die Deutschen anbelangt“ schrieb Einstein am 15. September 1950 an seinen Freund Max Born, „habe ich meine Einstellung nicht geändert; sie datiert übrigens nicht erst von der Nazi-Zeit. Von Geburt sind alle Menschen gleich. Die Deutschen haben aber eine gefährlichere Tradition als die anderen Völker der so genannten Zivilisation.“
Romain Rolland, mit dem Einstein über die Koordinierung pazifistischer Aktionen während des 1. Weltkrieges sprach, gab in seinem „Journal des années de guerre“ (Kriegstagebuch) einige Ansichten Einsteins über die Deutschen wieder. Die Siege über Russland hätten Einsteins Meinung nach die ohnehin vorhandene deutsche Arroganz und Gier noch verstärkt. „Machtdrang, gläubige Bewunderung der reinen Gewalt und unerschütterliche Entschlossenheit zur Eroberung und Annektion fremder Gebiete sind allenthalben sichtbar. … Die großen Banken und Industriekonzerne sind allmächtig und wollen für die von ihnen gebrachten Opfer entschädigt werden. Der Kaiser sei „Wachs in ihren Händen wie in denen der Offiziere“ Die Intellektuellen, vor allem die Historiker, seien in ihrer Mehrzahl kaum besser als die anderen. Aus eigener Kraft könne Deutschland sich nicht ändern. Nur eine Niederlage des preußischen Militarismus und der Sturz der Hohenzollern werde vielleicht den Deutschen die Augen öffnen. Soweit Rolland über Einsteins Deutschlandbild.
Die Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg, die Novemberrevolution und die Weimarer Republik erfüllten Einstein mit einer gewissen Hoffnung, dass die Demokratisierung auch die beschriebenen Traditionen mit der Zeit überwinden helfen werde. Einstein hatte mittlerweile auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, was zu einem bizarren Streit zwischen deutschen und schweizerischen Botschaft führte, wer am Festakt für den Nobelpreis teilnehmen dürfe. Dennoch kamen immer wieder Zweifel an der Möglichkeit Deutschland zu zivilisieren:
„In diesem Lande, in welchem die Ideologie der Gewalt und des Waffenhandwerks leider im Volke, ja selbst in den meistgebildeten Schichten noch so fest sitzt, bedarf es ungewöhnlicher Selbstverständlichkeit und auch eines gewissen Mutes, um das zu vertreten, was für einen unverdorben denkenden und fühlenden Menschen eine Selbstverständlichkeit ist.“
Einsteins zahlreiche antinazistischen Aufrufe ab 1930 gingen im Geschrei der braunen Horden unter. Am 5. März 1933 erklärte Einstein, er werde deutschen Boden nicht mehr betreten, einen Entschluss, dem er bis zu seinem Tode 1955 treu blieb. Sein Vermögen wurde konfisziert, darunter sein Landhaus in Caputh bei Potsdam. Besonders muss ihn das Verhalten seiner Kollegen an der preußischen Akademie der Wissenschaften geschmerzt haben, deren Rauswurf er durch Austritt zuvor gekommen ist: Sekretär Heymann gab eigenmächtig eine Presseerklärung heraus, in der die Akademie „keinen Anlaß (hat), den Austritt Einsteins zu bedauern.“ Einsteins Freund Max von Laue beantragt daraufhin eine Sondersitzung, die am 6. April 1933 stattfindet. „Es war einer der entsetzlichsten Eindrücke meines Lebens“, erinneert sich der Physiker später, „Ich beantragte, die Akademie solle Heymann desavouieren. Aber nicht eine Stimme schloss sich dem an“. Der traurige Bogen zum Manifest der 93 im ersten Weltkrieg schließt sich.
Am 1.April 1933 druckt die „Deutsche Tageszeitung“ zur Zeile „Ein armer Irrer“ eine Karikatur, auf der Einstein, von einem mächtigen Schuh in den Hintern getreten, kopfüber eine Treppe hinunterstürzt. Darunter steht: „Der Hausknecht der Deutschen Gesandtschaft in Brüssel wurde beauftragt, einen dort herumlungernden Asiaten von der Wahnvorstellung, er sei Preuße, zu heilen“
Obwohl sich Einstein keine Illusionen über den verbrecherischen Charakter des Faschismus macht, muss ihn das unvorstellbare Ausmaß der Verbrechen zutiefst erschüttern. Im Juni 1944 schrieb er in der Zeitschrift „Free World“
„Deutsche können getötet oder unterdrückt werden, aber nicht in absehbarer Zeit zum demokratischen Handeln erzogen werden“
Im Juli 1946 bekräftigte er: „Was sich in der Menschenwelt am langsamsten ändert, sind die in einer lebendigen Gemeinschaft herrschenden Ideale und Werturteile. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die deutsche Mentalität der Aggressivität durch erzieherische Einflüsse nicht in absehbarer Zeit geändert werden kann. Nur objektive Methoden, das heißt solche, die den Deutschen das Unternehmen neuer Angriffskriege unmöglich machen, versprechen wirksamen Schutz.“
Einstein forderte die Abtrennung des Ruhrgebiets von Deutschland, um die Macht des deutschen Kapitals und des Militarismus zu brechen. Schon 1947 befürchtete Einstein jedoch, die USA würden Deutschland wiederaufrüsten; der beginnende kalte Krieg sein in den USA von einer Propaganda getragen, die ihn an das Wilhelminische Deutschland erinnere, an eine „militärische Mentalität“, die Deutschland ruiniert habe.
Fünf Wochen nach Einsteins Tod, am 5. Mai 1955 wurde die Bundeswehr wieder gegründet, deren Aktionsradius seitdem kontinuierlich ausgeweitet wurde. Wer in Deutschland als Kriegsgener die manchmal pogromartige Atmosphäre während des Angriffskriegs auf Jugoslawien 1999 erlebt hat, wird dazu neigen, sich diesen Urteilen Einsteins anzuschließen.
Einstein, die Sowjetunion und die KPD
Die russische Revolution 1917 war zweifellos der bedeutendste Menschheitsversuch, das, was Einstein später die „räuberische Phase der menschlichen Entwicklung“ nennen sollte, zu überwinden. Einstein bestritt weder die historische Legitimität der Oktoberrevolution noch von Revolutionen im Allgemeinen, ohne jedoch zum unkritischen Bewunderer der Sowjetunion zu werden. Sympathie und kritische Distanz durchziehen in ihrer Ambivalenz all seine Beurteilungen des Moskauer Regimes.
Einstein wurde Mitglied der Gesellschaft der Freunde des neuen Russland. Er hielt während der Weimarer Republik Vorträge an der KPD-nahen MASCH; auch später in den USA engagierte sich Einstein in KP-nahen Bündnissen, was mit zu seiner über 1000-seitigen Akte beim FBI beitrug.
„Ich habe zu verstehen versucht“ schrieb Einstein 1950, „warum die russische Revolution kommen mußte. Unter den seinerzeit in Rußland herrschenden Verhältnissen konnte sie, glaube ich, nur von einer entschlossenen Minderheit durchgeführt werden. Ein Russe, dem die Wohlfahrt seines Volkes am Herzen lag, musste angesichts der damaligen Lage natürlich mit dieser Minderheit zusammenarbeiten, ja sich ihrem Willen fügen; sonst hätten die unmittelbaren Ziele der Revolution nicht erreicht werden können. Für einen unabhängigen Menschen bedeutete das zweifellos einen zeitweiligen Verzicht auf seine persönlich Freiheit. Aber ich glaube, ich selbst hätte es als meine Pflicht, und als das geringere Übel, betrachtet, dieses zeitweilige Opfer zu bringen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ich direkte oder indirekte Eingriffe der Sowjetregierung in intellektuelle und künstlerische Angelegenheiten billige. Im Gegenteil: Ich sehe solche Eingriffe als unzulässig, schädlich, ja lächerlich an. Ferner glaube ich, dass die Zentralisierung der politischen Macht und die Einschränkung der individuellen Freiheit gewisse – von Erweägungen der äußeren Sicherheit, inneren Stabilität und wirtschaftlicher Planung diktierte – Grenzen nicht überschreiten sollte“
Mit dem Aufstieg des Stalinismus wich Einsteins ursprüngliche Sympathie mehr und mehr einer kritischen Distanz. !925 schrieb er:
„Rußland hat. so scheint mir, hat unter seiner gegenwärtigen Regierungsform nur geringe Fortschritte gemacht und wenig Positives aufzuweisen. Seine industrielle Entwicklung ist zurückgegangen. Aber was seine Zukunft angeht, so wäre eine Voraussage, wie in allen anderen Dingen, ebenso so schwer wie unklug.“
Am 15. April protestierte Einstein zusammen mit anderen prominenten Persönlichkeiten dagegen, dass die SPD-geführte deutsche Reichsregierung dem aus der UDSSR verbannten Trotzki das Asyl in Deutschland verwehrt hatte. Am 30. Juni des gleichen Jahres verweigerte er seine Unterschrift unter einen prosowjetischen Aufruf, obwohl er, wie er mitteilte, „die Treibereien gegen die Sowjetunion sowie den Militarismus in unseren Ländern aufs Schärfste missbillige…“
Im Herbst des gleichen Jahres trat er aus der KPD-nahen Liga gegen den Imperialismus aus. Hintergrund waren die Zusammenstöße zwischen Juden und Arabern in Palästina im August 1929, bei denen 249 Menschen ums Leben kamen. Einstein, der immer sehr viel Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Arabern gesetzt hatte, musste erkennen, dass der arabische Widerstand gegen den Zionismus damals nicht progressiv, sondern weitgehend feudalistisch und reaktionär war. Als die Liga gegen Imperialismus eine Resolution verabschiedete, die diese reaktionäre Dimension, wie Einstein meinte, unterschlug, trat er aus.
Auf dem von der stalinisierten Komintern inszenierten Amsterdamer Anti-Kriegs-Kongress wurde Einstein 1932 in Abwesenheit in das Antikriegs-Komitee gewählt; er trat diesem jedoch nicht bei. „Begründung: Der Amsterdamer Kongress war ganz unter russisch-kommunistischer Regie; auch die Resolution ist in dieser Phraseologie abgefasst.“ Er wandte sich gegen die „Glorifizierung Sowjetrusslands“. An Barbusse schrieb er: „Ich habe mir in der letzten Zeit große Mühe gegeben, mir über die Entwicklung dort ein Urteil zu bilden, und ich bin zu recht trüben Ergebnissen gekommen.“
1933 emigrierte Einstein nicht in die Sowjetunion, sondern in die USA. Begründung: „Ich bin überzeugter Demokrat. Aus diesem Grunde gehe ich nicht nach Russland, obwohl ich von dort herzliche Einladungen erhalten habe. Würde ich nach Moskau reisen, so würde das zweifellos von den Sowjetherrschern für ihre eigenen politischen Zwecke ausgebeutet werden. Nun, ich bin ein Feind des Bolschewismus wie des Faschismus. Ich bin gegen alle Diktaturen.“
Nach Hitlers Machtübernahme hielt sich Einstein mit weiterer Kritik an der Sowjetunion sehr zurück. Vermutlich sah er in ihr den Hauptgegenspieler gegen die Unterjochung der Welt durch die Nazis. So ist auch zu erklären, dass Einstein, ähnlich wie viele andere linke Intellektuelle der Zeit, zu den monströsen Verbrechen der späten 30er Jahren in der SU, den Moskauer Prozessen, den Massenhinrichtungen, der Enthauptung der roten Armee, schwieg.
Zum endgültigen Bruch Einsteins mit der Sowjetunion kam es 1952 anlässlich der Slansky-Prozesse. Im November 1952 inszenierte das stalinistische Regime der Tschechoslowakei unter der Regie sowjetischer „Berater“ den antisemitischen Prozess gegen den Generalsekretär der KPCSSR Rudolf Slánský und seine 10 meist jüdischen Mitangeklagten, die alle zum Tode verurteilt wurden. Der Vorwurf: „Zionistische Verschwörung“. Einstein schrieb dazu: „Es hat viele Jahrhunderte gedauert, bis Europa den Mord, mit oder ohne juristische Verbrämung, als Werkzeug der inneren Politik in der Hauptsache überwunden hat. In der Machtsphäre des heutigen Russland ist das Prinzip erklärt und befolgt worden: dem Staat gegenüber kann das Individuum keine Rechte und keinen Schutz beanspruchen. Der Slánský-Prozess zeigt wieder, dass die dortigen Machthaber es aufgegeben haben, vor den Völkern außerhalb ihres Machtbereichs den Schein des Rechts aufrecht zu erhalten.“
Einsteins Sozialismusvorstellungen
Einstein sympathisierte Zeit senes Lebens mit sozialistischen Vorstellungen, ohne jemals eine kohärente sozialistische Theorie zu verfolgen oder sich einer bestimmten Richtung anzuschließen. Der Nobelpreisträger für Physik bezeichnete sich des öfteren als „Gefühlssozialist“. Die zusammenhängenste Darstellung seiner Sozialismusvorstellungen ist der 1949 erschienene Essay why socialism, den er für die erste Ausgabe der us-amerikanischen Zeitschrift monthly review schrieb, eine auch noch heute bestehende Monatsschrift. Damals konnte niemand ahnen, dass Monthly Review einst das wichtigste Organ der amerikanischen Neuen Linken werden würde.
Monthly Review erblickte das Licht der Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt, an dem die Situation für amerikanische Linksintellektuelle kaum prekärer sein konnte: Der Kalte Krieg trieb seinem Höhepunkt entgegen, ihre Vertreter erlitten schwere berufliche Nachteile. Der Mitherausgeber Paul Sweezy hatte seine Stelle an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Harvard-University schon längst verloren. Nur ein halbes Jahr nach dem Erscheinen von Einsteins Aufsatz sollte die Lage indes noch schlimmer werden: Mit dem Aufstieg des Senators McCarthy wurde die Linke in die Halblegalität getrieben und die demokratischen Freiheiten eingeschränkt und teilweise beseitigt.
In dieser Situation war Einsteins Aufsatz nicht nur eine politische Stellungnahme, sondern auch ein Akt persönlichen Mutes.
Zum Inhalt selbst:
Einstein beginnt mit der Frage seiner Legitimation sich zum Thema zu äußern:
„Ist es nun ratsam für jemanden, der kein Experte auf dem Gebiet ökonomischer und sozialer Fragen ist, sich zum Wesen des Sozialismus zu äußern? Ich denke aus einer Reihe von Gründen, dass dies der Fall ist.
Lasst uns die Frage vorerst […]