Über Human Capital, Cyberlords und modernen Sozialismus

von Ralf Krämer

In der letzten spw hat Fiete Sass einen sehr interessanten -Aufsatz zum Thema „Human Capital“ veröffentlicht, der hoffentlich den Ausgangspunkt einer breiteren Debatte zur Positionsbestimmung von SozialistInnen zur Informationsökonomie bilden wird. Ich will ausgehend von Fietes Text einige theoretische und strategische Bemerkungen machen, die nicht unbedingt im Gegensatz zu Fietes Ausführungen stehen, aber andere Akzente setzen und einige neue Aspekte einbringen.

Vom „Wert“ des „Human Capital“

Fiete Sass weist darauf hin, dass Human Capital nicht Kapital im eigentlichen Sinne ist, weil es an freie Personen gebunden ist. Niemand, selbst diese Personen nicht, kann es (also sich) verkaufen und dieses „Kapital“ damit realisieren. Der „Wert“ des Human Capital ist also sowieso eine fiktive Größe, aber es handelt sich auch gar nicht um einen Wert im werttheoretischen Sinne, der irgendwie durch seine Reproduktionskosten, letztlich die dazu gesellschaftlich notwendige Arbeit, bestimmt wäre, sondern um einen fiktiven Preis, der quantitativ bestimmt ist „aus den (abgezinsten) späteren Erträgen, hier Einkommen“ (Sass: 40). Ein Mensch mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 DM könnte so bei einem Zinssatz von 5% den fiktiven Wert seines Human Capital als 100.000/0,05 = 2 Mio. DM bestimmen. Es handelt sich sozusagen um den „Shareholder Value“ der Arbeitskraft, wobei unter bürgerlichen Verhältnissen die Person selbst ihr eigener und einziger Shareholder ist. Ohne das Wort „Human Capital“ zu verwenden, beschreibt schon Marx dieses Phänomen genau, nicht ohne hinzuzufügen: „Die Verrückheit der kapitalistischen Vorstellungsweise erreicht hier ihre Spitze“ (MEW 25: 483). Der so ermittelte fiktive Wert hängt ab von erwarteten realisierbaren Erträgen bzw. Einkommen einerseits, dem allgemeinen Zinsniveau andererseits, kann also je nach ökonomischer Lage und ihrer Einschätzung heftig schwanken. Kaufen kann man sich dafür wie gesagt sowieso nichts.

Tatsächlich kaufen und verkaufen kann man Kapital in anderen Formen, dessen Preis auf gleiche Weise durch die Kapitalisierung erwarteter Erträge bestimmt wird. Die gilt zum Einen für (von Marx so genanntes) fiktives Kapital in seinen verschiedenen Formen, nämlich Wertpapiere aller Art, insbesondere auch Aktien, die nur Eigentumstitel an Anteilen und Profiten eines Kapitals sind, das real z.B. in Form von Gebäuden, Maschinerie oder auch Geld ganz woanders angewendet wird (vgl. MEW 25: 483ff.). Der Markt- bzw. Kurswert dieses fiktiven Kapitals kann ein Mehrfaches des realen Kapitalwerts betragen, erst recht, wenn die Kurse auch noch spekulativ überhöht sind, wie im gegenwärtigen Casino-Kapitalismus. Zum Zweiten bestimmt sich so der Bodenpreis im Kapitalismus, nämlich aus der Kapitalisierung der Grundrente (vgl. etwa MEW 25: 636f.), der nach Marx dritten grundlegenden Einkommensform im Kapitalismus neben Profit und Arbeitslohn (MEW 25: 822).

Wertschöpfung oder Ausbeutung?

Welchen sozialökonomischen Charakter haben nun die Erträge bzw. Einkommen, die der quantitativen Bestimmung des Human Capital zugrundeliegen? Zum einen sind es Löhne, so gesehen kann jede einigermaßen „beschäftigungsfähige“ Arbeitskraft als Human Capital betrachtet werden. Das spannende Thema, um das es auch bei Sass geht, sind allerdings die weit über üblichen Löhnen auch qualifizierter Beschäftigter liegenden Einkommen, die von besonders begehrten „Knowledge Workern“ insbesondere in aufstrebenden Bereichen der „New Economy“ erzielt werden. Diese sind offenbar nicht, wie es Löhne in marxistischer Sicht allgemein sind, durch den Wert der Arbeitskraft bestimmt, also ihren Reproduktionskosten auf dem historisch erreichten und gesellschaftlich im Rahmen der Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit durchgesetzten Niveau (incl. aller Abgaben, Altersvorsorge und den normalen Annehmlichkeiten des Lebens). Sondern sie liegen deutlich darüber, auch unter Berücksichtigung des Qualifizierungsaufwands, werden keineswegs von allen qualifizierten Erwerbstätigen erreicht.

Dies ist allerdings keinerlei Erklärung, sondern ein klassischer Zirkelschluss, denn wie wir eben sahen, ist genau andersherum dieses Human Capital gerade durch die Höhe dieser Einkommen bestimmt, die es hier erklären soll, und davon unabhängig überhaupt nicht zu bestimmen. Auch die in der „Human Capital Investitionsrechnung“ nach Davenport (Sass: 41) genannten Faktoren ermöglichen keine solche Bestimmung.Als Legitimationsideologie wird diese angebliche Erklärung allerdings gerne aufgegriffen.

Selbstverständlich ist trotzdem etwas Wahres an diesen Modellen, reflektieren sie reale Bedingungen und Prozesse. Zum Einen ist ein qualifiziertes Arbeitskräftepotential selbstverständlich eine wichtige Bedingung für hochproduktive Produktion. Aber es geht immer um gesellschaftliche Produktion und Produktivität und es ist nur eine Bedingung, und sie ist nicht individualisierbar und nicht wie oben dargestellt als „Human Capital“ quantifizierbar. Auch das Anlagevermögen einer Volkwirtschaft wird ja in keiner seriösen Statistik in Höhe seines Shareholder Value oder fiktiven Kapitalwerts ausgewiesen, sondern ausgehend von den Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungspreisen.

Zum Anderen haben die von Sass dargestellten Faktoren und Anforderungen an die Träger des „Human Capital“ sowie angemessene Formen des Managements und der Betriebsorganisation tatsächlich große Bedeutung dafür, ob diese Person oder der Betrieb in der Lage ist, unter den gegebenen Bedingungen besonders hohe Einkommen oder Erträge zu erzielen oder ob ihnen das nicht gelingt und sie ggf. sogar in der Pleite enden. Aber es geht hier um Mechanismen, die zu einer extrem ungleichen Aneignung gesellschaftlich produzierter Werte führen, nicht um die Produktion besonders hoher Werte.

Anders gesagt: Dort wird über den im Betrieb selbst produzierten Mehrwert hinaus Extramehrwert angeeignet, zu Lasten anderer Bereiche der Wirtschaft und der dort Arbeitenden. Auch Sass sagt zurecht: „Das Ganze ist ein beispielloser Raubzug“ (Sass 45). Allerdings erleben wir nicht nur und primär einen Raubzug zu Lasten der Profite anderer Firmen, sondern v.a. auch zu Lasten der Arbeitenden bzw. der ArbeiterInnenklasse. Denn dass zugleich die Profite insgesamt gestiegen sind, liegt nicht an höherer Wertschöpfung durch verstärkte Nutzung immaterieller Produkte und Produktion, sondern an der vom Kapital auf Basis der ungünstigen Kräfteverhältnisse in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit durchgesetzten Umverteilung zu Lasten der Löhne bzw. steigenden Mehrwertrate.

Und in dem Maße, wie hier tätige „Knowledge Worker“ übermäßig hohe Einkommen erzielen, auch wenn sie als Angestellte tätig sind und dies aufgrund ihrer besonderen Bedeutung oder „Produktivität“ für den Betrieb durchsetzen können, oder als kleine Selbständige, die keine oder nur wenige Lohnabhängige beschäftigen, sind ihre Einkommen Bestandteile solchen Extramehrwerts, beruhen also auf Ausbeutung. Das ist kein moralischer Vorwurf, aber es es sollte analytisch klar sein, weil es Konsequenzen für die Verallgemeinerungsfähigkeit der damit zusammenhängenden Interessen und für die Strategie hat.

Informationsrenten

Es geht nicht nur um den in allen kapitalistischen Wirtschaftszweigen üblichen Extraprofit, den sich die produktiveren oder qualitativ besseren Produkte herstellenden Betriebe zu Lasten ihrer Konkurrenten aneignen können. Dieser Prozess treibt die Produktivkraftentwicklung voran und ist insoweit gerechtfertigt, und durch das Nachziehen oder Überholen der Konkurrenz sind diese Extraprofite immer wieder gefährdet. Es geht auch nicht nur darum, dass aufgrund des raschen Wachstums in dieser Branche das Produktionspotential und insbesondere das Potential qualifizierter Arbeitskräfte gegenüber der wachsenden Nachfrage knapp ist und deshalb die Profitraten und die Einkommen hier überdurchschnittlich sind. Auch diese Situation ist zeitlich begrenzt, und danach werden sich die Löhne hier denen für qualifizierte Arbeitskraft in anderen Bereichen tendenziell angleichen, bei Überangebot vielleicht sogar darunter fallen. Es gibt aber einen spezifischen, in dieser Form nur für Informationsprodukte zutreffenden Grund dafür, dass in diesem Sektor erfolgreiche Unternehmen dauerhaft überdurchschnittliche bis exorbitante Profite erzielen können, von denen dann auch die für diese spezifischen Produkte individuell wichtigen Personen (seien es z.B. Musik- und Filmkünstler oder „Programmierkünstler“) durch exorbitante Einkommen profitieren können.

Als Informationsprodukte betrachte ich hier z.B. Software, Texte, Musik, Filme, Erfindungen, Design und andere Ideen usw., also Produkte, die wesentlich Resultate geistiger Arbeit sind und deren Vervielfältigung und Verbreitung nur relativ geringe bis nahezu gar keine Kosten verursacht. Die wesentlichen Kosten fallen bei der Entwicklung bzw. ursprünglichen Produktion an, hier ist erheblicher Kapitalvorschuss notwendig, der heute häufig über die Börse oder andere Kapitalanlagemodelle von vermögenden Privathaushalten eingesammelt wird. Wenn das Produkt kein Erfolg wird, kann dieser Einsatz verlorengehen. Wenn das Produkt aber ein Erfolg wird und der „break even point“, also die für die Kostendeckung notwendige verkaufte Auflage bzw. Nutzung überschritten wird, dann ist es fast so gut wie eine Lizenz zum Gelddrucken, weil mit jeder zusätzlich verkauften Kopie oder Lizenz ein Vielfaches von Einnahmen gegenüber den zusätzlichen Kosten entsteht. Der ökonomischen Form nach handelt es sich dabei nicht um gewerbliche Profite, sondern um Renten, Informationsrenten.

Marx hat die Grundrente analysiert, die sich die Eigentümer knapper, nicht beliebig produzierbarer Produktionbedingungen wie Ackerboden, Rohstoffquellen, Infrastruktureinrichtungen usw. aneignen. Die produzierenden Betriebe sind auf die Nutzung dieser Produktionsbedingungen angewiesen, können andererseits mittels dieser Nutzung überdurchschnittliche Profite erzielen. Soweit die Kapitalisten der Produktionsbetriebe und die Eigentümer dieser Produktionsbedingungen nicht identisch sind, fließt letzteren die Differenz zwischen diesem überdurchschnittlichen und dem normalen Profit als Rente, konkret als Pacht oder irgendeine andere Form von Nutzungsentgelt zu. Da sie auf einer monopolistischen Position beruhen, unterliegen diese Renteneinkommen nicht dem Ausgleich der Profitraten, sondern können dauerhaft und in großer Höhe bestehen.

Informationskapitalismus und moderner Imperialismus

Nun könnte man meinen, dass Informationsprodukte ganz im Gegensatz dazu doch gerade keine knappen Produktionsbedingungen, sondern beliebig und extrem billig zu vervielfältigen sind. Technisch gesehen ist das richtig, und das ist die Basis für die Verbreitung von „Raubkopien“, „Markenpiraterie“ usw. Aber gesellschaftlich ist es nicht so, sondern die Informationsprodukte sind als kapitalistisches Eigentum produziert worden. Das Eigentumsrecht bezieht sich auf das ideelle Produkt, die Urheberschaft der Idee bzw. des ursprünglichen Produkts, das den folgenden Kopien oder Anwendungen zugrunde liegt. Als solches ist es ein Monopol, und damit eine potenzielle Basis für Renteneinkommen. Dieses Eigentum soll möglichst hoch verwertet werden, indem möglichst nicht nur ein Rücklauf der Kosten oder normaler Profit erzielt wird, sondern darüber hinausgehende Informationsrenten.

Das Hauptinteresse des Informationskapitalismus besteht daher darin, die technisch mögliche billige Verbreitung und Nutzung von Informationsprodukten zu verhindern. Dabei kann es, im Softwarebereich oder bei Handys z.B., durchaus sinnvoll sein, bestimmte Produkte sogar kostenlos zu verbreiten, aber nur, um damit die Basis für die möglichst massenhafte Nutzung darauf aufbauender Dienste oder Informationsprodukte zu schaffen. Die zentrale ökonomische Triebkraft der Informationsökonomie ist die Aneignung möglichst hoher Informationsrenten. Das gilt bis hinunter zu den „Start-ups“ und den einzelnen Unternehmensgründern in diesem Bereich, denn davon träumen sie doch fast alle: jetzt reinklotzen und mit einem Produkt ganz vorne sein, und dann Geld scheffeln ohne Ende.

Dabei ist dann die Qualität des Produkts letztlich nicht mehr entscheidend, sondern ob es gelungen ist, eine möglichst starke, am besten nahezu monopolistische Position auf dem entsprechenden Markt aufzubauen. Dabei führt die Natur solcher Informationsprodukte tendenziell zu einer Verfestigung monopolistischer Positionen, weil der Gebrauchswert steigt, wenn es möglichst viele benutzen und damit diverse Transaktionskosten sinken. Musterbeispiel ist hier sicherlich Microsoft, deren Windows-Betriebssystem eher schlecht ist, aber weil es fast jede/r hat, es bei fast jedem neuen Computer dabei ist und dafür die meisten Anwendungsprogramme existieren, verdient sich MS mit seinen Programmen dumm und dämlich, weil sie weltweit in gigantischen Auflagen verkauft werden. Um diese Stellung zu halten und auszunutzen, werden alle möglichen technischen und geschäftlichen Tricks eingesetzt.

Die Gier nach globalen Informationsrenten ist auch eine zentrale Triebkraft des modernen Imperialismus und eine Hauptmotivation der massiven Bemühungen der entwickelten Staaten und insbesondere der USA, im Rahmen der WTO weltweit ihr Konzept der „Intellectual PropertyRights“ (IPR) durchzusetzen (vgl. Verzola 1).

Cyberlords

Betrachtet man nun die sich im Sektor der Informationsökonomie darstellende Klassenstruktur, kann man die Eigentümer intellektueller Eigentumsrechte (Software- und Medienunternehmen, aber auch Patentinhaber im Bereich der Pharmazie, Biotechnologie etc.), die Eigentümer der zur Produktion oder Verbreitung der Informationsprodukte nötigen Infrastruktur (z.B. des Internet), und die privilegierten KünstlerInnen, besonders herausragenden Text- oder SoftwareautorInnen, Staranwälte etc., die sich Informationsrenten aneignen und so übermäßige Profite oder Einkommen erzielen können, als die Rentiersklasse der Informationsökonomie bezeichnen. Der philippinische Autor Roberto Verzola hat dafür aus den Wörtern „Cyberspace“ und „Landlord“ die Bezeichnung „Cyberlord“ konstruiert.1 Diese „Cyberlords“ sind ein immer wichtiger werdender Teil der herrschenden Klasse in den entwickelten Ländern, in den USA vielleicht schon der dominante Teil.

Die überwältigende Mehrheit der von Fiete Sass beschriebenen „Knowledge Worker“ gehört nicht zu diesen „Cyberlords“, sondern zu den von Verzola so bezeichneten „Intellectuals“, die überwiegend von Einkommen aus ihrer Arbeit leben.

„Knowledge Worker Orientierung“

Wie kann unter diesen Bedingungen die von Sass zurecht angemahnte „Knowledge Worker Orientierung“ der Gewerkschaften (und der Linken) aussehen? Zunächst geht es sicher um sozialen Schutz derjenigen überwiegenden Mehrzahl der intellektuell Arbeitenden, die keineswegs Millionäre oder auf dem Weg dahin sind. Sie leiden zunehmend unter wachsendem Stress und sozialer Unsicherheit, gerade auch wenn sie selbständig tätig sind. Die IG Medien hat große und international beispielhafte Erfolge bei der für Gewerkschaften traditionell kaum vorstellbaren Organisierung von solchen „Freien“. Dabei geht es selbstverständlich auch um angemessene Entgelte. Der Maßstab gewerkschaftlicher Aktivität kann dabei aber auch weiterhin nur in einem ausgewogenen Verhältnis von Leistungsprinzip und Solidarität bestehen, nicht darin, privilegierte Gruppen bei der Aneignung möglichst hoher Informationsrenten zu unterstützen.

Der zentrale Ausgangspunkt linker und gewerkschaftlicher Herangehensweise ist m.E., dass auch in diesem Sektor Menschen tätig sind, für die die Anwendung der eigenen Arbeitskraft nicht nur Verwertung ihres „Human Capital“ ist, sondern zugleich Lebenstätigkeit, Verwendung der eigenen Lebenszeit. Und als Menschen und in Bezug auf ihre Zeit und Tätigkeit haben sie auch und v.a andere, menschliche Bedürfnisse, sind sie nicht nur sozusagen, um einen Begriff von Marx aufzugreifen, „Charaktermasken“ ihres eigenen „Human Capital“. Sie haben z.B. Bedürfnisse an angenehmer und kollegialer Arbeit, selbstbestimmter und kürzerer Arbeitszeit und qualitativ guter Arbeit statt ständiger Hetze von einem Projekt zum nächsten. Sie haben sogar moralische Bedürfnisse und gesellschaftliche Wertorientierungen auf Solidarität und Gerechtigkeit und sie haben Möglichkeiten, diese betrieblich und gesellschaftlich geltend zu machen.

Solche Prozesse voranzubringen und zu fördern, durch Regulierung und soziale Gestaltung andere Kriterien einzubringen als möglichst hohe Produktivität im Wirtschaftskrieg, das ist die Aufgabe von Gewerkschaften und Linken. Diejenigen in der Informationswirtschaft Tätigen, die dort diese Bedürfnisse artikulieren, sich kritisch mit neuen Managementmethoden auseinandersetzen und Kommunikation darüber unter den Beschäftigten organisieren, das sind die Pioniere in diesem Bereich (vgl. etwa Pickshaus u.a.).

Mal zugespitzt und ohne die praktischen Schwierigkeiten unter den momentan Bedingungen leugnen zu wollen: Ob und inwieweit die zeitlichen Anforderungen an solche Jobs mit Regelarbeitszeiten vereinbar sind, hat wenig mit dem grundsätzlichen Charakter von Informationsarbeit zu tun, sondern mit den heute hier üblichen und durchaus veränderbaren Konkurrenz- und Arbeitsbedingungen. Rein technisch gesehen ist Informationsarbeit problemloser als irgend eine andere Arbeit unterbrechbar. Ob den Einkommen in der Informationswirtschaft das Leistungsprinzip und soziale Kriterien zugrunde liegen oder ob die Ungleichheiten immer größer werden, hat nichts mit den besonderen dort herrschenden Qualifikationsanforderungen an die Arbeit zu tun, sondern mit den sozialen Bedingungen ihrer Anwendung und der Verteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung.

Ob eine Gesellschaft diese wachsenden Ungleichheiten zulässt oder dagegen anreguliert, ist wiederum gesellschaftlich und nicht technisch bestimmt. Es ist z.B. eine Frage der Tarifpolitik und des Arbeitsrechts, des Urheberrechts, der Sozialpolitik und des Steuersystems. Auch ein qualitativ hochstehendes und auf Chancengleichheit (also Abbau statt Hinnahme vorgegebener Ungleichheiten) ausgerichtetes Bildungswesen und die Förderung ständiger Weiterqualifizierungsmöglichkeiten ist wichtig. Nur sollte man sich nichts vormachen: man wird die ungleiche Verteilung von „Human Capital“ nicht mit besserer Bildungspolitik in den Griff bekommen, denn die Ungleichheit der erzielbaren Einkommen ist ja wie dargestellt kein Ausdruck irgendwie objektivierbarer individueller Leistungsbeiträge oder angeeigneter Bildung. Wenn man die soziale Ungleichheit begrenzen will, muss man dies direkt mit den genannten Instrumenten angehen, es wird kein automatisches Resultat besserer Bildung sein.

Informationsökonomie und Sozialismus

Gerade im Bereich der spw ist ja gelegentlich von „Modernem Sozialismus“ die Rede in dem Sinne, wie Friedrich Engels ihn in Abgrenzung vom utopischen Sozialismus definiert hat, nämlich in den Veränderungen der Produktivkräfte und der Ökonomie die Ausgangspunkte und Widersprüche zu suchen, die auf ihre mögliche sozialistische Überwindung verweisen. Das ist etwas anderes, als schlicht die modernsten Elemente des Kapitalismus schon deswegen als potenziell sozialistisch zu betrachten, weil sie eben besonders modern sind. Sozialismus erfordert immer noch eine Umwälzung der Produktions- und Aneignungsweise, also nicht weniger als eine soziale Revolution, was sicher nur als langwieriger Prozess begriffen werden kann.

In Bezug auf die Informationsökonomie liegt ein zentraler Widerspruch zwischen der Möglichkeit, Informationen universell und praktisch kostenlos zur Verfügung zu stellen einerseits, und der Einschränkung dieser Möglichkeit und damit der Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums sowie der Aneignung erheblicher Teile des gesellschaftlich produzierten Reichtums durch die Monopolisierung intellektueller Eigentumsrechte andererseits. Die daraus resultierenden Interessengegensätze zwischen den Eigentümern dieser Rechte auf der einen Seite und der breiten Masse sowohl der Informationsnutzer als auch der intellektuell Arbeitenden sowie der Entwicklungsländer, deren Abstand hier noch viel größer und unaufholbarer ist als in allen anderen Bereichen, auf der anderen Seite, kann eine zentrale Triebkraft zukünftiger Auseinandersetzungen sein.

Bisher erfüllt der Informationskapitalismus seine „historische Mission“, zum Zwecke der Aneignung von Informationsrenten in gewaltigem Tempo die informationstechnische Erschließung und Durchdringung der Welt voranzutreiben. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist die fortschreitende Privatisierung und Kapitalisierung der Medienwirtschaft und -infrastruktur bis hin zum Bildungswesen sowie Polarisierung der Einkommen und Vermögen. Auf die Dauer ist dieser Privatisierungs- und Polarisierungsprozess aus der Perspektive der Gesellschaften bzw. ihrer überwiegenden Mehrheit kontraproduktiv und sozial zerstörerisch, führt zur Einschränkung von Entwicklungsmöglichkeiten, kultureller Vielfalt und Demokratie.