von Alexander Recht
Das Ziel der cubanischen Regierung ist es, für eine Wirtschaft ein sozialistisch orientiertes Entwicklungsmodell zu gestalten.
So weit – so gut, aber: Wie sieht denn ein solches Modell aus? Bis 1989 konzentrierte sich Cuba auf die Produktion von Zucker für den Export in die sowjetischen Partnerländer. So konnten noch 1989 50% der Binnennachfrage mit den aus dem Zuckerexport zurückfließenden Devisenbeständen finanziert werden. Diese Fixierung auf Zucker war aber mit dem hohen Risiko eines großen Exporteinbruchs verbunden, falls die Käufer der Zuckerexporte es sich anders überlegten. Dieses Risiko schlug 1989 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der ihr angebundenen Länder erbarmungslos zu: Cuba stand vor einer ökonomischen Katastrophe.
Katastrophen zwingen zum Umdenken. Doch die große Frage lautet: wohin? Gleich mehrere ökonomische Fragen drängen sich nicht nur auf, sondern sind auch derart schwierig, dass sich einfache Antworten, wie man sie oftmals aus bürgerlichen westlichen Kreisen hört, definitiv verbieten. Da ist zum Beispiel die Frage, was denn nun exportiert werden solle. Sicher: Die Fixierung auf Zucker kann es nicht mehr sein. Aber was stattdessen? „Diversifizieren!“ sagten manche. Gesagt, getan: Cuba hat seine Exportstruktur umgestellt auf Tourismus, Nickelförderung, Photovoltaik und Biotechnologie, um weiter Devisen beziehen zu können. Aber trotz Neuausrichtung bleiben Nachteile. Die Abhängigkeit vom Weltmarkt macht unsicher: Die Höhe des Wechselkurses, der Absatz auf weit entfernt liegenden Märkten bei Konkurrenz – kaum kontrollierbare Aspekte. Und wenn der Absatz sinkt, droht Arbeitslosigkeit und Armut.
Zudem bedeutet der Einsatz der heimischen Produktionsfaktoren für den Export, dass Investitions- und Konsumgüter importiert werden müssen. Das Problem Cubas ist, dass die Exporte kleiner sind als die Importe. Möglich ist die Finanzierung dieses Defizits nur über Kredite. Doch Kredite müssen getilgt werden; mehr und mehr Kredite sind unmöglich in einem Entwicklungsland, weil der Schuldenberg wächst. Fazit: Ohne Weltmarkt geht es nicht, aber mit gibt es auch Probleme. Das Problem will mal gelöst sein!
Manche formulieren als Alternative: „Binnenmarkt stärken, um weniger abhängig zu sein!“ Nicht falsch, diese Idee. Nur: Wie ihn stärken ohne Produktionsmittel aus dem Ausland, die die die Außenhandelsprobleme verschärfen. Was tun, wenn die inländische Nachfrage nicht durch ausreichende heimische Produktion bedient wird? Wenn das Angebot begrenzt ist, droht Inflation und Entstehung von kleinen Profiteuren mit Preismacht, worunter die Ärmsten leiden. Auch hier gilt: Einfach sind andere Probleme.
Schließlich schlagen manche vor, Privatinitiative von Genossenschaften zu fördern. Auch das klingt gut und hat vieles für sich, z.B. mehr Eigenverantwortung. Doch die mögliche Kehrseite dieses Vorschlags kann darin bestehen, dass Überschüsse privat angehäuft und nicht mehr produktiv eingesetzt werden. Auch produzieren private Einheiten weniger für den gesellschaftlichen Bedarf, sondern eher für den maximalen Absatz. Und wenn ein Käufer nicht zahlen kann, ist es je nach Privatunternehmung fraglich, ob dieser dann Güter erhält.
Auch der hiermit verbundene Vorschlag direkter Marktbeziehungen hat Vor- wie Nachteile. Gewiss: Überbordende Lenkung führt dazu, dass der Pizzabäcker, wenn er Mehl braucht, dieses erst bei der Zentralinstanz bestellen muss und es nicht beim Müller nebenan besorgen kann. Auch kann zu starre Planung bei der Bereitstellung eines auswahlfähigen Angebots daneben liegen. Aber: Dezentrale Marktproduktion unterliegt noch stärker der Gefahr der Überproduktion. Und wenn das Angebot nicht reicht, steigt der Preis, was manche Käufer ausschließt. Einfache Lösung: auch hier Fehlanzeige.
Kommen wir zur Dollarisierung. Viele sagten: „So muss es sein!“ Nun gibt es sie. Unbestritten: Der galoppierenden Inflation konnte so begegnet werden, und auch die Attraktivität für ausländische private Investoren wurde gesteigert. Aber der Preis ist hoch: Ein Devisensegment teilt die Gesellschaft in Begünstigte, die dort arbeiten oder über Verwandte mit Dollarbeständen im Ausland verfügen, und in Verlierer, die weder dort arbeiten noch solche Verwandte kennen.
Diese Zeilen konnten weder erschöpfend Probleme benennen, geschweige denn perfekte Lösungen präsentieren. Sie sollen vielmehr zeigen, dass die Lage alles andere als einfach ist und deswegen unabhängig vom politischen System hohe, nur schwer zu bewältigende Herausforderungen stellt. Cuba braucht den Sozialismus, und wir wollen es darin unterstützen. Doch wie ein solcher aussehen soll, diese schwere Antwort gilt es permanent weiterzuentwickeln – in Cuba wie auch bei uns.