Einladung
zur Mitgliederversammlung des Kulturvereins
Rainer Rilling (Marburg)
spricht über „I n t e r n e t u n d P o l i t i k „
am Mittwoch, den 10. März 1999, ab 19.30 Uhr im SPD-Parteihaus (Albertusstr. 40-46, Köln, U-Bahn Haltestelle „Friesenplatz“) Die Versammlung ist öffentlich und wird von den Jusos Mittelrhein unterstützt.
Alle Welt spricht bis an den Rand der Erschöpfung von Internet, Netzwerk, Cyberspace, Online, Multimedia, Surfen usw. Und jeder, der schon mal ein Modem eingesteckt hat, glaubt, er sei Teil einer medialen Revolution. Zumal theoretisch interessierte Linke fragen zunehmend, wo sich hinter all dem Wortgeklingel die Substanz verbirgt.
Den Kern der gegenwärtigen Entwicklung könnte man als computergestützte Vernetzung beliebiger Daten über beliebige Entfernungen definieren. Einige kurze Überlegungen dazu:
Computer als universelles Arbeitsgerät.
Mit der gleichen Hardware können nahezu beliebige Aufgaben bewältigt werden. Die Vernetzung von Information schafft gewaltige Rationalisierungspotentiale.
Industrialisierung von Dienstleistung
Mit Hilfe von Computern und entsprechender Software lassen sich klassische Dienstleistungen (insb. Beratung und Finanzdienstleistung, Bestellung, Einkauf etc.) in kleine Arbeitsschritte zerlegen, die auch von angelerntem und kurzfristig auswechselbarem Personal durchgeführt werden können. In Zukunft könnten zahlreiche Standardtätigkeiten auch gänzlich automatisiert werden (Voice-Response-Systeme).
Freiheit des Netzes vs. Konzentration
Das Internet besteht genau genommen aus einer Mehrzahl an Netzen, die von großen Firmen und öffentlichen Einrichtungen (Universitäten) betrieben werden. Darunter gibt es eine große Zahl kleinerer Netze und Firmen. So entsteht für den Betrachter der Eindruck einer umfassenden Universalität und Freiheit. Welche Auswirkungen die bereits jetzt zu beobachtenden Konzentrationsprozesse haben werden ist noch nicht abzusehen.
Meinungsfreiheit und Überwachung
Die landläufige Meinung geht davon aus, daß im Internet eine Freizügigkeit herrscht, die manchen schon zu weit geht. Auch wenn eine totale Überwachung des Internets schwierig sein dürfte kann nicht übersehen werden, daß durch staatliche Überwachungswünsche, aber auch durch die angesprochenen Konzentrationsprozesses eine Überwachung zumindest einer breiten Mehrheit der Bevölkerung möglich werden kann.
Zugangsbeschränkungen
Obwohl Computer inzwischen neben der „Quengelware“ an der Supermarktkasse stehen, bleibt neben dem finanziellen Hindernis das Problem einer qualifizierten Nutzung der neuen Technologien, wobei qualifiziert mehr meint als die optimale Handhabung der Maus. Der selbständige Umgang mit dem Universalwerkzeug Computer/Internet, der über eine Steigerung der eigenen Marktverwertbarkeit hinausgeht, ist noch wenig verbreitet.
Klassische Medien und Internet
Medien spielen eine wichtige Rolle bei der politischen Meinungs- und Willensbildung, das scheint evident. Im Internet gibt es im Gegensatz zu den klassischen Medien (Zeitung, Radio, Fernsehen) zwar kein rein einseitiges Sender- und Empfängerverhältnis. Doch auch im Netz kann Aufmerksamkeit und Bedeutung durch klassischen Kapitaleinsatz erreicht werden.
In Zukunft: Öffentlich-rechtliches Internet?
Im Internet reproduziert sich grob gesagt die normale kapitalistische Gesellschaft – mit einer gewissen Verzögerung – und läßt Blütenträume von der großen Freiheit und Ungebundenheit des Netzes zerstäuben. Solange Politik im Netz nur unter der Rubrik Unterhaltung vorkommt wird sich daran auch nichts ändern.
Neben weiterer Theoriebildung und Nutzung des Netzes für die politische Arbeit bleibt es für die Linke unverzichtbar auf öffentlich-rechtliche Elemente im Netz zu drängen, was sowohl den Zugang, Angebot und Qualifizierung betrifft.
Über solche und andere Fragen wollen wir am 10. März mit Rainer Rilling sprechen.