von HANS GÜNTER BELL
Karstadt, Opel und VW sind nur die aktuellsten Beispiele für die Verschärfung der Klassenkämpfe in Deutschland. Doch während „von oben“ Druck gemacht wird und der Klassenkompromiss des „rheinischen Kapitalismus“ aufgekündigt ist, nehmen die arbeitenden Klassen diese Kampfansage weitgehend widerstandslos hin. Es braucht nicht einmal ein „objektives Gesamtinteresse“ (Abendroth) der arbeitenden Klassen an der Umformung einer durch Herrschaftsstrukturen bestimmten Klassengesellschaft in eine an der Gleichberechtigung aller Gesellschaftsmitglieder orientierten klassenlosen Gesellschaft unterstellt zu werden, um angesichts ihrer Lethargie verwundert zu sein. Reicht es nicht schon aus, zu unterstellen, dass ein massiver Angriffs auf das Niveau der eigenen Lebensführung heftige Proteste der Angegriffenen auslösen müsste? Was sind die Gründe für diese erstaunliche Passivität der arbeitenden Klassen?
Das „Sozialistische Forum Rheinland“ wird im kommenden Jahr dieser und anderen Fragen aus dem Bereich der (marxistischen) Klassentheorie nachgehen. Auf Veranstaltungen verschiedener Art wollen wir auch diskutieren, ob sich abzeichnet, dass die arbeitenden Klassen ihre Passivität überwinden und sich aktiv gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zur Wehr setzen, sich also als Arbeiterklasse formieren?
Dabei ist zu beachten, dass selbst die marxistische Tradition unterschiedliche Klassenbegriffe hervorgebracht hat. Angefangen bei Karl Marx selbst, in dessen Schriften man zwei Verwendungsweisen des Klassenbegriffs unterscheiden muss: das abstrakte Modell des „Kapital“ und die konkreten historischen Beschreibungen z.B. im „18. Brumaire des Louis Bonaparte“, bis zu aktuelleren Überlegungen u.a. von Erik Olin Wright, Michael Vester oder Max Koch.
Während über Jahre hinweg landauf, landab die gleichen Parolen zu hören waren: die Arbeiterklasse sei verschwunden, man lebe in einer Gesellschaft „jenseits von Klasse und Schicht“, die ehemaligen Arbeiter seinen „verbürgerlicht“, stößt man mittlerweile immer öfter auf politische und soziologische Untersuchungen, die sich erkenntnisreich und gewinnbringend mit den bereits Totgesagten beschäftigen. Und siehe da: Sie sind lebendiger als gedacht!
Veranstaltungen
Vom 17. bis 19. Juni 2005 werden wir in der Katholischen Jugendakademie Walberberg (Bornheim) ein Wochenendseminar durchführen. Seine thematischen Schwerpunkte werden sein:
Historische Entwicklung der Klassen
Klassenstrukturen – Klassenbewusstsein – Klassenkämpfe
„Jenseits von Stand und Klasse“ (Ulrich Beck)
Aktuelle Kämpfe: Opel, Montagsdemos etc.
Im Herbst werden wir gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW und der „Zeitschrift für marxistische Erneuerung – Z.“ eine Tagung zur aktuellen soziologischen Debatte über Klassen durchführen. Als Teilnehmer konnten wir bereits Ben Dittrich (Hamburg) und Olaf Groh-Samberg (Münster) gewinnen.
In den Themenbereich gehört auch der geplante Theoriekreis zum „Schlüsselwort ‚Reform’ in der politischen Sprache der BRD“, spielt doch die Fähigkeit, Begriffe im öffentlichen Bewusstsein zu besetzen bzw. deren Inhalte zu verkehren, zu einem wichtigen Aspekt hegemonialer Herrschaft und trägt zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Systems bei.
Die Veranstaltungen richten sich an alle Interessierten. Einzelheiten sind frühzeitig auf unserer Homepage nachzulesen und werden per Rundschreiben/Mail bekannt gegeben.