Entfremdung in der Arbeit – was heißt das heute?

Am 23.10.03 fand ein Treffen des Kölner Juso-AKs „Society 21“ statt, das sich mit dem Thema „(Erwerbs-)Arbeit und Entfremdung“ beschäftigte. Die Teilnehmer gingen diesmal der Frage nach, inwiefern die Menschen heute entfremdenden Strukturen ausgesetzt sind und welche Möglichkeiten bestehen, diese Strukturen aufzuheben. Zu diesem Zwecke wurde ein Text von Manfred Baum aus der Zeitschrift „Z“ gelesen und diskutiert, der sich dem Freiheits- und Entfremdungsbegriff bei Marx widmete.

Darin, dass Entfremdung auch heute noch das Leben der Arbeitenden prägt, waren sich alle einig: Ob der Mensch erwerbstätig sein kann oder nicht, darauf hat er kaum Einfluss. Dazu kommt, dass seinen Möglichkeiten, ein Arbeitsprodukt integral zu planen und zu produzieren, in der arbeitsteiligen Ökonomie des Kapitalismus Grenzen gesetzt sind. Auch die Fähigkeit des Menschen, universell Produkte und Dienstleistungen zu erschaffen, kann durch die berufliche Spezialisierung nur eingeschränkt umgesetzt werden.

Diskutiert wurde dann, ob eine sozialistische Gesellschaft den Menschen Integralität und Universalität ermöglichen kann. Dass gesellschaftliche Verfügung über das Eigentum an Produktionsmitteln, verbunden mit Mitbestimmung der Arbeitenden und der KonsumentInnen, Entfremdung teilweise aufhebt, war klar. Aber wie steht es um die komplette Aufhebung von Arbeitsteilung und Spezialisierung? Marx selber geht von einer kompletten Aufhebung von Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht aus und schließt derartige Freiheitsgrade in einer industrialisierten, auf Technologie gründenden Gesellschaft aus. Ein „Reich der Notwendigkeit“ muss für Marx also bleiben – eine Einschätzung, der sich die Teilnehmenden anschließen konnten.

Allerdings sorgt eben jene technologische Entwicklung für eine enorme Steigerung der Produktivität, die die Basis für eine mögliche Verkürzung der Arbeitszeit des Reichs der Notwendigkeit setzt. Auch gibt Technik dem Menschen Möglichkeiten an die Hand, seinen Bedarf nach Integralität und Universalität zu füllen. Intellektuell genutzte Zeit in der Freizeit – das ist für Marx das „Reich der Freiheit“.

Die TeilnehmerInnen diskutierten darüber, dass im Kapitalismus Produktivitätssteigerungen kaum zur Verkürzung der Arbeitszeit eingesetzt werden. Auch wurde angesprochen, dass intellektuelle Arbeit noch längst nicht allen Menschen offen steht und die Menschen momentan noch Schwierigkeiten haben, die ihnen kulturellen Möglichkeiten zu nutzen. Kurzum: Es gab und gibt noch viel zu diskutieren. Dies wird der Arbeitskreis auf seinen Veranstaltung zum Thema „Schöne neue Arbeitswelt?“ auch weiter tun.

Alexander Recht