New Labour

Auch wenn man Schröder nicht gleich Tony nennen sollte: die Hinweise verdichten sich, dass Gerhard Schröder und Tony Blair mehr gemeinsam haben, als linke SozialdemokratInnen für gut halten können. Daher kann ein Blick auf die Politik New Labours in England nicht schaden, um Tendenzen für die zukünftige Politik in Europa zu erkennen.

Die Vereinbarung, auf wirtschaftlichem Terrain eng mit Deutschland zu kooperieren, hat in Grossbritannien für viel Aufregung gesorgt, weil der Einfluss Oskar Lafontaines gefürchtet wird. Blair will einen „Kapitalismus mit Gewissen“, sein „Dritter Weg“ ist weit entfernt von einem wahren Politikwechsel. Er setzt auf gute Bilder, auf positive Impressionen. Dabei achtet er nicht so sehr auf seine Partei, sondern auf die Öffentlichkeit. Sein oberster Wunsch ist es, „everybody’s darling“ zu sein, nicht so sehr, gehaltvolle sozialdemokratische Konzepte zu verwirklichen. Dieser „Dritte Weg“ zwischen sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat und neoliberalem Nachtwächterstaat hat ihm zwar den Wahlsieg eingebracht, der Partei jedoch nicht zu neuen Konzepten verholfen. Bis heute ist unklar, ob New Labour einen Entwurf für die Zukunft hat oder sich bloss hinter Begriffen verschanzt und versucht, jedeN Britin/Brite mit unzusammenhängenden Entscheidungen zufriedenzustellen.

Pinochet

Auch die spektakuläre Verhaftung des ehemaligen chilenischen Diktators Pinochets ist in diesem Licht zu sehen. Es ist anzunehmen, dass sich die Labour-Regierung der Aufregung um die Verhaftung nicht bewusst gewesen ist, schließlich kam der Auslieferungsantrag aus Spanien. Die Entscheidung, ob Pinochet überhaupt ausgeliefert werden darf, beschäftigt nun zum zweiten Mal das House of Lords.

Der Imageschaden für New Labour dürfte im Falle einer Nichtauslieferung gross sein. Zwar hat sich (aus diesem Grund?) Premier Blair noch nicht allzu sehr in die Sache reingehängt, doch was bleibt von der versprochenen „neuen moralischen Außenpolitik“, nachdem Großbritannien schon bei der Bombardierung des Irak alleine neben den USA stand? Selbst wenn die große Mehrheit der EngländerInnen hinter ihm steht: das Bild, daß Clinton entscheidet und Blair mitmacht, um Europa und England zu zeigen, daß die „special relationship“ mit den USA noch aktuell ist, gewinnt an Gewicht. Jedenfalls waren die USA und England wieder versöhnt, nachdem Pinochet erste kritische Töne aus den USA hervorgerufen hatte: er solle doch in Chile vor Gericht, hat Außenministerin Albright (angeblich) gefordert.

Daß die USA kein Interesse haben kann, die Ereignisse des Jahres 1973 aufzuarbeiten, als der demokratisch gewählte Marxist Salvador Allende umgebracht wurde, ist klar, hatte doch der CIA die Finger im Spiel. Der damalige Sicherheitsberater von Präsident Nixon, Henry Kissinger, hatte mit den Worten „ich kann nicht einsehen, warum wir zusehen sollten, wie ein Land kommunistisch wird, weil das Volk unverantwortlich handelt“, die allem Demokratieverständnis Hohn sprechende Linie vorgegeben. Was der CIA wirklich verbrach, ist bis heute nicht völlig geklärt.

Eines aber ist klar: Der nach eigenem Bekunden „nicht verhandlungsfähige“ Pinochet wird sich nicht dem ultimativen Gesundheitscheck unterziehen, den die liberale Zeitung „Independent“ vorgeschlagen hat: Stülpt ihm eine Plastiktüte über den Kopf, um zu sehen, wie er lange er ohne Sauerstoff auskommt!

Livingston

Auch Ken Livingston, der den letzten Juso-Bundeskongress beehrte und der wohl der populärste linke Politiker Englands ist, steht immer wieder im Zentrum des öffentlichen Interesses. Grund: er will Bürgermeister von London werden, Blair will dies verhindern. Und wenn die Labour-Mitglieder von London ihn partout zum Kandidaten küren wollen, dann werden halt die Wahlregeln von der New-Labour-Führung geändert: Jeder kann sich bewerben, Nominierungen der Gliederungen in London werden nicht mehr benötigt und somit ist das wichtigste Mittel Livingstons zum Sammeln von innerparteilichen Stimmen einfach abgeschafft. Regeln sind halt auch in Grossbritannien nicht etwa ein Ausdruck eines bestimmten Verständnisses von Gerechtigkeit, sondern Ausfluß von Kräfteverhältnissen und Machtsicherung.

Christoph Vietzke

stellv. Vorsitzender der Jusos Mittelrhein, z.Zt. in Warwick (UK)