Einleitung
Eine eigene Wohnung zu haben ist notwendige Voraussetzung eines menschenwürdigen Lebens. Die Wohnungsnot ist also ein soziales Schlüsselproblem. Ohne eigene Wohnung zu sein, zieht für die Betroffenen erhebliche weitere Beeinträchtigungen nach sich. Ohne Wohnung keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld keine Wohnung – ein Teufelskreis.
Die Beseitigung von Wohnungsnot – und ihrer extremsten Erscheinung, der Obdachlosigkeit – ist daher einer der zentralen Aufträge des Sozialstaates und damit auch der kommunalen Sozialpolitik.
Forderungen
Hilfsangebote für Obdachlose
In Köln gibt es sowohl von der Stadt Köln selbst als auch von zahlreichen anderen Trägern vielfältige Hilfsangebote für Obdachlose. Auch in letzter Zeit sind weitere neue Angebote hinzugekommen. Diese Tatsache wird von uns JungsozialistInnen ausdrücklich begrüßt.
- Die Stadt Köln sollte auf diesem Weg weiter fortschreiten und die Hilfe für Obdachlose auch angesichts der angespannten Haushaltslage nicht einschränken, sondern dort wo es sachlich notwendig ist die Angebote erweitern.
Einrichtungen für unter 21jährige männliche Jugendliche
Die „Obdachlosenszene“ ist sehr vielfältig; manche Gruppen Obdachloser kommen mit anderen Gruppen Obdachloser nicht klar. Dies muß akzeptiert werden, wenn die Hilfe Erfolg haben soll. Ob Minderjährige oder ältere Obdachlose, ob Drogenabhängige, Punker oder minderjährige Flüchtlinge – jede dieser Gruppen hat unterschiedliche Probleme und Ansprüche, jede dieser Gruppen braucht unterschiedliche Hilfsangebote. Es ist daher richtig und notwendig, daß die Stadt Köln und die anderen Träger ein differenziertes Hilfsangebot bereithalten.
Wir haben jedoch festgestellt, daß es trotz allen Bemühungen kein ausreichendes Angebot für unter 21jährige männliche Jugendliche gibt, das ihnen tagsüber Hilfe bietet. Das Projekt „B.O.J.E.“ leistet hier wertvolle Arbeit, reicht jedoch nicht aus.
- Wir fordern, zusätzliche Angebote für unter 21jährige Obdachlose zu schaffen. Sie sollten möglichst niedrigschwellig sein, für Jungen und Mädchen offen sein und neben einem Beratungsangebot auch Möglichkeiten zum Duschen, Waschen, Essen, Ausruhen und sinnvoller Freizeitgestaltung bieten.
- Als erster Schritt sollten die Öffnungszeiten des „B.O.J.E.“-Busses am Hauptbahnhof verlängert und dieses Hilfsangebot auf sieben Tage in der Woche erweitert werden.
Das Mädchencafé „Mäc-Up“
Das Mädchencafé „Mäc Up“ ist eine Anlaufstelle für Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 14 und 27 Jahren, die sich vorwiegend auf der Straße und am Kölner Hauptbahnhof aufhalten. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist die aufsuchende Arbeit in der konkreten Lebenswelt der Mädchen und jungen Frauen (Straßensozialarbeit).
1995 war die Zahl der Besuche mit 1.390 die zweithöchste seit Bestehen der Einrichtung. Die verstärkte Präsenz von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten im Bahnhof und in dessen Umfeld erschwert jedoch die Arbeit. Insbesondere den minderjährigen, häufig als vermißt gemeldeten Besucherinnen war es über Monate hinweg nicht möglich, das „Mäc-Up“ regelmäßig aufzusuchen.
- Die Arbeit dieser Einrichtung sollte trotz der angespannten Finanzlage der Stadt Köln gesichert bleiben und dem steigenden Bedarf angepaßt werden.
Behinderung der Straßensozialarbeit am Hauptbahnhof
Die Berichte über die Behinderung der Straßensozialarbeit im Kölner Hauptbahnhof und dessen Umfeld häufen sich. Die Träger beklagen, daß die Sicherheitsdienste (Bundesgrenzschutz und Bahnschutzgesellschaft) willkürlich und ohne erkennbaren Anlaß Personenkontrollen bei jungen Nichtseßhaften durchführen. Die Folge hiervon ist, daß diese den Hauptbahnhof meiden und somit auch für die Hilfsangebote nicht mehr erreichbar sind.
Die Stadtverwaltung hat bereits versucht, das Bahnmanagement in das gesamtstädtische Nichtseßhaftenkonzept einzubeziehen. Bisher sind diese Versuche jedoch gescheitert. Dabei wäre diese Einbeziehung gerade jetzt, während des Umbaus des Hauptbahnhofs, besonders wichtig.
- Wir fordern das Bahnmangement auf, die Bedeutung des Hauptbahnhofs als Treffpunkt für Nichtseßhafte zu akzeptieren und die Straßensozialarbeit nicht länger zu behindern.
- Den Oberbürgermeister Norbert Burger bitten wir, in dieser Sache persönlich das Gespräch mit dem Bahnmangement zu suchen.
Aufhebung des Nutzungskonzeptes für die Domumgebung
Nicht nur im Bahnhof hat sich die Lage für Obdachlose verschlechtert, auch in der Umgebung des Doms weht seit kurzem ein rauherer Wind. Der Hauptausschuß des Rates der Stadt Köln hat im März 1997 ein „Nutzungskonzept Roncalliplatz, Domvorplatz und -umgebung“ beschlossen.
Seitdem sorgen Polizei und Bezirksamt durch verstärkte Kontrollen dafür, daß Obdachlose oder solche, die dafür gehalten werden, aus der Domumgebung vertrieben werden. Die in der Straßensozialarbeit tätigen Gruppen berichten von jugendlichen Obdachlosen, denen wiederholt willkürlich Platzverweise erteilt worden sind, und denen bei Mißachtung dieser Platzverweise Bußgeldbescheide über bis zu 1.000 DM ausgestellt worden sind.
Solche Bußgelder provozieren natürlich Diebstähle und Prostitution, denn wie sollen jugendliche Obdachlose sonst an solche Beträge kommen. Zudem erschweren sie die Straßensozialarbeit der Träger.
Dieses Nutzungskonzept verschärft die Lebenslage Obdachloser, löst letztlich kein Problem und setzt auf staatlichen Zwang wo Hilfe notwendig wäre.
- Wir fordern die unverzügliche Aufhebung des Nutzungskonzeptes für die Domumgebung.
Begründung
0. Vorbemerkung
In 1994 haben wir Kölner JungsozialistInnen ein Projekt „Gegen soziale Spaltung – Gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit“ durchgeführt; auf einer Delegiertenkonferenz im Mai 1994 ist ein Beschluß „Hilfe für Obdachlose“ gefaßt worden. Auf ihn weisen wir an dieser Stelle deshalb nochmals ausdrücklich hin, weil die Erläuterungen zu den Ursachen von Wohnungsnot und Obdachlosigkeit und der Lebenslage der Betroffenen nach wie vor zutreffen und sich das Nachlesen lohnt.
Unsere „Strategien gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit“ umfaßten damals sieben Forderungsbereiche: Den Aufbau einer aussagekräftigen Statistik über Wohnungsnot, Änderungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), die Verhinderung von Zwangsräumungen, die Unterstützung von Selbsthilfeprojekten, die Einrichtung einer Übernachtungsstelle für Frauen, die Hilfe für wohnungslose Jugendliche und einige Sofortmaßnahmen.
1. Ausmaß der Obdachlosigkeit – insbesondere Jugendlicher und junger Erwachsener
Einige Zahlen und Fakten:
- Anläßlich der deutschen Einheit vermeldeten im Oktober 1990 die Bundesarbeitsgemeinschaft Nichtseßhaftenhilfe und die Bundesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte insgesamt 1,5 Mio. Wohnungsnotfälle auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik, zu denen weitere 500.000 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gekommen sind.
- Aufgrund einer Befragung aller Einrichtungen der Nichtseßhaftenhilfe und über 200 Sozialämter in NRW wurde 1985 festgestellt, daß in NRW 1/3 der Hilfeanfragen von Personen unter 30 Jahren kamen. Davon sind etwa 1.700 unter 25 Jahren gewesen; dies hat einem Anteil von 5,7% entsprochen.
1990 kommt eine in Niedersachsen durchgeführte Untersuchung über alleinstehende Wohnungslose auf einen Anteil von 10,2% der 18-25jährigen. Dieser Anstieg von jungen Erwachsenen unter den Wohnungslosen ist von zahlreichen Beratungsstellen und sonstigen Einrichtungen bestätigt worden.
Wohnungspolitische Daten für Köln
(aus dem Bericht des Amtes für Wohnungswesen für 1995)
1990 1995 Veränderung
Haushalte 481.392 497.589 + 03 %
Wohnungen 473.149 493.885 + 04 %
Sozialwohnungen 105.929 84.815 – 20 %
öffentl. geförderte Neubau-
Wohneinheiten (Bewilligungen) 934 1.684 + 80 %
Die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum hat in den letzten Jahren weiter stark zugenommen. Mit dieser Verstärkung der Nachfrage geht jedoch eine Verringerung des Bestandes an Sozialwohnungen einher; von Anfang 1995 bis Ende 2000 werden in Köln die Bindungen von weiteren 20.188 öffentlich geförderten Wohnungen auslaufen.
- Obdachlosigkeit
Die Zahl der von akuter und latenter Obdachlosigkeit betroffenen AntragstellerInnen beim Wohnungsamt der Stadt Köln ist auf 2.269 gestiegen; gegenüber 1994 bedeutet dies eine Steigerung um 283 Personen.
- Ordnungsbehördliche Einweisungen
Die Stadt Köln hat in 707 Fällen eine Wiedereinweisung in die bislang bewohnte Wohnung vorgenommen, in 757 Fällen eine (Zwangs-)Einweisung in beschlagnahmte, leerstehende Wohnungen.
- Obdachloseneinrichtungen
Die städtischen Obdachloseneinrichtungen waren stark ausgelastet; am 30.06.1995 waren dort insgesamt 1.253 Parteien mit 3.768 Personen untergebracht.
- „KöBeS“ (Kölner-Betten-Service)
Bei dem Programm „KöBeS“ (Kölner-Betten-Service) handelt es sich um ein Notprogramm, „das jedem, der ohne Obdach ist, jederzeit ein Notbett anbietet“. Es war für den Winter 1993/94 von der Stadt Köln und Verbänden und Selbsthilfeorganisationen in der Obdachlosenhilfe ins Leben gerufen und nach Winterende weiterentwickelt und ganzjährig ausgedehnt worden. Im Jahr 1995 erfolgten 459 Anrufe bei „KöBeS“; überwiegen von nichtseßhaften Männern (34 %).
2. Ursachen der Obdachlosigkeit Jugendlicher und junger Erwachsener
Im Januar 1997 erreichte die Arbeitslosigkeit in Köln wieder einmal einen Höchststand: Beim Arbeitsamt waren über 59.000 Menschen als arbeitslos registriert. Die Arbeitslosenquote betrug damit 14,3 %. Dabei wird der Kölner Arbeitsmarkt durch den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente entlastet. Etwa 6.800 Personen, die in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt sind oder an einer Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme teilnehmen, wären ansonsten noch zusätzlich als arbeitslos registriert.
Knapp 6.300 Jugendliche unter 25 Jahren waren als arbeitslos registriert; darunter waren knapp 1.500 Jugendliche unter 20 Jahren. Die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 25 Jahren betrug 15,1 %; die der unter 20jährigen 16,5 %.
Daneben gibt es eine beträchtliche Zahl von jungen Erwachsenen, die nicht in die offiziellen Statistiken der Arbeitsämter eingeht, da sie – trotz ihrer Jugend – bereits zu den entmutigten Erwerbslosen zu zählen sind. Junge Erwachsene ohne oder mit schlechtem Hauptschulabschluß, junge Erwachsene mit Sozialisationsdefiziten und junge AusländerInnen haben ohne besondere Fördermaßnahmen keine Chance auf eine Ausbildung.
Gerade Jugendliche ohne Hauptschulabschluß stehen in einem Teufelskreis aus fehlendem Schulabschluß, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. Hinzu kommen Probleme wie eine starke Vernachlässigung und Liebesentzug seit frühester Kindheit, die Unvollständigkeit der Familie, ein ständiges Hin- und Hergeschiebe und keine oder fehlende Kontinuität in der Erziehung.
Neben der dringend benötigten Schaffung preiswerten Wohnraums sind vor allem besondere Hilfestellungen bei der Schul- und Berufsausbildung für diesen Personenkreis vonnöten, die sich deutlich von dem häufig festzustellenden Abschieben in Sonderschulen, Berufsvorbereitungsjahren und sonstigen Maßnahmen unterscheiden, deren wesentliches Ergebnis eine zusätzliche Stigmatisierung ist.
3. Hilfsangebote für obdachlose Jugendliche und junge Erwachsene in Köln
Ziel der Obdachlosenhilfe ist es zunächst, jedem akut Wohnungslosen ein Dach über dem Kopf zu gewährleisten. Der nächste Schritt ist dann jedoch in jedem Einzelfall eine möglichst kurzfristige und qualifizierte Versorgung mit dauerhaft richtigem Wohnraum.
Im Jahr 1995 suchten bei der Stadt Köln 3.592 Parteien wegen bereits eingetretener Obdachlosigkeit um Unterbringung nach.
Im Bereich der Unterbringung und anschließenden längerfristigen Versorgung von akut Wohnungslosen konnte – nach Ansicht des Amtes für Wohnungswesen – 1995 „eine deutliche Effektivitätssteigerung erreicht werden, die sich insbesondere in einem Rückgang der Inanspruchnahme von Hotelbetten bemerkbar machte.“ Als Ursachen für diese Entwicklung nennt der Arbeitsbericht des Amtes für Wohnungswesen u.a. den Einsatz der ambulanten Hilfe gem. § 72 BSHG, den Ausbau der zielgruppenorientierten Unterbringungsmöglichkeiten und eine verbesserte Koordinierung der Hilfe mit den anderen beteiligten Ämtern der Stadt Köln und den freien Trägern.
Dadurch sanken die Kosten der Hotelunterbringung von 1,347 Mio. DM in 1994 auf 1,197 Mio. DM 1995.
Auf unsere Anfrage hin hat die Stadtverwaltung 45 Hilfsangebote für obdachlose Kinder und Jugendliche aufgelistet:
- Beratungs- und Unterbringungsmöglichkeiten für junge Frauen und minderjährige Mädchen: z.B. das Mädchencafé „Mac Up“, Machabäerstr. 31, und die Notschlafstelle „Come back“, Gilbachstr. 23, (beide vom Sozialdienst katholischer Frauen) und 18 weitere Einrichtungen.
- Niedrigschwellige Angebote der Kölner Jugendhilfe, Gesundheitshilfe, Wohnungslosenhilfe und Sozialhilfe (städtische Angebote der Jugendhilfe): z.B. das Gereonshaus, Sülzgürtel 47, (eine Erstunterbringungseinrichtung für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge) und zwei weitere Einrichtungen.
- Sonstige Angebote für Minderjährige: z.B. das Kinder- und Jugendwohnhaus Mehregan des Internationalen Bundes für Sozialarbeit, Oberländer Ufer 186, und zwei weitere Angebote.
- Gemischtgeschlechtliche Beratungen und Unterbringungsangebote: z.B. das „Haus der Hoffnung“, Alsenstr. 25-27, und der Beratungsbus am Hauptbahnhof für junge TrebegängerInnen (beide von Auf Achse Treberhilfe e.V.) und neun weitere Angebote.
- Einrichtungen für über 21jährige männliche junge Erwachsene: z.B. das Übernachtungsheim Annostr. 11 (Johannisbund e.V.) und sechs weitere Einrichtungen.
Auch wenn diese Auflistung zahlreiche Einrichtungen enthält, die faktisch von obdachlosen Kindern und Jugendlichen nicht genutzt werden und für sie auch nicht geeignet sind, so dokumentiert sie doch, wie vielfältig und umfangreich die Hilfsangebote in Köln sind. Trotzdem besteht tagsüber eine „Versorgungslücke“ für unter 21jährige männliche Jugendliche. Unsere Forderung, das Projekt „B.O.J.E.“ (Anlage) auszuweiten, zielt auf die Schließung dieser „Versorgungslücke“.
4. Verschärfung der Lage im Bereich Dom/Hauptbahnhof
Das „Nutzungskonzept Roncalliplatz, Domvorplatz und -umgebung“ sieht u.a. vor, daß rund um den Dom keine Sondernutzungen mehr zugelassen werden. In einer weitergefaßten zweiten Zone sind künstlerische Nutzungen, wie Chöre, Pantomimenspieler, Pflastermaler und Gaukler mit Einschränkungen weiter zulässig. Politische Informationsstände werden ausgeschlossen. Weiterhin zulässig ist jedoch die Zufahrt zum noblen Dom-Hotel. An die Leine gelegt werden hingegen die Skateboard-Fahrer und Inline-Skater. Zwar ist ein generelles Verbot rechtlich nicht möglich, die Stadtverwaltung hat jedoch das Landesimmissionsschutzgesetz NW zur Hilfe genommen und mit Hinweis auf die Einhaltung der Nachtruhe dem Treiben erst einmal zwischen 22.00 und 6.00 Uhr ein Ende gesetzt.
Kern der Regelung ist jedoch das Verbot von „Lärmen, Betteln und störendem Alkoholgenuß“ und ein Bußgeld in Höhe von bis zu 1.000 DM, mit dem Verstöße geahndet werden können.
Begründet wird das beschriebene Vorgehen damit, daß sich in der Domumgebung eine Situation entwickelt habe, „die von vielen Einwohnern und Besuchern der Stadt als negativ empfunden wird“. Im Mittelpunkt der Kritik stehe „das Verhalten mancher Gaukler, Aktionskünstler, Straßenmusiker, Bettler, alkoholisierter Personen“. Damit verbunden seien negative Begleiterscheinungen, wie Lärmbelästigungen, Verunreinigungen, Sachbeschädigungen und aggressives Betteln.
Durch verstärkte Präsenz sollen Polizei und städtische Mitarbeiter für die Einhaltung des Konzeptes sorgen. Und wer’s nicht von allein begreift, dem drohen Ordnungsverfügungen mit Zwangsgeld, Platzverweise und das „Verbringen“ zur Polizeiwache am Waidmarkt.
Die Hamburger Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) stellte anläßlich einer ähnlichen Diskussion in Hamburg klare Worte: „Sogenannte Randständigkeit, Bettelei, Suchtkrankheit und psychosoziale Verwahrlosung gelten nach bisherigem sozialdemokratischem Verständnis als Ausdruck und Konsequenz materieller und sozialer Ungerechtigkeit, mangelnder Chancengleichheit und fehlgeschlagener Sozialisationsprozesse.“
Im September 1996 berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“, daß sich am Hauptbahnhof immer mehr Kinder und Jugendliche aufhielten. Bei der Bahnhofsmission hätten sich im Jahr 1995 mehr als 3.000 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren gemeldet, und auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die zum Bus des Vereins „Auf Achse Treberhilfe” am Bahnhof kämen sei deutlich gestiegen. Im gleichen Artikel wird die Geschäftsführerin des vom Sozialdienst katholischer Frauen betriebenen Mädchencafés „Mäc-Up” zitiert. Sie weist darauf hin, daß „das Leben am Bahnhof … schwieriger geworden (ist).” Wegen zunehmender Kontrollen im Bahnhof seien die hilfsbedürftigen Mädchen für die Helferinnen schwieriger zu erreichen.
Im Dezember 1996 wiederholten „Auf Achse Treberhilfe” und der „Junkiebund” ihre Kritik an den ordnungsbehördlichen Maßnahmen. Ihre Arbeit im Bahnhofsbereich werde durch Polizei und Bundesgrenzschutz behindert, der Kontakt zu den Drogenabhängigen und Obdachlosen erschwert.
Beratung und Orientierung für Jugendliche und junge Erwachsene (B.O.J.E.)
Das Busprojekt B.O.J.E. wird seit 1989 vom Gesundheitsamt der Stadt Köln als niedrigschwelliges Kontakt- und Beratungsangebot für junge Menschen aus dem Bahnhofsmilieu angeboten (junge Obdachlose, AusreißerInnen, TrebegängerInnen, Mädchen und Jungen, die sich prostituieren, Punks etc.). Seit April 1993 wird dieses Projekt in Kooperation mit dem Verein Auf Achse Treberhilfe e.V. durchgeführt.
Darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit mit der niedrigschwelligen Notschlafstelle des Vereins, die 1995 eigens für die Zielgruppe des Busprojektes B.O.J.E. eingerichtet wurde.
Für die Arbeit am Kölner Hauptbahnhof steht den StraßensozialarbeiterInnen ein umgebauter Linienbus zur Verfügung. Dieser bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, sich darin aufzuhalten und, wenn gewünscht, beraten und an weiterführende Hilfsangebote vermitteln zu lassen. Im Sinne gesundheitlicher Grundversorgung und Prävention können die Jugendlichen Vitaminsäfte, Kondome und Einwegspritzen erhalten.
Regelmäßige Rundgänge zwischen Domplatte und Hauptbahnhof ermöglichen den StraßensozialarbeiterInnen, Szeneveränderungen wahrzunehmen und neue Kontakte zu hilfesuchenden Menschen aufzubauen.
Ergänzt wird dieses Angebot an zwei Tagen der Woche durch den Mobilen Medizinischen Dienst des Gesundheitsamts Köln, bestehend aus einem Arzt und einer Krankenschwester. Dieses Team bietet vor Ort Sprechstunden mit medizinischer Grundversorgung an.
Das Busprojekt versteht sich als niedrigschwelliges Kontakt- und Beratungsangebot, d.h. die Arbeit mit den Jugendlichen basiert auf absoluter Freiwilligkeit und Anonymität. Hierbei ist es wichtig, den Jugendlichen immer wieder Parteilichkeit für ihre Interessen und Bedürfnisse zu signalisieren.
Ziel des Angebotes ist es, die jungen Menschen vor Ort, am Kölner Hauptbahnhof, zu erreichen. Durch eine ihre Lebenswelt akzeptierende Grundhaltung, kann eine vertrauensvolle und helfende Beziehung aufgebaut werden. Diese macht es möglich, gemeinsam mit den Jugendlichen konstruktive Perspektiven für ihre weitere Lebensgestaltung zu entwickeln.
Hierbei will das Busprojekt B.O.J.E. als Brücke zum bestehenden Hilfesystem fungieren und den Jugendlichen vermittelnd und beratend zur Seite stehen.
Standort: Busbahnhof an der Rückseite des Kölner Hauptbahnhofs (Breslauer Platz)
Standzeiten: Montag und Donnerstag, 17.00 – 19.00 Uhr (mit Arzt und Krankenschwester)
Dienstag und Mittwoch, 15.00 – 17.00 Uhr
Besuchsstatistik
1994 1995 1996
Gesamtzahl 396 567 789
davon unter 18 Jahre 122 176 246
davon Mädchen 62 155
Beschluß der AG Konferenz der Kölner Jusos am 14. Oktober 1997