Anforderungen an eine ökologische Politik

Dipl.-Psychologin Friederike Stolle (Forum spw-Rheinland)
Dipl.-Kaufmann Alex Recht (Juso AG Köln-Dellbrück)

Die Veranstaltung haben wir gemeinsam mit der Juso-AGen-Kooperation Köln-Dellbrück und -Deutz durchgeführt.

1. CO2-Emissionen sind aus ökologischen Gründen zu reduzieren!

CO2-Emissionen sind wegen des Treibhauseffekts problematisch. Deswegen ist eine Verringerung der Emissionen sehr wichtig.

  • Rot-grüne Koalitionsvereinbarung: Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionswerte von 1990 um 25% bis zum Jahr 2005.
  • UN-Klimakonvention: Die Europäische Gemeinschaft ist verpflichtet, die CO2-Emissionswerte von 1990 um 8% bis 2008/2012 zu senken. Die BRD hat hierfür ihre 6 Treibhausgasemissionen auf denselben Zeitraum bezogen um 21% zu reduzieren.
  • Und: bis 2050 ist eine CO2-Reduktion von 80% (!) erforderlich, um den Treibhauseffekt zu begrenzen.
  • Also: Es gibt viel zu tun!

2. Bisherige „Erfolge“ bei der Verringerung von CO2-Emissionen

Zwar gibt es folgende „Erfolge“:

  • Von 1990 bis 1999 wurden die CO2-Emissionen um ca. 15% gesenkt.
  • Das entspricht einer Minderung um 155 Mio. t CO2.

Aber der Schein trügt, denn:

  • Letztlich ist dies auf den Einbruch der Industrie in den neuen Bundesländern zurückzuführen.
  • 86 Mio. t, d.h. mehr als die Hälfte der 15%igen Senkung, gehen auf die Jahre 1990 bis 1992 zurück.

Zwar hat die Industrie Rückgänge beim Energieverbrauch zu verzeichnen, aber die Bereiche Verkehr und private Haushalte verbrauchen sogar mehr Energie als früher. Deswegen ist eine differenziertere Betrachtung erforderlich.

Ein paar Zahlen:

  • Die Energieproduktivität, gemessen als BIP/Energieeinheit, steigt zwar, aber weniger stark als früher.
  • Rückgang der Produktivitätswachstumsraten von durchschnittlich 2,2% während der 80er auf 1,6% während der 90er, und zwar trotz der Modernisierung im Osten.

Struktur der CO2-Emissionsminderungen:

  • Zwischen 1991 und 1998 sanken die Emissionen um 91 Mio. t.
  • BIP-Wachstum in dieser Zeit: Zunahme der Emissionen um 69 Mio. t.
  • Strukturwandel: Minderung um 74 Mio. t.
  • Höhere Energieproduktivität: Minderung um 66 Mio. t.
  • Einsatz CO2-armer Energieträger: Minderung um 21 Mio. t.

3. Ökonomische Probleme bei der Verfügbarkeit fossiler Energien

Die BRD ist ein Energieimportland:

  • Mineralöl wird fast zu 100% importiert.
  • Bei Erdgas liegt die Nettoimportquote bei über 80%.

Wer hat Öl?

  • Russland,
  • OPEC-Länder.

Wer hat Gas?

  • Russland: 1/3 der Reserven,
  • Iran 15%,
  • Ganzer Nahe Osten: 32%.

Diese Oligopolstellung birgt Gefahren:

  • Allein im ersten Halbjahr 2000 hat sich der Mineralölimport um 140% auf 20,3 Mrd. DM verteuert – trotz stagnierenden Warenimports.
  • Auch beim Gas – insbesondere aufgrund des hohen Wirkungsgrades, der die Nachfrage hiernach steigert – sind Preissteigerungen nicht ausgeschlossen.
  • Das Energieangebot könnte verknappt werden, wenn Russlands Industrie sich erholt hat und selber auf mehr Energie angewiesen ist.

Ein Umsteuern auf andere Energieträger ist also ökologisch wie ökonomisch geboten!

4. Maßnahmen im Wohnungs- und Gebäudebestand

Der Wohnungs- und Gebäudebestand ist aus energiepolitischer Sicht wichtig, weil hier viel Energie verloren geht, die eigentlich eingespart werden könnte. Nach Untersuchungen verschiedener Enquêtekommissionen des Bundestages könnten 75% des Energiebedarfs durch neue Techniken und besse-ren Wärmeschutz eingespart werden.

Die Maßnahmen müssten vor allem beim Neubau und bei der Renovierung von Bauten greifen. Vorzuschlagen wären:

  • Öffentliche Zinsbegünstigung bei der Kreditvergabe für Neubauten.
  • Gewährung von Investitionszuschüssen für Neubauten.
  • Bedingung in beiden Fällen: Einhaltung der Wärmeschutzverordnung mit einem Energieverbrauch von 100 kWh/m3.

5. Maßnahmen im Energiesektor

a) Kraft-Wärme-Kopplung

Unter Kraft-Wärme-Kopplung wird die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme in einem Heizkraftwerk verstanden. Durch die gleichzeitige Nutzung beider Energieformen wird der Energienutzungsgrad stark erhöht, wodurch unnötige Energieverluste vermieden, wertvolle Ressourcen geschont und Emissionen reduziert werden.

Gegenüber den konventionellen Systemen, d.h. einer getrennten Erzeugung von Strom in weniger effizienten Großkraftwerken und Wärme in Heizungssystemen, können z.B. die klimaschädlichen CO2-Emissionen um über ein Drittel gesenkt werden. Aber auch andere Schadstoffemissionen, beispielsweise Stickoxide, bleiben der Umwelt durch die Kraft-Wärme-Kopplung erspart.

b) Contracting

Statt Energie kauft eine Unternehmung nun die Leistung ein, welche mit der Energie verrichtet werden sollte.

„Wir werden Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine überlassen. Wir wer-den diese installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir garantieren Ihnen, daß die Kohle für die Maschine weniger kostet, als Sie gegenwärtig an Futter (Energie) für die Pferde aufwenden müssen, die die gleiche Arbeit tun. Und alles was wir von Ihnen verlangen, ist, daß Sie uns ein Drittel des Geldes geben, das Sie sparen.“ (James Watt, 1736 – 1819)

c) Entwicklung neuer Energien bzw. neuer Techniken

In der Diskussion sind momentan vor allem folgende Maßnahmen:

  • Einsatz regenerativer Energieträger wie Sonne, Wasser, Wind zur Stro-merzeugung (z.B. Photovoltaik) bzw. Wärmegewinnung (Solarthermie),
  • Einsatz sogenannter Brennstoffzellen.

d) Politische Anforderungen für den Energiesektor

  • Schneller Ausstieg aus der Atomenergie, die als Primärenergie für 30% des Stromverbrauchs und für 11% des gesamten Sekundärenergieträgereinsatzes dient. Hierdurch wird eine Notwendigkeit geschaffen, die Energiewende einzuleiten.
  • Staatliche Investitionen in die Forschung innovativer Energieträger (Solarenergie) bzw. Energieverfahren (KWK, Contracting).
  • Staatliche Subventionen für ökologische Energieanwendungen, z.B. das Aachener Modell zur Förderung solarer Energieproduktion in Haushalten, die längerfristig auch dazu führt, dass solare Techniken billiger werden.

6. Maßnahmen im Verkehrssektor

Das große Problem besteht darin, dass sowohl beim Personenverkehr wie auch beim Güterverkehr noch immer der Kfz-Verkehr dominiert.

a) Zahlen im Personenverkehr

  • 80,8% der Transportleistung erfolgt durch den motorisierten Individual-verkehr, was einer Steigerung um 5,9% von 1991 bis 1998 gleich kommt.
  • 7,1% der Transportleistung erfolgt durch die Bahn.
  • 8,1% der Transportleistung erfolgt durch den ÖPNV.
  • 4% der Transportleistung erfolgt durch den Luftverkehr.

b) Zahlen im Güterverkehr

  • 67,4% der Transportleistung erfolgt über die Straße, was einer Steigerung um 28,6% von 1991 bis 1998 gleich kommt.
  • 15,7% der Transportleistung erfolgt über die Schiene, was sogar einem Rückgang um 8,2% von 1991 bis 1998 gleich kommt.
  • 13,7% der Transportleistung erfolgt durch die Binnenschifffahrt.
  • 3,2% der Transportleistung erfolgt durch Rohrfernleitungen.

c) Momentane öffentliche Investitionen für die Bahn

  • Gesamtsumme: etwa 10 Mrd., was deutlich mehr als unter der alten Regierung ist, aber noch immer nicht ausreicht.
  • 2,58 Mrd. DM für Schieneninfrastruktur,
  • Eigenmittel der Bahn: 3,6 Mrd. DM,
  • 0,24 Mrd. DM aus EU-Töpfen,
  • 2 Mrd. DM aus Zinsersparnissen durch die UMTS-Versteigerungen.

d) Politische Anforderungen für den Verkehrssektor

  • Investitionserweiterungsprogramm in Höhe von 20 Mrd. DM für die Instandsetzung des Streckennetzes.
  • Investitionserweiterungsprogramm in Höhe von 15 Mrd. DM zur Subventionierung des ÖPNV für Produktionsmittel, Personal- und Betriebsko-sten, Ausbau des Streckennetzes, B&R- bzw. P&R-Anlagen.
  • Investitionserweiterungsprogramm in Höhe von 10 Mrd. DM zur Subventionierung des regionalen Eisenbahnverkehrs.

7. Umgestaltung der Ökosteuer

Um die Energieeffizienz zu steigern und passgenauer Umweltverträglichkeit zu erwirken, sollte die Ökosteuer modifiziert werden und Primärenergieverbrauch besteuern. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll:

  • Umstellung (keine Erweiterung) der Besteuerung auf Ebene der Primärenergie (Uran, Kohle, Gas, Öl etc.),
  • Steuerbefreiung nur für erneuerbare Energien,
  • Stetige Dynamisierung der Steuersätze auf Dauer um 7%/Jahr,
  • Besteuerung von Uran nach dem Primärenergieeinsatz,
  • Wegfall der Ausnahmeregelungen für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft,
  • keine weitere Senkung der GRV-Beiträge über indirekte Steuern,
  • Einsatz des Steueraufkommens (bis 2010 580 Mrd. DM) auch für ökologische Investitionen.

8. Rechenexempel der Ökosteuer nach DIW-Modell/Memo-Gruppe

  • Annahme: Konstante Energiepreise
  • Angenommener mittlerer Grundpreis je Energieeinheit = 9,00 DM/KJ
  • Ökosteuerpreiseffekt = 7% pro Jahr
    Erstes Jahr: Ökosteueraufschlag = 7% * 9,00 DM = 0,63 DM
    Zweites Jahr: Ökosteueraufschlag = 7% * 9,63 DM = 0,67 DM
    Drittes Jahr: Ökosteueraufschlag = 7% * 10,30 DM = 0,72 DM
    Viertes Jahr: Ökosteueraufschlag = 7% * 11,02 DM = 0,77 DM
    Fünftes Jahr: Ökosteueraufschlag = 7% * 11,79 DM = 0,83 DM
  • Nach dem 5. Jahr ist der Energiepreis mit 12,62 DM um 3,62 DM teurer als ohne Ökosteuer. Dieser Satz wird von der Memo-Gruppe als Ausgangssatz für das Jahr 2002, also 5 Jahre nach der Wahl ’98, gewählt.
Jahr Energiegrundpreis [DM/GJ] Steuersatz[DM] Energiepreis [DM] 7%ige Steuererhöhung
2002 9,00 3,62 12,62 0,88
2003 9,00 4,50 13,50 0,95
2004 9,00 5,45 14,45 1,01
2005 9,00 6,46 15,46 1,08
2006 9,00 7,54 16,54 1,16
2007 9,00 8,70 17,70 1,24
2008 9,00 9,94 18,94 1,33
2009 9,00 11,26 20,26 1,42
2010 9,00 12,68 21,68 1,52

9. Ökosteueraufkommen nach DIW-Modell/Memo-Gruppe

image

 

 

 

Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum 2001. Modernisierung durch Investitions- und Beschäftigungsoffensive, Köln 2001, S. 257.

 

 

 

10. Memo-Öko-ZiP vs. Investitionsprogramm der Bundesregierung

(Zusatz-)ZIP der Memo-Gruppe
Eisenbahninfrastruktur:
20 Mrd. DM
Modernisierung der Wasserversorgung:
10 Mrd. DM
Regionalhilfen:
2,5 Mrd. DM
ÖPNV:
15 Mrd. DM
Energieeinsparung in Gebäuden:
20 Mrd. DM
Summe:
150 Mrd. DM
Regionaler Eisenbahnverkehr:
10 Mrd. DM
Energieforschung:
2,5 Mrd. DM
 

Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum 2001. Modernisierung durch Investitions- und Beschäftigungsoffensive, Köln 2001, S. 254.

  Gesamtwerte
  Memogruppe BMFin
  in Mrd. DM/Jahr in Mrd. DM/Jahr
Eisenbahninfrastruktur 30,00 13,10
ÖPNV 40,00 31,30
Regionaler Bahnverkehr 10,00 ./.
Modernisierung der Wasserver-/entsorgung 10,00 ./.
Energieeinspraung bei Gebäuden 20,00 0,21
Kraftwerke- und Energieforschung 2,50 1,19
Regionalhilfen 2,50 0,08
Gesamt 115,00 45,87

 image

 

Förderprogramm Umwelt- und Naturschutz der Bundesregierung in Mrd. DM/Jahr  
Verminderung von Umweltbelastungen 0,08
Verminderung von grenzüberschreitenden Umweltbelastungen 0,03
Forschungs- und Entwicklungsvorhaben 0,18
Umweltschutzbezogene Grundlagenforschung 0,58
Forschung im Bereich erneuerbarer und rationellerer Energien 0,12
Marktanreizprogramm „Erneuerbare Energien“ 0,10
Sonstige Umweltausgaben über Kredite 0,10
Summe 1,19

 

Umweltkredite 3,20 * 3% 0,10
Kommunale Kredite 2,80 * 3% 0,08

11. Lohnkostensenkung bringt nicht mehr Beschäftigung

BIP

Beschäftigung

Lohnstückkosten

Quelle: OECD, Berechnungen des DIW (DIW-Wochenbericht 28-29/01)