Nach der Wahl ist vor der Wahl

Die PDS will präsent bleiben

von PAUL SCHÄFER

Fangen wir mit dem vielleicht nicht ganz so bedeutenden Ergebnis an: Die PDS ist gestärkt aus der Kommunalwahl in NRW hervorgegangen. Sie hat mit ihren Offenen/Linken Listen die Anzahl ihrer Mandate in Stadträten, Kreistagen und Bezirksvertretungen auf 120 mehr als verdoppeln können, hat statt einer Fraktion deren sieben. Mehr als 100.000 Stimmen in NRW können sich sehen lassen, angesichts der Tatsache dass die PDS nur von 46 % der WählerInnen überhaupt gewählt werden konnte. Dort wo sie antrat, erreichte sie einen Schnitt von knapp drei Prozent. Das klingt angesichts der Anti-Hartz-Protestwelle relativ bescheiden und ist es auch. Aber die Linke kommt hierzulande offenkundig nur durch mühsame und kontinuierliche Aufbauarbeit „von unten“ voran. Und die jetzt erreichte kommunale Verankerung der PDS ist ohne Zweifel eine erheblich verbesserte Ausgangsposition für die Stärkung linker Oppositionspolitik in NRW.

Was das Gesamtergebnis der Kommunalwahl betrifft, so ergibt sich ein sehr widersprüchliches Bild. Die Politikverdrossenheit bleibt extrem hoch, worunter v.a. die großen „Volksparteien“ CDU und SPD leiden. Grüne und FDP können relativ und in Maßen zulegen. Als Gewinner können bestenfalls die „Sonstigen“ gelten, die sich allerdings aus völlig verschiedenen bis gegensätzlichen Richtungen speisen. Dazu zählen die Rechtsextremisten, eher konservative unabhängige Wählergemeinschaften, aber auch dezidiert linke Listen und die PDS.

Die Frankfurter Allgemeine hat in einem Leitartikel nach den NRW-Kommunalwahlen gefragt, was dieses Ergebnis denn nun für die Landtagswahl 2005 bedeute und kam zu dem Schluss: Nichts. In der Tat.

Die Bäume der CDU wachsen nicht in den Himmel, im Gegenteil. Je mehr erkennbar wird, dass sie für schärfere Einschnitte im sozialen Netz steht, desto größere Probleme bekommt sie. Sie kann nicht länger auf einen Durchmarsch dank des Absturzes der SPD hoffen. Die Querelen um die richtige Führung der Union verdecken nur, dass es um die Fragen geht: Wie weit kann man beim Sozialabbau gehen? Muss nicht eventuell doch auf soziale Belange mehr Rücksicht genommen werden? Auch Jürgen Rüttgers hat versucht, einige Akzente gegen die völlige Identifikation mit der Schröder-Agenda zu setzen. Allerdings scheint Angela Merkel darauf versessen, eine Neuauflage des Thatcherismus in der Bundesrepublik etablieren zu wollen. Das wird nicht einfach werden.

Die SPD hat sich ihre jüngsten Wahlergebnisse schön gerechnet; bleibt aber immer noch in einem historischen Tief. Sie schafft es allerdings inzwischen besser, ihre Anhänger zu mobilisieren, kann nun ihrerseits von der eklatanten Schwäche des Hauptkonkurrenten profitieren und klammert sich an die Hoffnung, dass, gestützt auf relevante Teile der Medien, wieder mehr Menschen glauben, dass die Agenda 2010 unvermeidlich sei. In neueren Umfragen ist eine kleine Mehrheit auch erstmals bereit, die Hartz-Reformen zu akzeptieren. Die Medienkampagne nach der Sommerpause erzielt Wirkung. Dennoch bleibt dieser „Stimmungsumschwung“ relativ: Die SPD kann ihre Verluste begrenzen, indem sie neuerdings dieses „Unvermeidliche“ mit neuen Erwartungen an soziale Korrekturen (kleine Nachbesserungen bei Hartz IV) und die Weiterentwicklung des Sozialstaates (Bürgerversicherung, Mindestlohn etc.) garniert. Für diesen modifizierten Kurs steht Franz Müntefering. Ob sich daraus für die SPD eine wirkliche Trendwende entwickeln lässt und sie zumindest als kleineres Übel wieder Wahlchancen erhält, ist eher fraglich. Eine einschneidende Wendung zur wirtschaftlichen Besserung ist nicht in Sicht. Schröder hält Kurs, die Krise der SPD geht weiter.

Die Grünen profitieren davon, dass der größerer Teil ihrer Wählerklientel nicht so sehr von Hartz betroffen ist und sich die neoliberale Sozialstaatskritik sogar zu eigen gemacht hat. Ihre überdurchschnittliche gebildete, überwiegend weibliche und in der Regel gut verdienende Wählerschaft geht gleichzeitig von der Annahme aus, dass die Grünen trotz alledem noch immer unkonventionell, unangepasst seien und für ökologische, bürgerrechtliche und multikulturelle Modernisierung stehen. Auf dieser Basis können sie sich besonders in den urbanen Dienstleistungszentren behaupten und noch leicht zulegen.

Einiges deutet daraufhin, dass der Abstand zwischen schwarz-gelbem und dem „rot-grünen“ Lager, der über 8 Prozentpunkte betrug, nun kleiner geworden ist. Die Ausgangslage erscheint immer noch komfortabel für Rüttgers u. Co. Aber sicher kann er sich weniger denn je sein. Sicher ist nur, dass SPD und Grüne auf eine stärkere Polarisierung (Lagerwahlkampf) setzen werden und sich davon versprechen, die Schere zwischen den großen Lagern noch schließen zu können.

Im Kommunalwahlkampf war zu spüren, wie viel Frust, Unmut, gar Wut über den Sozialabbau sich angestaut haben. Von dieser Stimmungslage profitieren in erschreckendem Maße die Rechtsextremisten. Die fremdenfeindliche Liste Pro Köln hat 4,4 Prozent erreicht, in einigen Stadtteilen liegt sie bei über 10%! Besorgnis erregen muss vor allem, dass die großen Finanziers der Rechten – im Unterschied zum massiven Auftreten in Sachsen und Brandenburg – noch gar nicht richtig eingestiegen sind, sich Bündnisse der „nationalen Rechten“ in der Zukunft abzeichnen und die Neonazis unter Jugendlichen besonders gut abgeschnitten haben (Zehn Prozent der Erstwähler in Köln und Dortmund)

Für die PDS ergibt sich aus der Kommunalwahl v.a. folgender Schluss:

Den Rechtsextremisten darf kein Millimeter Terrain überlassen werden. Sie dürfen nicht von der sozialen Proteststimmung profitieren. Daher muss bei der Landtagswahl eine linke Alternative ins Rennen gehen, die der rechten Demagogie wirksam entgegentritt.

Die Menschen müssen die Gelegenheit erhalten, ihre Ablehnung der neoliberalen Sozialabbau-Politik und ihre Zustimmung zu einem wirklichen Politikwechsel mit dem Stimmzettel auszudrücken. Das „There is no alternative“ darf sich nicht wieder festsetzen.

Die PDS will das Vertrauen, das sie sich mit der diesjährigen Wahl erworben hat, festigen und ausbauen. Daher wird sie bei der Wahl am 22.5.2005 antreten und dafür werben, dass sich NRW für die Sicherung der öffentlichen Finanzgrundlagen stark macht, dass das Land eine aktive Arbeitsmarktpolitik verfolgt und dass endlich eine Bildungspolitik durchgesetzt wird, die auf Fördern statt auf soziale Auslese setzt.

 

Paul Schäfer, Jg. 1949, Mitglied im Kreisverband Köln, Sprecher des Landesverbandes NRW der PDS