Hans Günter Bell, Andrea Nahles (Hrsg.): Vor dem Kollaps? Die Zukunft der großen Städte

Cover des Buches. Hochhäuser

Der Bundeskongreß der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos) hatte im Mai 1995 den Juso-Bundesvorstand beauftragt, gemeinsam mit interessierten Bezirken einen Kongreß zur Zukunft der großen Städte durchzuführen. Dieser Kongreß hat im November 1996 in Köln stattgefunden. Ausgangspunkt der Diskussionen war die Erkenntnis, daß sich gesellschaftliche Entwicklungen und Umbrüche zuerst in den Städten bemerkbar machen und durchsetzen. Die Jusos stellten in ihrem Bundesarbeitsprogramm 1995-1997 fest: "Wie in einem Brennglas sind hier (in den Städten, d.V.) die Entwicklungstendenzen der Gesellschaften zu beobachten. Es gilt, diese zu erkennen und hieraus politische Konsequenzen zu ziehen." Auf dem Kongreß ist es daher sowohl um eine Aneignung des aktuellen Diskussionsstandes zur Zukunft der großen Städte gegangen, als auch darum, linke Programmatik in diesem Feld weiterzuentwickeln und hieraus Konsequenzen für die Juso-Arbeit zu ziehen. Wir hoffen, daß dieses Buch einen Beitrag dazu leitet, die Zukunft der großen Städte nicht der unheiligen Allianz aus Kapital und CDU/CSU/FDP-Bundesregierung zu überlassen, und Anstöße geben kann – im Sinne von Hans G Helms – „den öffentlichen, den politischen Raum der Stadt zurück(zu)erobern.“   Inhalt: Hans G Helms: Strukturwandel der Städte Marion Hering: Mobilität von Frauen. Frauengerechte Verkehrsplanung mit dem Schwerpunkt ÖPNV Ute Krüger & Matthias Linnekugel: Armut in den Städten Hans Günter Bell: Stadterneuerung – für wen? Eckhart Seidel & Marc Wißmann: Metropolenkonkurrenz und lokale AkteurInnen Diskussion zur Zukunft der großen Städte mit Norbert Burger, Steffi Gerszewski, Hans G Helms und Volkmar Schultz Stefan Krätke: Bodenmarkt und Stadtentwicklung – Zur Rolle des Immobilienkapitals im Zeitalter der Globalisierung Joachim Schuster & Carsten Sieling: Zukunftsblockaden Christoh Zöpel: Wohnen Dieter Krämer: Die Stadt Hamm – Ökologische Stadt der Zukunft

Günter Bell. »Ein Stadtteil, in dem die Arbeiterklasse zu Hause ist«? Klassenbewusstsein und Klassensolidarität in sozial-räumlichen Milieus

Cover des Buches, Straßenszene Kalker Hauptstraße

Es waren die sich kumulierenden sozialen Probleme, insbesondere die sich weit öffnende Schere zwischen Reichtum und Armut weltweit und in den reichsten kapitalistischen Gesellschaften selbst, sowie die mit Massen- und Dauerarbeitslosigkeit einhergehende soziale Ausgrenzung und Prekarisierung (Hartz IV), die in den Sozialwissenschaften schon am Ende des zurückliegenden Jahrhunderts zu einer Wiederbelebung von Klassentheorie geführt haben und die Dringlichkeit empirischer Klassenanalysen unterstreichen. Wo ließe sich dies besser durchführen als in Großstädten, in denen sich soziale Zerklüftung und Spaltung in der Veränderung von Infrastrukturen, Stadtteilen und ihren historisch gewachsenen sozialen Milieus niederschlagen. Günter Bell hat eine solche empirische Untersuchung auf Basis von Interviews mit Bewohnern am Stadtteil Köln-Kalk durchgeführt: Zeichnet sich ab, dass die arbeitenden Klassen sich aktiv gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zur Wehr setzen? Ist in den Arbeiterstadtteilen ein besonderer Nährboden für Klassenbewusstsein und -solidarität vorhanden? Welche Bedeutung haben räumliche Einflüsse auf Klassenmilieus und Klassenbewusstsein? Diesen Fragen geht die qualitative Einzelfallstudie im Milieu der gewerkschaftlich und politisch aktiven Arbeiter/-innen und einfachen Angestellten in einem traditionellen Arbeiterstadtteil nach. VSA-Verlag, Hamburg, 2009

Tätigkeitsbericht für 2017

SoFoR im Schnee geschrieben

In Nordrhein-Westfalen wurde das politische Jahr 2017 durch die beiden Wahlkämpfe geprägt. Dem haben wir als Verein Rechnung getragen und unsere Aktivitäten etwas zurückgefahren. Dennoch haben wir wieder einige interessante Veranstaltungen durchgeführt und politische Initiativen unterstützt. Erfreulich ist zudem, dass die Zahl unserer Mitglieder stabil geblieben ist. Im Juli haben wir einen neuen Vorstand gewählt, der allerdings im Wesentlichen der alte ist: Die beiden Vorsitzenden Astrid Kraus und Hans Lawitzke wurden ebenso wiedergewählt wie der Geschäftsführer Hans Günter Bell. Unter den fünf weiteren Vorstandsmitgliedern ist Paul Schäfer als Neuzugang zu begrüßen. Veranstaltungen In 2017 fanden drei Theoriekreise statt: Big Data, Ref.: Markus Lauber (im März) Wandel der Unternehmensbesteuerung, Ref.: Astrid Kraus (im Juni) Digitalisierung der Arbeitswelt, Ref.: Antonia Kühn (im November) Darüber hinaus haben wir zwei Veranstaltungen durchgeführt: Eine Führung durch die Ausstellung „Otto Freundlich. Kosmischer Kommunismus“ im Kölner Museum Ludwig. (im April) Am „Tag des guten Lebens“ in Deutz haben wir mit Aktivisten von "Recht auf Stadt", Kommunalpolitiker*innen und Deutzer Bürger*innen über die Frage Ist der 'Tag des Guten Lebens' Indikator für die Gentrifizierung? diskutiert. (im Juni) Wegen des Landtags- und des Bundestagswahlkampfes haben wir in diesem Jahr auf unser „Sommerprogramm“ verzichtet. Kooperationen Fortgesetzt haben wir unsere Zusammenarbeit mit dem Rosa-Luxemburg-Gesprächskreis Sülz/Klettenberg bzw. der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW und dem Willi-Eichler-Bildungswerk. Darüber hinaus hatten wir gemeinsam mit dem Friedensbildungswerk Köln und dem Kölner Appell gegen Rassismus e.V. Regina Wamper vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung zu Gast, die uns die Studie „Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung“ (über den Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016) vorgestellt hat (im Juli) Natürlich waren wir auch wieder mit einem Infostand am Familienfest des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai in Köln beteiligt. Unterstützung für politische Initiativen Im Laufe des Jahres haben wir den Offenen Brief „Demokratie und Grundrechte verteidigen“ unterschrieben, mit dem sich Ende … Read More

Theoriekreis: Klimaschutz vs. Kapitalismus – oder: das Scheitern der deutschen Energiewende

verdorrtes Feld

Ohne einen konsequenten Klimaschutz werden schon bald ganze Weltregionen kaum noch bewohnbar sein, etwa durch den steigenden Meeresspiegel und die Zunahme von Hurrikans und Dürren. Betroffen sind insbesondere der globale Süden und die Pazifikstaaten. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 enthält durchaus ambitionierte Ziele. Die Erderwärmung soll auf 1,5 °C im Vergleich zu 1990 begrenzt werden, für 2050 wird eine komplette CO2-Neutralität angestrebt. Doch die Formulierungen bleiben letztlich wachsweich. Die Unternehmen und Konzerne können sich über viele Zugeständnisse freuen. Getragen ist das ganze Abkommen von der illusorischen Annahme eines grünen Kapitalismus, also einer auch weiterhin marktkonform gestalteten Klimapolitik, die die Wachstums- und Konkurrenzlogik des Kapitalismus nicht in Frage stellt. Die vergangene Klimakonferenz in Bonn hat daher auch kaum belastbare Pläne zur Umsetzung der Klimaziele gebracht. Auch die vielfach (eigen-)gelobte 'deutsche' Energiewende verdient ihren Namen nicht. Die Bundesregierung verfehlt ihr Klimaziel für 2020 krachend, die Beratungen über einen Kohleausstieg werden voraussichtlich in eine Kommission verschoben. Außerdem blockiert die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien und betreibt ewig gestrigen Kohle-Protektionismus. Mit den großen Energiekonzernen wollen sich weder Union, SPD, Grüne, FDP noch AfD anlegen. Ein technischer Umbau der gesellschaftlichen (Energie-)Produktion wäre das mindeste. Doch für eine emanzipatorische Klimapolitik sind auch umfassende soziale Umwälzungen unabdingbar, mit veränderten Produktions- und Eigentumsverhältnissen. Warum nur ein antikapitalistisch orientierter sozial-ökologischer Umbau die Ausbeutung von Mensch und Natur stoppen kann, möchte Hubertus Zdebel, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, gemeinsam mit Euch diskutieren. Termin: Freitag, 09. März 2018

Paul Oehlke: Besprechung von „Mythos Sexarbeit“

Cover des Buches, Bordell

Die aktuelle „#MeToo-Bewegung“ hebt nahezu alltägliche sexuelle Übergriffe im normalen Leben ans Tageslicht, die in den Zwillingsschwestern Pornographie und Prostitution eine legalisierte Form gefunden haben. Insbesondere die letzte zeugt von einer noch lebendigen patriarchalischen Erbschaft, einer fortdauernden Herrschaftsform des männlichen über das weibliche Geschlecht mit ihren sozialen und ethnischen Diskriminierungen. Wie sehr die Prostitution über die kapitalistische Lohnarbeit hinaus und jenseits dieser auch heute noch ein Gewaltverhältnis mit fließenden Grenzen zur Zwangsprostitution darstellt, verdeutlichen die einzelnen Beiträge in dem von Katharina Sass im PapyRossa Verlag herausgegebenen Sammelband. veröffentlich in: Sozialismus Heft 1-2018, S. 65-67

Zeit, die Ungleichheitskrise zu beenden

links ein golfplatz, rechts ein hüttendorf

82 Prozent des globalen Vermögenswachstums gingen im letzten Jahr an das reichste Prozent der Weltbevölkerung, während das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung stagnierte. Diese extreme Ungleichheit hält Menschen in Armut gefangen, zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ist ökonomisch kontraproduktiv und in der Konsequenz für uns alle katastrophal. Dies sind Folgen politischer Entscheidungen, die geändert werden können und müssen: Um die weltweit rasant zunehmende Ungleichheit zu überwinden, brauchen wir gerechte Steuern, faire Einkommen für Frauen und Männer sowie Investitionen in Bildung und Gesundheit für alle.

Eine erste kleine ökonomische Einordnung der Migration in 2015/16

Deutsche Einwandererfamilie in den USA

Ein Debattenbeitrag von Alex Recht Zu den Migrationsbewegungen in den Jahren 2015/16 ist auch innerhalb der bundesdeutschen Bevölkerung eine Debatte entstanden, woraus, Migration resultiert, wie mit ihr umzugehen ist und welche Wirkungen sie hervorruft. Da bei diesem Thema auch menschliches Leid von Migranten eine Rolle spielt und Migration auch auf der Ebene der empfangenden Gesellschaft zu Herausforderungen führt, nimmt es kein Wunder, dass die Debatte moralisch aufgeladen ist. Die moralische Dimension hat auch ihre Berechtigung, denn aus humanistischer Position heraus ist es erforderlich, Leid und Belastungen für Menschen verhindern zu wollen, rassistischen Positionen entgegenzutreten und sich gegen eine ökonomische Engführung bei Urteilen zu wenden.Dennoch ist es auch von Interesse, welche ökonomischen Effekte Migration hervorruft. Ein solches Interesse besteht weder darin, mit Verweis auf ökonomische Argumente Migration von Anfang an zu verhindern, noch darin, nur auf Basis ökonomischer Zweckmäßigkeit ein Plädoyer für Migration zu halten. Denn es gibt humanistische Gründe sui generis, derentwegen Migration befürwortet werden kann. Von Interesse ist es aber, sich die ökonomischen Wirkungen von Migration im Rahmen einer humanistischen Argumentation vor Augen zu führen. Es ist zum Beispiel möglich, für Migration nicht nur dann zu plädieren, wenn hierbei Pro‐Kopf‐Einkommen und Beschäftigungsquote steigen, sondern auch dann, wenn hiermit ein Rückgang von Pro‐Kopf‐Einkommen und Beschäftigungsquote einhergehen. Allerdings sollte in beiden Fällen Klarheit über die Folgen bestehen. Das Foto zeigt eine deutsche Einwandererfamilie in den USA der 1930er Jahre. Quelle: Bundesarchiv_Bild_137-050127,_USA,_Deutsche_Einwandererfamilie